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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Gladstone mit dio parlanieüKnischi! R^efivihcit,

gründlich vor sich gehen, wenn ungeduldige Majoritäten erst dnrch lärmende
Änndgebnngen, dann durch Abstimmung die Majoritäten miterdrücken nud ihnen
das altherkönimliche Recht entziehen können, vom Saale der Volksvertretung
aus an die öffentliche Meinung zu appelliren?

Gladstone hat seine Geschäftsordnung mit dem hier besprochenen ominösen
ersten Paragraphen bis hente (Sonntag) noch nicht eingebracht und verteidigt.
Er hat also seit dem ersten Bekanntwerden derselben Zeit gehabt, sich die Sache
zwei- und dreimal zu überlegen, und vielleicht hat er das gethan und dabei ge¬
sunden, das- er einen gefährlichen Weg betreten hat, Ist ihm das uicht ge¬
lungen, und bleibt er dabei, das; die Einführung der französischen (Mturu in
England ein Segen sei, so wird er zu erklären haben, warum es besser sei, sie
mit einer einzigen Stimme über die Hälfte der Stimmenzahl, statt mit einer
Majorität von zwei Dritteln oder drei Vierteln derselben verhängen zu lassen.

Der Debatteuschluß mit einfacher Majorität -- sagen wir 201 In gegen
200 Nein -- ist's, was Gladstone vorschlägt, und was, nach der Londoner
Presse zu urteilen, die öffentliche Meinung in England fürchtet und verwirft.
Möglich ist, daß seine Partei sich noch einmal seinem Einflüsse sügt und er bei
der Abstimmung seinen Willen durchsetzt, möglich aber auch, das; ein Teil der
Liberalen ihm in dieser Frage den Gehorsam versagt. Die liberale Seite des
Hauses befindet sich vor derselben in einer heikligen Lage. Was Gladstone, ihr
Führer, erstrebt und bis jetzt hartnäckig festzuhalten scheint, geht gegen die Über¬
zeugung sehr vieler liberalen Parlamentsnutglieder und stößt, wie bemerkt, fast
in ganz England ans Abneigung und Widerspruch, Sagt man also zu dem
Vorschlage des Premierministers ja, so macht man sich im Lande unbeliebt und
hat keine Aussicht, wiedergewählt zu werde", notirt mau dagegen mit nein,
so stößt man Gladstone -- da derselbe die (Mors zur Kabinetöfrage zu macheu
beabsichtigen soll -- vom StnatSrnder und bringt die Konservativen an die Herr¬
schaft. Das Parteiinteresse also und zugleich das eigne Interesse, da viele der
Herren überhaupt kaum Aussichten auf eine Wiederwahl haben, weisen die li¬
beralen Abgeordneten auf Zustimmung zu den Vorschlägen ihres Führers hin.
Dagegen wird die Überzeugung, daß die Vorlage der Redefreiheit deS Unter-
Hanfes ein Ende macht, nud daß sie mit ihrer Unterdrückung der Minoritäten
ein zweischneidiges Schwert ist, welches sich auch gegen die wenden kann, die es
geschmiedet, bei den meisten liberalen Parlamentslenten nicht allzu schwer ins
Gewicht fallen. Man weiß, was es mit der Gesinnungstüchtigkeit dieser Gent¬
lemen ans sich hat, wie man eS von andern Liberale!! weiß. Aber immerhin
ist es nicht unwahrscheinlich, daß eine Anzahl von Angehörigen der Gladstone-
schen Partei, wenn sie auch nicht mit den Konservativen stimmen, die hier das
liberale Prinzip vertreten, sich wenigstens der Abstimmung enthalten wird, um
sich nicht als Förderer eines so verhaßten Gesetzes um ihren Kredit bei den
Wählerschaften zu bringen.


Gladstone mit dio parlanieüKnischi! R^efivihcit,

gründlich vor sich gehen, wenn ungeduldige Majoritäten erst dnrch lärmende
Änndgebnngen, dann durch Abstimmung die Majoritäten miterdrücken nud ihnen
das altherkönimliche Recht entziehen können, vom Saale der Volksvertretung
aus an die öffentliche Meinung zu appelliren?

Gladstone hat seine Geschäftsordnung mit dem hier besprochenen ominösen
ersten Paragraphen bis hente (Sonntag) noch nicht eingebracht und verteidigt.
Er hat also seit dem ersten Bekanntwerden derselben Zeit gehabt, sich die Sache
zwei- und dreimal zu überlegen, und vielleicht hat er das gethan und dabei ge¬
sunden, das- er einen gefährlichen Weg betreten hat, Ist ihm das uicht ge¬
lungen, und bleibt er dabei, das; die Einführung der französischen (Mturu in
England ein Segen sei, so wird er zu erklären haben, warum es besser sei, sie
mit einer einzigen Stimme über die Hälfte der Stimmenzahl, statt mit einer
Majorität von zwei Dritteln oder drei Vierteln derselben verhängen zu lassen.

