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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträgcr.

sei nach Cuba verkauft worden, ihm den Auftrag gegeben, sie dort zu suchen.
Er hatte sich nun auf ein spanisches Schiff begeben, welches fünfhundert Schwarze
von der afrikanischen Küste nach Cuba hatte führen sollen, und ein Gefolge von
dreißig Leuten mitgenommen, deren größten Teil er als Lösegeld für seine Schwester
zu geben gedachte. Auf der Rhede von Havana war ein Agent auf das Schiff
gekommen, um sich die Sklaven zu betrachten und deren Verkauf an die Plantagen¬
besitzer zu vermitteln. Derselbe war mit dem Prinzen Said-Medjit in Verbindung
getreten und hatte ihn veranlaßt, sammt seinem Gefolge ans Land zu gehen und
bei ihm Wohnung zu nehmen, bis die Prinzessin gefunden wäre, welche nach
Aussage des Agenten irgendwo auf der Insel sein mußte. Aber sobald der Araber
mit seinen Leuten innerhalb der von hohen Mauern umgebenen Hacienda des
Agenten angelangt war, hatte dieser durch List und Gewalt sie alle fesseln lassen
und ihrer Waffen und Schmucksachen beraubt, auch mit den Buchstaben zeichnen
lassen, welche seine eigenen Sklaven kenntlich machten, B und L, den Anfangs¬
buchstaben des Namens Benjamin Lovcndal,

Als der junge Freiherr so weit in seiner Erzählung gekommen war, schwieg
er in tiefer Bewegung, und der alte Mann stöhnte tief vor Kummer über die
Schandthat seines Bruders.

Der Prinz Said-Medjit, so ging die Erzählung dann weiter, trug auf
der Haut unter der Kleidung eine Kette von Korallen und Gold als Amulet.
Als er nun an das Kohlenbecken geführt wurde, worin die eisernen Stempel
glühten, und als man ihm sein seidenes Gewand abzog, da sah die Tochter
Benjamin Lovcndals, ein Kind von zehn Jahren, die Kette und sprang hinzu,
um sie ihn: wegzunehmen. In diesem Augenblicke riß der Araber sich los und
stieß mit einem Dolche, den er verborgen gehalten, einen der Sklavenaufsehcr
nieder. Aber er ward überwältigt, der Kette beraubt, gebunden und gepeitscht.
Und darauf hatte das zehnjährige Mädchen mit eigenen Händen das glühende
Eisen auf die Brust des Prinzen gedrückt. Dieses Mädchen, behauptete Sald-
Medjid, sei die Sängerin Chcpa de Molini. Er sei durch die Kette aufmerksam
gemacht worden, welche den Hals der Sängerin beim Souper des Allianzklnbs
schmückte, und er habe das Gesicht des Mädchens wieder erkannt, welches ihn
gebrandmarkt habe.

Die fernere Erzählung bestätigte und erklärte dann diejenigen Thatsachen,
welche Lovcndals hinsichtlich des Schicksals der Verwandten auf Cuba bereits
kannten. Sie hatten vor einer Reihe von Jahren die Nachricht erhalten, Benjamin
sei mit seiner ganzen Familie als das Opfer eines Sklavenanfstandes gefallen.
Jetzt ward offenbar, daß der an dem arabischen Prinzen begangene Verrat hierzu
die Veranlassung gegeben hatte. Der Araber hatte, um sich zu befreien und
zu rächen, eine Emeute angestiftet, bei der die Besitzung des Agenten in Flammen
aufgegangen, dieser selbst mit seiner Frau und seinen Kindern unter den Messern
der Schwarzen umgekommen war. Nur das böse Kind mit dem Halsband war,


Bakchen und Thyrsosträgcr.

sei nach Cuba verkauft worden, ihm den Auftrag gegeben, sie dort zu suchen.
Er hatte sich nun auf ein spanisches Schiff begeben, welches fünfhundert Schwarze
von der afrikanischen Küste nach Cuba hatte führen sollen, und ein Gefolge von
dreißig Leuten mitgenommen, deren größten Teil er als Lösegeld für seine Schwester
zu geben gedachte. Auf der Rhede von Havana war ein Agent auf das Schiff
gekommen, um sich die Sklaven zu betrachten und deren Verkauf an die Plantagen¬
besitzer zu vermitteln. Derselbe war mit dem Prinzen Said-Medjit in Verbindung
getreten und hatte ihn veranlaßt, sammt seinem Gefolge ans Land zu gehen und
bei ihm Wohnung zu nehmen, bis die Prinzessin gefunden wäre, welche nach
Aussage des Agenten irgendwo auf der Insel sein mußte. Aber sobald der Araber
mit seinen Leuten innerhalb der von hohen Mauern umgebenen Hacienda des
Agenten angelangt war, hatte dieser durch List und Gewalt sie alle fesseln lassen
und ihrer Waffen und Schmucksachen beraubt, auch mit den Buchstaben zeichnen
lassen, welche seine eigenen Sklaven kenntlich machten, B und L, den Anfangs¬
buchstaben des Namens Benjamin Lovcndal,

Als der junge Freiherr so weit in seiner Erzählung gekommen war, schwieg
er in tiefer Bewegung, und der alte Mann stöhnte tief vor Kummer über die
Schandthat seines Bruders.

Der Prinz Said-Medjit, so ging die Erzählung dann weiter, trug auf
der Haut unter der Kleidung eine Kette von Korallen und Gold als Amulet.
Als er nun an das Kohlenbecken geführt wurde, worin die eisernen Stempel
glühten, und als man ihm sein seidenes Gewand abzog, da sah die Tochter
Benjamin Lovcndals, ein Kind von zehn Jahren, die Kette und sprang hinzu,
um sie ihn: wegzunehmen. In diesem Augenblicke riß der Araber sich los und
stieß mit einem Dolche, den er verborgen gehalten, einen der Sklavenaufsehcr
nieder. Aber er ward überwältigt, der Kette beraubt, gebunden und gepeitscht.
Und darauf hatte das zehnjährige Mädchen mit eigenen Händen das glühende
Eisen auf die Brust des Prinzen gedrückt. Dieses Mädchen, behauptete Sald-
Medjid, sei die Sängerin Chcpa de Molini. Er sei durch die Kette aufmerksam
gemacht worden, welche den Hals der Sängerin beim Souper des Allianzklnbs
schmückte, und er habe das Gesicht des Mädchens wieder erkannt, welches ihn
gebrandmarkt habe.

Die fernere Erzählung bestätigte und erklärte dann diejenigen Thatsachen,
welche Lovcndals hinsichtlich des Schicksals der Verwandten auf Cuba bereits
kannten. Sie hatten vor einer Reihe von Jahren die Nachricht erhalten, Benjamin
sei mit seiner ganzen Familie als das Opfer eines Sklavenanfstandes gefallen.
Jetzt ward offenbar, daß der an dem arabischen Prinzen begangene Verrat hierzu
die Veranlassung gegeben hatte. Der Araber hatte, um sich zu befreien und
zu rächen, eine Emeute angestiftet, bei der die Besitzung des Agenten in Flammen
aufgegangen, dieser selbst mit seiner Frau und seinen Kindern unter den Messern
der Schwarzen umgekommen war. Nur das böse Kind mit dem Halsband war,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/484>, abgerufen am 26.06.2024.