Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Während gegen 50 000 Kilometer Telegraphenleitungen, darunter 14 569 in
Ungarn, der raschen Befchlsvermittlnng dienstbar gemacht werden können. Eine
große Verkchrserleichternng schaffen namentlich in der östlichen Hälfte des Reichs
die zahlreichen natürlichen Wasserwege, deren bedeutendster die Donau ist.
Man schätzt die Länge sämmtlicher Wasserstraßen auf 7000 Kilometer, von denen
4000 ans Ungarn fallen. An dispvnibeln Verkehrsmitteln hat allein die Dvnau-
dampfschifffahrtsgcscllschaft 200 Dampfer und mehr als 600 Schleppschiffe.

Die natürliche Verteidigungsfähigkeit des Landes ist nicht immer in dem
wünschenswerten Maße durch Anlage künstlicher Bollwerke, durch Festungen
und Forts, verstärkt worden, und diese Sparsamkeit an unrechter Stelle ist Wohl
weniger auf eine mangelhafte Erkenntnis des vorliegenden Bedürfnisses, als viel¬
mehr auf die Rücksicht gegen die wenig glänzende Finanzlage des Staates zu¬
rückzuführen. Seit dem Verluste des italienischen sogenannten Festungsvicrecks
und dem Austritt des Kaiserstaates aus dem Deutschen Bundesverbände er¬
scheinen seine Grenzen noch in erheblich geringeren! Grade geschützt als früher,
und dieser Umstand fällt umsomehr ins Gewicht, als die zentrale Lage eventuell
ein Frontmachen nach allen Seiten erfordert. Nicht allein die Zahl der Festungen
erscheint zu gering, sondern die vorhandenen genügen anch nicht mehr den mo¬
dernen Anforderungen in Bezug auf den nötigen Schutz gegen die weittragenden
Geschütze mit ihrer gesteigerten Durchschlagswirkung und den erforderlichen
Raum zur Unterbringung größerer Truppenmcngen.

Unter den Grcnzfcstnngen gegen das Deutsche Reich sperrt zunächst das in
Nordtirol gelegene Kufstein, oder vielmehr die in unmittelbarer Nähe in den
Felsen gehauene und durch einen einzigen beschwerlichen Zugang erreichbare Feste
Jvsefsbnrg, das Jnnthal und die Bahn Rosenheim-Innsbruck. Das unbe¬
deutende Thcresieustadt in Böhmen besitzt einen Brückenkopf am linken Ufer
der Eger, Königgrätz ist seit 1875 offen gelassen. Josefstadt, ein kleines bastiv-
nirtes Achteck, an der Elbe gelegen, da, wo Meta und Auga in dieselbe ein¬
münden, beherrscht wohl den Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen, ohne jedoch
für große strategische Operationen einen besondern Wert zu haben, wie es denn
1866 auch nur beobachtet worden ist. Linz ist umsomehr eine offene Stadt,
als die alten sogenannten Maximilianstürmc gegenwärtig keinen militärischen
Wert mehr haben. Nur Olmütz bildet eine starke Festung. Auf einer March-
insel erbaut, beherrscht und deckt die Stadt mit den Kreuznugspnnkten mehrerer
hier ans Schlesien, Böhmen und Mähren zusammenlaufenden Eisenbahnen und
Straßen zugleich die natürlichen Zugänge aus Polen und Schlesien ins Innere
der Monarchie und bildet einen nicht zu unterschätzenden Ausfallspuukt gegen
die linke Flanke einer durch Böhmen ans Wien marschirenden Armee. Die
ursprüngliche bastivuirte Eneeinte ist in neuerer Zeit mit einem Gürtel von
detaschirteu Forts versehen worden und erfüllt damit auch die Anforderungen
eines befestigten Lagers.


Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Während gegen 50 000 Kilometer Telegraphenleitungen, darunter 14 569 in
Ungarn, der raschen Befchlsvermittlnng dienstbar gemacht werden können. Eine
große Verkchrserleichternng schaffen namentlich in der östlichen Hälfte des Reichs
die zahlreichen natürlichen Wasserwege, deren bedeutendster die Donau ist.
Man schätzt die Länge sämmtlicher Wasserstraßen auf 7000 Kilometer, von denen
4000 ans Ungarn fallen. An dispvnibeln Verkehrsmitteln hat allein die Dvnau-
dampfschifffahrtsgcscllschaft 200 Dampfer und mehr als 600 Schleppschiffe.

Die natürliche Verteidigungsfähigkeit des Landes ist nicht immer in dem
wünschenswerten Maße durch Anlage künstlicher Bollwerke, durch Festungen
und Forts, verstärkt worden, und diese Sparsamkeit an unrechter Stelle ist Wohl
weniger auf eine mangelhafte Erkenntnis des vorliegenden Bedürfnisses, als viel¬
mehr auf die Rücksicht gegen die wenig glänzende Finanzlage des Staates zu¬
rückzuführen. Seit dem Verluste des italienischen sogenannten Festungsvicrecks
und dem Austritt des Kaiserstaates aus dem Deutschen Bundesverbände er¬
scheinen seine Grenzen noch in erheblich geringeren! Grade geschützt als früher,
und dieser Umstand fällt umsomehr ins Gewicht, als die zentrale Lage eventuell
ein Frontmachen nach allen Seiten erfordert. Nicht allein die Zahl der Festungen
erscheint zu gering, sondern die vorhandenen genügen anch nicht mehr den mo¬
dernen Anforderungen in Bezug auf den nötigen Schutz gegen die weittragenden
Geschütze mit ihrer gesteigerten Durchschlagswirkung und den erforderlichen
Raum zur Unterbringung größerer Truppenmcngen.

Unter den Grcnzfcstnngen gegen das Deutsche Reich sperrt zunächst das in
Nordtirol gelegene Kufstein, oder vielmehr die in unmittelbarer Nähe in den
Felsen gehauene und durch einen einzigen beschwerlichen Zugang erreichbare Feste
Jvsefsbnrg, das Jnnthal und die Bahn Rosenheim-Innsbruck. Das unbe¬
deutende Thcresieustadt in Böhmen besitzt einen Brückenkopf am linken Ufer
der Eger, Königgrätz ist seit 1875 offen gelassen. Josefstadt, ein kleines bastiv-
nirtes Achteck, an der Elbe gelegen, da, wo Meta und Auga in dieselbe ein¬
münden, beherrscht wohl den Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen, ohne jedoch
für große strategische Operationen einen besondern Wert zu haben, wie es denn
1866 auch nur beobachtet worden ist. Linz ist umsomehr eine offene Stadt,
als die alten sogenannten Maximilianstürmc gegenwärtig keinen militärischen
Wert mehr haben. Nur Olmütz bildet eine starke Festung. Auf einer March-
insel erbaut, beherrscht und deckt die Stadt mit den Kreuznugspnnkten mehrerer
hier ans Schlesien, Böhmen und Mähren zusammenlaufenden Eisenbahnen und
Straßen zugleich die natürlichen Zugänge aus Polen und Schlesien ins Innere
der Monarchie und bildet einen nicht zu unterschätzenden Ausfallspuukt gegen
die linke Flanke einer durch Böhmen ans Wien marschirenden Armee. Die
ursprüngliche bastivuirte Eneeinte ist in neuerer Zeit mit einem Gürtel von
detaschirteu Forts versehen worden und erfüllt damit auch die Anforderungen
eines befestigten Lagers.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86620"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2056" prev="#ID_2055"> Während gegen 50 000 Kilometer Telegraphenleitungen, darunter 14 569 in<lb/>