Der Debatteuschluß mit einfacher Majorität — sagen wir 201 In gegen
200 Nein — ist's, was Gladstone vorschlägt, und was, nach der Londoner
Presse zu urteilen, die öffentliche Meinung in England fürchtet und verwirft.
Möglich ist, daß seine Partei sich noch einmal seinem Einflüsse sügt und er bei
der Abstimmung seinen Willen durchsetzt, möglich aber auch, das; ein Teil der
Liberalen ihm in dieser Frage den Gehorsam versagt. Die liberale Seite des
Hauses befindet sich vor derselben in einer heikligen Lage. Was Gladstone, ihr
Führer, erstrebt und bis jetzt hartnäckig festzuhalten scheint, geht gegen die Über¬
zeugung sehr vieler liberalen Parlamentsnutglieder und stößt, wie bemerkt, fast
in ganz England ans Abneigung und Widerspruch, Sagt man also zu dem
Vorschlage des Premierministers ja, so macht man sich im Lande unbeliebt und
hat keine Aussicht, wiedergewählt zu werde», notirt mau dagegen mit nein,
so stößt man Gladstone — da derselbe die (Mors zur Kabinetöfrage zu macheu
beabsichtigen soll — vom StnatSrnder und bringt die Konservativen an die Herr¬
schaft. Das Parteiinteresse also und zugleich das eigne Interesse, da viele der
Herren überhaupt kaum Aussichten auf eine Wiederwahl haben, weisen die li¬
beralen Abgeordneten auf Zustimmung zu den Vorschlägen ihres Führers hin.
Dagegen wird die Überzeugung, daß die Vorlage der Redefreiheit deS Unter-
Hanfes ein Ende macht, nud daß sie mit ihrer Unterdrückung der Minoritäten
ein zweischneidiges Schwert ist, welches sich auch gegen die wenden kann, die es
geschmiedet, bei den meisten liberalen Parlamentslenten nicht allzu schwer ins
Gewicht fallen. Man weiß, was es mit der Gesinnungstüchtigkeit dieser Gent¬
lemen ans sich hat, wie man eS von andern Liberale!! weiß. Aber immerhin
ist es nicht unwahrscheinlich, daß eine Anzahl von Angehörigen der Gladstone-
schen Partei, wenn sie auch nicht mit den Konservativen stimmen, die hier das
liberale Prinzip vertreten, sich wenigstens der Abstimmung enthalten wird, um
sich nicht als Förderer eines so verhaßten Gesetzes um ihren Kredit bei den
Wählerschaften zu bringen.


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[0494] Gladstone mit dio parlanieüKnischi! R^efivihcit, gründlich vor sich gehen, wenn ungeduldige Majoritäten erst dnrch lärmende Änndgebnngen, dann durch Abstimmung die Majoritäten miterdrücken nud ihnen das altherkönimliche Recht entziehen können, vom Saale der Volksvertretung aus an die öffentliche Meinung zu appelliren? Gladstone hat seine Geschäftsordnung mit dem hier besprochenen ominösen ersten Paragraphen bis hente (Sonntag) noch nicht eingebracht und verteidigt. Er hat also seit dem ersten Bekanntwerden derselben Zeit gehabt, sich die Sache zwei- und dreimal zu überlegen, und vielleicht hat er das gethan und dabei ge¬ sunden, das- er einen gefährlichen Weg betreten hat, Ist ihm das uicht ge¬ lungen, und bleibt er dabei, das; die Einführung der französischen (Mturu in England ein Segen sei, so wird er zu erklären haben, warum es besser sei, sie mit einer einzigen Stimme über die Hälfte der Stimmenzahl, statt mit einer Majorität von zwei Dritteln oder drei Vierteln derselben verhängen zu lassen. Der Debatteuschluß mit einfacher Majorität — sagen wir 201 In gegen 200 Nein — ist's, was Gladstone vorschlägt, und was, nach der Londoner Presse zu urteilen, die öffentliche Meinung in England fürchtet und verwirft. Möglich ist, daß seine Partei sich noch einmal seinem Einflüsse sügt und er bei der Abstimmung seinen Willen durchsetzt, möglich aber auch, das; ein Teil der Liberalen ihm in dieser Frage den Gehorsam versagt. Die liberale Seite des Hauses befindet sich vor derselben in einer heikligen Lage. Was Gladstone, ihr Führer, erstrebt und bis jetzt hartnäckig festzuhalten scheint, geht gegen die Über¬ zeugung sehr vieler liberalen Parlamentsnutglieder und stößt, wie bemerkt, fast in ganz England ans Abneigung und Widerspruch, Sagt man also zu dem Vorschlage des Premierministers ja, so macht man sich im Lande unbeliebt und hat keine Aussicht, wiedergewählt zu werde», notirt mau dagegen mit nein, so stößt man Gladstone — da derselbe die (Mors zur Kabinetöfrage zu macheu beabsichtigen soll — vom StnatSrnder und bringt die Konservativen an die Herr¬ schaft. Das Parteiinteresse also und zugleich das eigne Interesse, da viele der Herren überhaupt kaum Aussichten auf eine Wiederwahl haben, weisen die li¬ beralen Abgeordneten auf Zustimmung zu den Vorschlägen ihres Führers hin. Dagegen wird die Überzeugung, daß die Vorlage der Redefreiheit deS Unter- Hanfes ein Ende macht, nud daß sie mit ihrer Unterdrückung der Minoritäten ein zweischneidiges Schwert ist, welches sich auch gegen die wenden kann, die es geschmiedet, bei den meisten liberalen Parlamentslenten nicht allzu schwer ins Gewicht fallen. Man weiß, was es mit der Gesinnungstüchtigkeit dieser Gent¬ lemen ans sich hat, wie man eS von andern Liberale!! weiß. Aber immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, daß eine Anzahl von Angehörigen der Gladstone- schen Partei, wenn sie auch nicht mit den Konservativen stimmen, die hier das liberale Prinzip vertreten, sich wenigstens der Abstimmung enthalten wird, um sich nicht als Förderer eines so verhaßten Gesetzes um ihren Kredit bei den Wählerschaften zu bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/494>, abgerufen am 26.06.2024.