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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Werftenlagen und der Anfstapelnng aller Mnnnevvrrätc in den ausgedehnten
Arsenälen einen Seehafen ersten Ranges darstellt, mit einer Citadelle, dein
Zentrnlpunkt der Verteidigung und namentlich nach der Seeseite mit weiteren
starken Befestigungen, in der Hauptsache sogenannten Montalcmbertschen Thürmen
versehen.

Die wichtigsten aus Venetien nach Vliland führenden Pässe von Predil
und Pontafel oder Pvntebo sind, wie die Brennerstraße und die aus dem Etsch-
thale über die Ortler Alpen führenden Wege ueben manchen andern wichtigen
Punkten zwar durch Sperrforts abgeschlossen, wie denn auch die aus der Schweiz
nach Tirol führende Jnnstraße bei Finstermünz durch Befestigungen gesperrt
ist; doch sind beispielsweise die aus dem Etschthale über die Trientiner Alpen
führenden Pässe nicht geschützt; überhaupt besitzt Österreich keine bedeutendere
Festung der italienischen Grenze gegenüber. Diese Erwägungen hatten in den
letzten Jahren zu Erörterungen über die Frage geführt, wie ein wirksamer
Grenzschutz gegen Italien zu ermöglichen sei. Manche Neuanlagen scheinen be¬
absichtigt und teilweise auch in Angriff genommen worden zu fein, aber wie
Wohl das letzte Wort in dieser wichtigen Angelegenheit noch nicht gesprochen
ist, so mögen auch finanzielle Hindernisse einer energischen Durchführung ent¬
gegenstehen.

Im Innern der Monarchie liegen die unbedeutenden Festungen Arad von
Maros in Ungarn, welches 1763 nach dem System Montalembert erbaut wurde,
und Temcsvar, die Hauptstadt des Bauates. Dagegen ist das 1472 von Matthias'
Corvinus angelegte, 1672 durch Kaiser Leopold verstärkte und 1805 erneuerte
Komorn, eine der stärksten und bedeutendsten Festungen des Landes. Auf der
Südspitze der großen Schneeinsel, zwischen dem Znsammcnstrom von Wang und
Donau erbaut, beherrscht die Festung beide Ströme durch ihre Brückenköpfe, kauu der
günstigen Lage wegen mit eiuer Besatzung von 10--12 000 Mann verteidigt werden
und bietet in seinem verschanzten Lager einer großen Armee gesicherte Unterkunft.

Für den Fall eines Krieges endlich soll Wien in provisorischer Weise be¬
festigt werden. Die Anregung und der erste Grundgedanke zu diesem Plane
liegt wohl in den während des Feldzuges 1866 angelegten Erdwerken von
Florisdorf, welche mit mehr als 400 Geschützen cirmirt waren und zu ihrer
Verteidigung nur 9000 Manu erforderten, während doch eine zahlreiche Armee
sich in dem von ihnen umschlossenen Raume sammeln konnte.

Neben der Armee und den zum Schutze des Reiches geschaffenen künstlichen
Verteidigungsanstalten vervollständigt die Flotte die Kriegsmacht der Monarchie.
Die Oberleitung der sämmtlichen Angelegenheiten der Kriegsmarine liegt in den
Händen der übrigens selbständigen Marinesektivn des Neichskriegsministeriums,
deren Vorstand zugleich Befehlshaber der Flotte ist. Letztere ist in Österreich
von jeher als Stiefkind behandelt worden, was um so auffälliger erscheint, als
der Staat in der Bevölkerung der langgestreckten Küstengebiete ein vorzügliches


Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Werftenlagen und der Anfstapelnng aller Mnnnevvrrätc in den ausgedehnten
Arsenälen einen Seehafen ersten Ranges darstellt, mit einer Citadelle, dein
Zentrnlpunkt der Verteidigung und namentlich nach der Seeseite mit weiteren
starken Befestigungen, in der Hauptsache sogenannten Montalcmbertschen Thürmen
versehen.

Die wichtigsten aus Venetien nach Vliland führenden Pässe von Predil
und Pontafel oder Pvntebo sind, wie die Brennerstraße und die aus dem Etsch-
thale über die Ortler Alpen führenden Wege ueben manchen andern wichtigen
Punkten zwar durch Sperrforts abgeschlossen, wie denn auch die aus der Schweiz
nach Tirol führende Jnnstraße bei Finstermünz durch Befestigungen gesperrt
ist; doch sind beispielsweise die aus dem Etschthale über die Trientiner Alpen
führenden Pässe nicht geschützt; überhaupt besitzt Österreich keine bedeutendere
Festung der italienischen Grenze gegenüber. Diese Erwägungen hatten in den
letzten Jahren zu Erörterungen über die Frage geführt, wie ein wirksamer
Grenzschutz gegen Italien zu ermöglichen sei. Manche Neuanlagen scheinen be¬
absichtigt und teilweise auch in Angriff genommen worden zu fein, aber wie
Wohl das letzte Wort in dieser wichtigen Angelegenheit noch nicht gesprochen
ist, so mögen auch finanzielle Hindernisse einer energischen Durchführung ent¬
gegenstehen.

