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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Ballade" "ud Thyrsosträger.

wie Said-Medjit erzählte, auf eine unbegreifliche und nur durch die Kraft des
Amulcts erklärliche Weise entkommen.

Als der junge Freiherr so weit in seinem Berichte vorgeschritten war, ward
er durch das Eintreten eines stattlichen galonirten Bedienten unterbrochen, welcher
Seine Excellenz deu Fürsten Tschitschaschcw, russischen Botschafter, anmeldete.

Der Banquier erhob sich und ging dem Fürsten entgegen. Er hatte einen
etwas watschelnden Gang, denn er litt an der Gicht und hatte zudem das Be¬
wußtsein, ein Mann wie er könne das Gewicht seines Körpers fallen lassen,
wohin er wollte. Die Flügelthüren des Saales, welcher an das Arbeitszimmer
stieß, wurden aufgerissen, und in der Mitte dieses von Gold schimmernden Ge¬
maches begegneten sich der behaglich schmnnzclndc semit und der geschmeidige
Tartar in zärtlicher Umarmung.

Der russische Botschafter war ein kleiner Mann mit dem Gesicht einer ur¬
alten Fran. Es war von unzähligen kleinen Falten durchkreuzt und von einer
bläulichen Blässe, ganz bartlos und auch ohne Lippen, mit eingefallene" Wangen.
Doch glänzten darin ein Paar schwarzer, sammtgleicher Angen von unglaublicher
Größe und fremdartig anmutender Klugheit, die so sehr bemerklich waren, daß
man nicht ganz ohne Grund hätte behaupten können, sein Gesicht sei nur Auge.
Er war im Frack und trug auf seiner Brust eine ovale Dekoration von beinahe
einem halben Fuß Höhe, das Porträt des Zaren in einer Einfassung von Diamanten.

Mit einer Vertraulichkeit, die den Angen des Fürsten einen Blitz ärgerlichen
Widerwillens entlockte, patschte der Bankier ihm ans den Rücken, faßte ihn nnter
den Arm, führte ihn nnter schmeichelnder Rede in das Arbeitszimmer und drückte
ihn auf einen Sitz, der Ansicht vom goldenen Horn gegenüber. Alsdann stellte
der Fürst einen Herrn vor, der ihm stillschweigend gefolgt war, einen schönen
schlanken Mann, Kollegien-Assessor und Kammerjunker Fürst Amuritinski, und
nahm aus dessen Händen ein Kästchen von rotem Leder.

Mein lieber Baron, sagte er, das Etui öffnend, Seine Majestät der Kaiser
haben mir den angenehmen Auftrag gegeben, Ihnen dieses Band lind diesen
Stern zu überbringen, zugleich mit Allerhöchstdessen aufrichtigem Glückwunsch.

Unter diesen Worten hing er dem sich unaufhörlich verbeugenden Greise ein
feuerrotes, eine Hand breites, gewässertes Band über die Schulter und heftete
ihm einen Stern von der Größe eines kleinen Desserttellers auf die Brust.
Dann schüttelten sich die beiden alten häßlichen Männchen herzlich die Hand
und sahen einander mit schlauen Blicken an, beide in gleicher Weise welterfcchren
und klug, schön dekorirt und bestrebt, einander zu überlisten. Der Fürst Amu¬
ritinski und der junge Freiherr nahmen stehend und stumm Teil an der Zu¬
sammenkunft.

Der Botschafter nahm zuerst wieder das Wort und begann nach einigen
höflichen Wendungen, die sich auf die Bedeutung des Tages bezogen, über die
russischen Finanzen zu sprechen, deren Zustand er als höchst blühend darstellte.


Ballade» »ud Thyrsosträger.

wie Said-Medjit erzählte, auf eine unbegreifliche und nur durch die Kraft des
Amulcts erklärliche Weise entkommen.

Als der junge Freiherr so weit in seinem Berichte vorgeschritten war, ward
er durch das Eintreten eines stattlichen galonirten Bedienten unterbrochen, welcher
Seine Excellenz deu Fürsten Tschitschaschcw, russischen Botschafter, anmeldete.

Der Banquier erhob sich und ging dem Fürsten entgegen. Er hatte einen
etwas watschelnden Gang, denn er litt an der Gicht und hatte zudem das Be¬
wußtsein, ein Mann wie er könne das Gewicht seines Körpers fallen lassen,
wohin er wollte. Die Flügelthüren des Saales, welcher an das Arbeitszimmer
stieß, wurden aufgerissen, und in der Mitte dieses von Gold schimmernden Ge¬
maches begegneten sich der behaglich schmnnzclndc semit und der geschmeidige
Tartar in zärtlicher Umarmung.

Der russische Botschafter war ein kleiner Mann mit dem Gesicht einer ur¬
alten Fran. Es war von unzähligen kleinen Falten durchkreuzt und von einer
bläulichen Blässe, ganz bartlos und auch ohne Lippen, mit eingefallene» Wangen.
Doch glänzten darin ein Paar schwarzer, sammtgleicher Angen von unglaublicher
Größe und fremdartig anmutender Klugheit, die so sehr bemerklich waren, daß
man nicht ganz ohne Grund hätte behaupten können, sein Gesicht sei nur Auge.
Er war im Frack und trug auf seiner Brust eine ovale Dekoration von beinahe
einem halben Fuß Höhe, das Porträt des Zaren in einer Einfassung von Diamanten.

Mit einer Vertraulichkeit, die den Angen des Fürsten einen Blitz ärgerlichen
Widerwillens entlockte, patschte der Bankier ihm ans den Rücken, faßte ihn nnter
den Arm, führte ihn nnter schmeichelnder Rede in das Arbeitszimmer und drückte
ihn auf einen Sitz, der Ansicht vom goldenen Horn gegenüber. Alsdann stellte
der Fürst einen Herrn vor, der ihm stillschweigend gefolgt war, einen schönen
schlanken Mann, Kollegien-Assessor und Kammerjunker Fürst Amuritinski, und
nahm aus dessen Händen ein Kästchen von rotem Leder.

Mein lieber Baron, sagte er, das Etui öffnend, Seine Majestät der Kaiser
haben mir den angenehmen Auftrag gegeben, Ihnen dieses Band lind diesen
Stern zu überbringen, zugleich mit Allerhöchstdessen aufrichtigem Glückwunsch.

Unter diesen Worten hing er dem sich unaufhörlich verbeugenden Greise ein
feuerrotes, eine Hand breites, gewässertes Band über die Schulter und heftete
ihm einen Stern von der Größe eines kleinen Desserttellers auf die Brust.
Dann schüttelten sich die beiden alten häßlichen Männchen herzlich die Hand
und sahen einander mit schlauen Blicken an, beide in gleicher Weise welterfcchren
und klug, schön dekorirt und bestrebt, einander zu überlisten. Der Fürst Amu¬
ritinski und der junge Freiherr nahmen stehend und stumm Teil an der Zu¬
sammenkunft.

Der Botschafter nahm zuerst wieder das Wort und begann nach einigen
höflichen Wendungen, die sich auf die Bedeutung des Tages bezogen, über die
russischen Finanzen zu sprechen, deren Zustand er als höchst blühend darstellte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/485>, abgerufen am 26.06.2024.