Ungarn, der raschen Befchlsvermittlnng dienstbar gemacht werden können. Eine<lb/>
große Verkchrserleichternng schaffen namentlich in der östlichen Hälfte des Reichs<lb/>
die zahlreichen natürlichen Wasserwege, deren bedeutendster die Donau ist.<lb/>
Man schätzt die Länge sämmtlicher Wasserstraßen auf 7000 Kilometer, von denen<lb/>
4000 ans Ungarn fallen. An dispvnibeln Verkehrsmitteln hat allein die Dvnau-<lb/>
dampfschifffahrtsgcscllschaft 200 Dampfer und mehr als 600 Schleppschiffe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2057"> Die natürliche Verteidigungsfähigkeit des Landes ist nicht immer in dem<lb/>
wünschenswerten Maße durch Anlage künstlicher Bollwerke, durch Festungen<lb/>
und Forts, verstärkt worden, und diese Sparsamkeit an unrechter Stelle ist Wohl<lb/>
weniger auf eine mangelhafte Erkenntnis des vorliegenden Bedürfnisses, als viel¬<lb/>
mehr auf die Rücksicht gegen die wenig glänzende Finanzlage des Staates zu¬<lb/>
rückzuführen. Seit dem Verluste des italienischen sogenannten Festungsvicrecks<lb/>
und dem Austritt des Kaiserstaates aus dem Deutschen Bundesverbände er¬<lb/>
scheinen seine Grenzen noch in erheblich geringeren! Grade geschützt als früher,<lb/>
und dieser Umstand fällt umsomehr ins Gewicht, als die zentrale Lage eventuell<lb/>
ein Frontmachen nach allen Seiten erfordert. Nicht allein die Zahl der Festungen<lb/>
erscheint zu gering, sondern die vorhandenen genügen anch nicht mehr den mo¬<lb/>
dernen Anforderungen in Bezug auf den nötigen Schutz gegen die weittragenden<lb/>
Geschütze mit ihrer gesteigerten Durchschlagswirkung und den erforderlichen<lb/>
Raum zur Unterbringung größerer Truppenmcngen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2058"> Unter den Grcnzfcstnngen gegen das Deutsche Reich sperrt zunächst das in<lb/>
Nordtirol gelegene Kufstein, oder vielmehr die in unmittelbarer Nähe in den<lb/>
Felsen gehauene und durch einen einzigen beschwerlichen Zugang erreichbare Feste<lb/>
Jvsefsbnrg, das Jnnthal und die Bahn Rosenheim-Innsbruck. Das unbe¬<lb/>
deutende Thcresieustadt in Böhmen besitzt einen Brückenkopf am linken Ufer<lb/>
der Eger, Königgrätz ist seit 1875 offen gelassen. Josefstadt, ein kleines bastiv-<lb/>
nirtes Achteck, an der Elbe gelegen, da, wo Meta und Auga in dieselbe ein¬<lb/>
münden, beherrscht wohl den Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen, ohne jedoch<lb/>
für große strategische Operationen einen besondern Wert zu haben, wie es denn<lb/>
1866 auch nur beobachtet worden ist. Linz ist umsomehr eine offene Stadt,<lb/>
als die alten sogenannten Maximilianstürmc gegenwärtig keinen militärischen<lb/>
Wert mehr haben. Nur Olmütz bildet eine starke Festung. Auf einer March-<lb/>
insel erbaut, beherrscht und deckt die Stadt mit den Kreuznugspnnkten mehrerer<lb/>
hier ans Schlesien, Böhmen und Mähren zusammenlaufenden Eisenbahnen und<lb/>
Straßen zugleich die natürlichen Zugänge aus Polen und Schlesien ins Innere<lb/>
der Monarchie und bildet einen nicht zu unterschätzenden Ausfallspuukt gegen<lb/>
die linke Flanke einer durch Böhmen ans Wien marschirenden Armee. Die<lb/>
ursprüngliche bastivuirte Eneeinte ist in neuerer Zeit mit einem Gürtel von<lb/>
detaschirteu Forts versehen worden und erfüllt damit auch die Anforderungen<lb/>