Im Innern der Monarchie liegen die unbedeutenden Festungen Arad von
Maros in Ungarn, welches 1763 nach dem System Montalembert erbaut wurde,
und Temcsvar, die Hauptstadt des Bauates. Dagegen ist das 1472 von Matthias'
Corvinus angelegte, 1672 durch Kaiser Leopold verstärkte und 1805 erneuerte
Komorn, eine der stärksten und bedeutendsten Festungen des Landes. Auf der
Südspitze der großen Schneeinsel, zwischen dem Znsammcnstrom von Wang und
Donau erbaut, beherrscht die Festung beide Ströme durch ihre Brückenköpfe, kauu der
günstigen Lage wegen mit eiuer Besatzung von 10—12 000 Mann verteidigt werden
und bietet in seinem verschanzten Lager einer großen Armee gesicherte Unterkunft.

Für den Fall eines Krieges endlich soll Wien in provisorischer Weise be¬
festigt werden. Die Anregung und der erste Grundgedanke zu diesem Plane
liegt wohl in den während des Feldzuges 1866 angelegten Erdwerken von
Florisdorf, welche mit mehr als 400 Geschützen cirmirt waren und zu ihrer
Verteidigung nur 9000 Manu erforderten, während doch eine zahlreiche Armee
sich in dem von ihnen umschlossenen Raume sammeln konnte.

Neben der Armee und den zum Schutze des Reiches geschaffenen künstlichen
Verteidigungsanstalten vervollständigt die Flotte die Kriegsmacht der Monarchie.
Die Oberleitung der sämmtlichen Angelegenheiten der Kriegsmarine liegt in den
Händen der übrigens selbständigen Marinesektivn des Neichskriegsministeriums,
deren Vorstand zugleich Befehlshaber der Flotte ist. Letztere ist in Österreich
von jeher als Stiefkind behandelt worden, was um so auffälliger erscheint, als
der Staat in der Bevölkerung der langgestreckten Küstengebiete ein vorzügliches


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[0501] Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie. Werftenlagen und der Anfstapelnng aller Mnnnevvrrätc in den ausgedehnten Arsenälen einen Seehafen ersten Ranges darstellt, mit einer Citadelle, dein Zentrnlpunkt der Verteidigung und namentlich nach der Seeseite mit weiteren starken Befestigungen, in der Hauptsache sogenannten Montalcmbertschen Thürmen versehen. Die wichtigsten aus Venetien nach Vliland führenden Pässe von Predil und Pontafel oder Pvntebo sind, wie die Brennerstraße und die aus dem Etsch- thale über die Ortler Alpen führenden Wege ueben manchen andern wichtigen Punkten zwar durch Sperrforts abgeschlossen, wie denn auch die aus der Schweiz nach Tirol führende Jnnstraße bei Finstermünz durch Befestigungen gesperrt ist; doch sind beispielsweise die aus dem Etschthale über die Trientiner Alpen führenden Pässe nicht geschützt; überhaupt besitzt Österreich keine bedeutendere Festung der italienischen Grenze gegenüber. Diese Erwägungen hatten in den letzten Jahren zu Erörterungen über die Frage geführt, wie ein wirksamer Grenzschutz gegen Italien zu ermöglichen sei. Manche Neuanlagen scheinen be¬ absichtigt und teilweise auch in Angriff genommen worden zu fein, aber wie Wohl das letzte Wort in dieser wichtigen Angelegenheit noch nicht gesprochen ist, so mögen auch finanzielle Hindernisse einer energischen Durchführung ent¬ gegenstehen. Im Innern der Monarchie liegen die unbedeutenden Festungen Arad von Maros in Ungarn, welches 1763 nach dem System Montalembert erbaut wurde, und Temcsvar, die Hauptstadt des Bauates. Dagegen ist das 1472 von Matthias' Corvinus angelegte, 1672 durch Kaiser Leopold verstärkte und 1805 erneuerte Komorn, eine der stärksten und bedeutendsten Festungen des Landes. Auf der Südspitze der großen Schneeinsel, zwischen dem Znsammcnstrom von Wang und Donau erbaut, beherrscht die Festung beide Ströme durch ihre Brückenköpfe, kauu der günstigen Lage wegen mit eiuer Besatzung von 10—12 000 Mann verteidigt werden und bietet in seinem verschanzten Lager einer großen Armee gesicherte Unterkunft. Für den Fall eines Krieges endlich soll Wien in provisorischer Weise be¬ festigt werden. Die Anregung und der erste Grundgedanke zu diesem Plane liegt wohl in den während des Feldzuges 1866 angelegten Erdwerken von Florisdorf, welche mit mehr als 400 Geschützen cirmirt waren und zu ihrer Verteidigung nur 9000 Manu erforderten, während doch eine zahlreiche Armee sich in dem von ihnen umschlossenen Raume sammeln konnte. Neben der Armee und den zum Schutze des Reiches geschaffenen künstlichen Verteidigungsanstalten vervollständigt die Flotte die Kriegsmacht der Monarchie. Die Oberleitung der sämmtlichen Angelegenheiten der Kriegsmarine liegt in den Händen der übrigens selbständigen Marinesektivn des Neichskriegsministeriums, deren Vorstand zugleich Befehlshaber der Flotte ist. Letztere ist in Österreich von jeher als Stiefkind behandelt worden, was um so auffälliger erscheint, als der Staat in der Bevölkerung der langgestreckten Küstengebiete ein vorzügliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/501>, abgerufen am 26.06.2024.