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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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wir daher die Bitte um Nachsicht als Bescheideuheitsphrase eins sich beruhen
(denn im Ernste wird Herr Ebers sicherlich nicht der Ansicht sein, daß das,
was der Nachsicht einer liebevollen Tante bedarf, für das kaufende und zahlende
Publikum gut genug sei) und wenden wir uns dem Buche selber zu.

Der Roman spielt, wie schon angedeutet, zur Zeit der niederländischen Un¬
abhängigkeitskämpfe und hat zum Hintergründe die Belagerung von Leyden im
Sommer des Jahres 1574, jene für den ferneren Verlauf des Kampfes so ent¬
scheidend wichtige Episode dieses Krieges. Was ans diesem Hintergrunde sich
abspielt, ist kurz folgendes.

Maria, die zweite Frau des Bürgermeisters Peter van der Werft, fühlt sich
von ihrem um vierundzwanzig Jahre älteren Gatten nicht verstanden. Sie hat
gehofft, an seinen Plänen, seinen Sorge" für das öffentliche Wohl teilnehmen
zu könnei?, sieht sich aber in dieser Erwartung getäuscht und hat nun eine zeitlang
die Idee, unglücklich zu werde". Verschiedene Versuche, Herrn Peter für ihre
Auffassung zu gewinnen, scheitern. Endlich, als sie Peter, der, schon durch den
Tod seines Kindes gebrochen, an der gute" Sache verzweifeln will, mit flam¬
menden Worten zu seiner Pflicht zurückruft, siegt sie; Peter erkennt ihren hohen
Geist, die Gatten finden sich.

Neben dieser Fabel her, zum Teil mit ihr verschlungen, geht eine Er¬
zählung von dem Schwesternpaar Hoogstraten. Beide Schwestern, Anna und
Henrik", sind von ihrem gewissenlosen Bater eiuer alte" Tante überlassen worden,
von welcher die ältere zu einem unglücklichen Ehebmide verleitet, da"" vom Vater
verstoßen, vom Gatten verlasse" worde" und nach Italien gegangen ist. Durch
den Musiker Wilhelm Corneliussvh", den sie dort kennen gelernt hat, wird sie
wieder mit Schwester und Vater vereinigt, nachdem die Tante beim Beginn der
Belagerung von Lehden gestorben ist. Die zugleich mit der Tante erkrankte
Henrika ist in das Hans des Bürgermeisters geschafft worden -- das ist das
Band, welches die beiden Stoffe verbindet.

Man hat es also mit zwei ziemlich äußerlich verbundenen Fabeln zu thu",
vo" denen die zweite noch am ehesten darnach angethan ist, sich zu eiuer rich¬
tigen Romanfabel auszuwnchsen. Wenn das, was wir uns hier vom Musiker
Wilhelm und dem alten Hoogstrateuschen Hausmeister Belotti ziemlich kompcndiös
erzählen lassen müsse", und was deshalb nicht sehr anregend wirkt, weil es eben
gar zu kompakt kommt, sich vor unsern Augen abspielte, so könnte daraus allen¬
falls ein Roman werden: ein ganzes verwickeltes Menschen- und Familienschicksal
wäre damit gegeben. Der tolle Junker Hoogstraten, der finstere Don Luis
d'Avila, die böse Tante Hoogstraten mit ihrer lauge aufgesparten Rache an
dem Sohne ihres treulosen Bräutigams, die Schicksale der unglücklichen Anna
in dem fremden Italien, ihre Begegnung mit Wilhelm -- das alles hätte recht
gut eine Erweiterung vertragen. Das alles ist aber in zweite Linie gerückt und
hängt eigentlich gar nicht notwendig mit dem zusammen, was der Verfasser in


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wir daher die Bitte um Nachsicht als Bescheideuheitsphrase eins sich beruhen
(denn im Ernste wird Herr Ebers sicherlich nicht der Ansicht sein, daß das,
was der Nachsicht einer liebevollen Tante bedarf, für das kaufende und zahlende
Publikum gut genug sei) und wenden wir uns dem Buche selber zu.

Der Roman spielt, wie schon angedeutet, zur Zeit der niederländischen Un¬
abhängigkeitskämpfe und hat zum Hintergründe die Belagerung von Leyden im
Sommer des Jahres 1574, jene für den ferneren Verlauf des Kampfes so ent¬
scheidend wichtige Episode dieses Krieges. Was ans diesem Hintergrunde sich
abspielt, ist kurz folgendes.

Maria, die zweite Frau des Bürgermeisters Peter van der Werft, fühlt sich
von ihrem um vierundzwanzig Jahre älteren Gatten nicht verstanden. Sie hat
gehofft, an seinen Plänen, seinen Sorge» für das öffentliche Wohl teilnehmen
zu könnei?, sieht sich aber in dieser Erwartung getäuscht und hat nun eine zeitlang
die Idee, unglücklich zu werde». Verschiedene Versuche, Herrn Peter für ihre
Auffassung zu gewinnen, scheitern. Endlich, als sie Peter, der, schon durch den
Tod seines Kindes gebrochen, an der gute» Sache verzweifeln will, mit flam¬
menden Worten zu seiner Pflicht zurückruft, siegt sie; Peter erkennt ihren hohen
Geist, die Gatten finden sich.

Neben dieser Fabel her, zum Teil mit ihr verschlungen, geht eine Er¬
zählung von dem Schwesternpaar Hoogstraten. Beide Schwestern, Anna und
Henrik«, sind von ihrem gewissenlosen Bater eiuer alte» Tante überlassen worden,
von welcher die ältere zu einem unglücklichen Ehebmide verleitet, da»» vom Vater
verstoßen, vom Gatten verlasse» worde» und nach Italien gegangen ist. Durch
den Musiker Wilhelm Corneliussvh», den sie dort kennen gelernt hat, wird sie
wieder mit Schwester und Vater vereinigt, nachdem die Tante beim Beginn der
Belagerung von Lehden gestorben ist. Die zugleich mit der Tante erkrankte
Henrika ist in das Hans des Bürgermeisters geschafft worden — das ist das
Band, welches die beiden Stoffe verbindet.

Man hat es also mit zwei ziemlich äußerlich verbundenen Fabeln zu thu»,
vo» denen die zweite noch am ehesten darnach angethan ist, sich zu eiuer rich¬
tigen Romanfabel auszuwnchsen. Wenn das, was wir uns hier vom Musiker
Wilhelm und dem alten Hoogstrateuschen Hausmeister Belotti ziemlich kompcndiös
erzählen lassen müsse», und was deshalb nicht sehr anregend wirkt, weil es eben
gar zu kompakt kommt, sich vor unsern Augen abspielte, so könnte daraus allen¬
falls ein Roman werden: ein ganzes verwickeltes Menschen- und Familienschicksal
wäre damit gegeben. Der tolle Junker Hoogstraten, der finstere Don Luis
d'Avila, die böse Tante Hoogstraten mit ihrer lauge aufgesparten Rache an
dem Sohne ihres treulosen Bräutigams, die Schicksale der unglücklichen Anna
in dem fremden Italien, ihre Begegnung mit Wilhelm — das alles hätte recht
gut eine Erweiterung vertragen. Das alles ist aber in zweite Linie gerückt und
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/504>, abgerufen am 26.06.2024.