eines befestigten Lagers.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie. Während gegen 50 000 Kilometer Telegraphenleitungen, darunter 14 569 in Ungarn, der raschen Befchlsvermittlnng dienstbar gemacht werden können. Eine große Verkchrserleichternng schaffen namentlich in der östlichen Hälfte des Reichs die zahlreichen natürlichen Wasserwege, deren bedeutendster die Donau ist. Man schätzt die Länge sämmtlicher Wasserstraßen auf 7000 Kilometer, von denen 4000 ans Ungarn fallen. An dispvnibeln Verkehrsmitteln hat allein die Dvnau- dampfschifffahrtsgcscllschaft 200 Dampfer und mehr als 600 Schleppschiffe. Die natürliche Verteidigungsfähigkeit des Landes ist nicht immer in dem wünschenswerten Maße durch Anlage künstlicher Bollwerke, durch Festungen und Forts, verstärkt worden, und diese Sparsamkeit an unrechter Stelle ist Wohl weniger auf eine mangelhafte Erkenntnis des vorliegenden Bedürfnisses, als viel¬ mehr auf die Rücksicht gegen die wenig glänzende Finanzlage des Staates zu¬ rückzuführen. Seit dem Verluste des italienischen sogenannten Festungsvicrecks und dem Austritt des Kaiserstaates aus dem Deutschen Bundesverbände er¬ scheinen seine Grenzen noch in erheblich geringeren! Grade geschützt als früher, und dieser Umstand fällt umsomehr ins Gewicht, als die zentrale Lage eventuell ein Frontmachen nach allen Seiten erfordert. Nicht allein die Zahl der Festungen erscheint zu gering, sondern die vorhandenen genügen anch nicht mehr den mo¬ dernen Anforderungen in Bezug auf den nötigen Schutz gegen die weittragenden Geschütze mit ihrer gesteigerten Durchschlagswirkung und den erforderlichen Raum zur Unterbringung größerer Truppenmcngen. Unter den Grcnzfcstnngen gegen das Deutsche Reich sperrt zunächst das in Nordtirol gelegene Kufstein, oder vielmehr die in unmittelbarer Nähe in den Felsen gehauene und durch einen einzigen beschwerlichen Zugang erreichbare Feste Jvsefsbnrg, das Jnnthal und die Bahn Rosenheim-Innsbruck. Das unbe¬ deutende Thcresieustadt in Böhmen besitzt einen Brückenkopf am linken Ufer der Eger, Königgrätz ist seit 1875 offen gelassen. Josefstadt, ein kleines bastiv- nirtes Achteck, an der Elbe gelegen, da, wo Meta und Auga in dieselbe ein¬ münden, beherrscht wohl den Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen, ohne jedoch für große strategische Operationen einen besondern Wert zu haben, wie es denn 1866 auch nur beobachtet worden ist. Linz ist umsomehr eine offene Stadt, als die alten sogenannten Maximilianstürmc gegenwärtig keinen militärischen Wert mehr haben. Nur Olmütz bildet eine starke Festung. Auf einer March- insel erbaut, beherrscht und deckt die Stadt mit den Kreuznugspnnkten mehrerer hier ans Schlesien, Böhmen und Mähren zusammenlaufenden Eisenbahnen und Straßen zugleich die natürlichen Zugänge aus Polen und Schlesien ins Innere der Monarchie und bildet einen nicht zu unterschätzenden Ausfallspuukt gegen die linke Flanke einer durch Böhmen ans Wien marschirenden Armee. Die ursprüngliche bastivuirte Eneeinte ist in neuerer Zeit mit einem Gürtel von detaschirteu Forts versehen worden und erfüllt damit auch die Anforderungen eines befestigten Lagers.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/499
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/499>, abgerufen am 26.06.2024.