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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bcckchen und Thyrsosträger.

gelben: Marmor, und in der sechsten war ein breites Fenster. Es waren Ge¬
mälde großer Künstler, welche die Wände bedeckten, vier prachtvolle Ansichten
der schönsten Pnnkte der Erde. Das eine war eine Ansicht des Golfs von
Neapel, das zweite zeigte Stockholm, das dritte das Goldene Horn und das
vierte die Säulen des Memnon. Diese Bilder ersetzten dem alten Bankier, wie
er sagte, die Reisen nach den schönen Ländern, denn er liebte das Reisen nicht,
schon nicht ans der Eisenbahn, wo so leicht ein Unglück Passiren konnte, viel
weniger auf dem Wasser. Wenn von einer Seereise die Rede war, Pflegte der
Freiherr die Worte des Poreius Cato zu zitiren, daß es nur drei Dinge gäbe,
die er bereue, erstens wenn er jemals einem Weibe anvertraut habe, was er
hätte geheim halten wollen, zweitens, wenn er einen Tag müßig verbracht habe,
drittens, wenn er dahin zu Wasser gereist sei, wohin er zu Lande hätte kommen
können. Behaglich fühlte er sich übrigens auch in diesem Zimmer nicht und
überhaupt nicht in der Villa. Er war ein überaus fleißiger und geschäftiger
Manu, eine elegante Umgebung stimmte ihn ärgerlich, weil sie Müßiggang vor¬
aussetzte, und nur in seinem Comptoir, zwischen den beiden Sprachröhren, die
in die Geschäftsräume mündeten, und vor dem mit Papieren bedeckten Schreib¬
tisch fühlte er sich ganz wohl. Dort in d^em alten, finstern Gemach, wo auch
bei Tage im Hintergrunde stets Licht brannte, war seine eigentliche Heimat.
Da blitzten seine kleinen, klugen Augen von Energie und schlauer Berechnung,
da fühlte er in seinen Händen, wenn er Depeschen absandte und empfing und
Millionen über die halbe Erde rollen ließ, die volle Macht seiner Herrschaft.

Aber heute saß seine kleine runde Gestalt zwischen den Säulen des Memnon
und dem Vesuv in einem stilvoll für dies Gemach eigens gefertigten Lehnstuhl
von grünem Maroquin mit Golddruck, seine Füße ruhten auf einem stilvoll für
dies Gemach eigens gewebten Teppich, seine kleine runde Hand trommelte ans
dem stilvollen Ebenholztisch, und er unterhielt sich angelegentlich mit seinem
Sohne, der ihm überraschende Neuigkeiten mitteilte.

Amadeus gab ihm auf sein Verlangen den neuesten Bericht über den Prozeß
gegen den türkischen Dolmetscher, welcher der Sängerin Molini ihr Halsband
hatte entreißen wollen. Denn dieser Prozeß hatte ein besondres Interesse für
das Haus Lvvendal.

Die Nachforschungen, welche Amadeus, zuerst vou einem Instinkt getrieben,
dann von deutlichen Zeichen geführt, in der Angelegenheit des Halsbandes an¬
gestellt, hatten das Resultat ergeben, daß die Sängerin Mvlini eine geborne Lvvendal
sein müsse und zwar die Tochter des einzigen Bruders des alten Freiherrn. Der
türkische Dolmetscher war nach seiner Angabe ein Prinz vom arabischen Stamme
der Qniloas und hieß Sa'it-Medjit. In einem Kriege, den sein Vater, von
der arabischen Küste nach Zanzibar hinüberfahrend, gegen portugiesische Sklaven¬
händler geführt hatte, war seine Schwester gefangen genommen und nicht mehr
aufzufinden gewesen. Da hatte sein Vater auf ein Gerücht hin, die Prinzessin


Bcckchen und Thyrsosträger.

gelben: Marmor, und in der sechsten war ein breites Fenster. Es waren Ge¬
mälde großer Künstler, welche die Wände bedeckten, vier prachtvolle Ansichten
der schönsten Pnnkte der Erde. Das eine war eine Ansicht des Golfs von
Neapel, das zweite zeigte Stockholm, das dritte das Goldene Horn und das
vierte die Säulen des Memnon. Diese Bilder ersetzten dem alten Bankier, wie
er sagte, die Reisen nach den schönen Ländern, denn er liebte das Reisen nicht,
schon nicht ans der Eisenbahn, wo so leicht ein Unglück Passiren konnte, viel
weniger auf dem Wasser. Wenn von einer Seereise die Rede war, Pflegte der
Freiherr die Worte des Poreius Cato zu zitiren, daß es nur drei Dinge gäbe,
die er bereue, erstens wenn er jemals einem Weibe anvertraut habe, was er
hätte geheim halten wollen, zweitens, wenn er einen Tag müßig verbracht habe,
drittens, wenn er dahin zu Wasser gereist sei, wohin er zu Lande hätte kommen
können. Behaglich fühlte er sich übrigens auch in diesem Zimmer nicht und
überhaupt nicht in der Villa. Er war ein überaus fleißiger und geschäftiger
Manu, eine elegante Umgebung stimmte ihn ärgerlich, weil sie Müßiggang vor¬
aussetzte, und nur in seinem Comptoir, zwischen den beiden Sprachröhren, die
in die Geschäftsräume mündeten, und vor dem mit Papieren bedeckten Schreib¬
tisch fühlte er sich ganz wohl. Dort in d^em alten, finstern Gemach, wo auch
bei Tage im Hintergrunde stets Licht brannte, war seine eigentliche Heimat.
Da blitzten seine kleinen, klugen Augen von Energie und schlauer Berechnung,
da fühlte er in seinen Händen, wenn er Depeschen absandte und empfing und
Millionen über die halbe Erde rollen ließ, die volle Macht seiner Herrschaft.

Aber heute saß seine kleine runde Gestalt zwischen den Säulen des Memnon
und dem Vesuv in einem stilvoll für dies Gemach eigens gefertigten Lehnstuhl
von grünem Maroquin mit Golddruck, seine Füße ruhten auf einem stilvoll für
dies Gemach eigens gewebten Teppich, seine kleine runde Hand trommelte ans
dem stilvollen Ebenholztisch, und er unterhielt sich angelegentlich mit seinem
Sohne, der ihm überraschende Neuigkeiten mitteilte.

Amadeus gab ihm auf sein Verlangen den neuesten Bericht über den Prozeß
gegen den türkischen Dolmetscher, welcher der Sängerin Molini ihr Halsband
hatte entreißen wollen. Denn dieser Prozeß hatte ein besondres Interesse für
das Haus Lvvendal.

Die Nachforschungen, welche Amadeus, zuerst vou einem Instinkt getrieben,
dann von deutlichen Zeichen geführt, in der Angelegenheit des Halsbandes an¬
gestellt, hatten das Resultat ergeben, daß die Sängerin Mvlini eine geborne Lvvendal
sein müsse und zwar die Tochter des einzigen Bruders des alten Freiherrn. Der
türkische Dolmetscher war nach seiner Angabe ein Prinz vom arabischen Stamme
der Qniloas und hieß Sa'it-Medjit. In einem Kriege, den sein Vater, von
der arabischen Küste nach Zanzibar hinüberfahrend, gegen portugiesische Sklaven¬
händler geführt hatte, war seine Schwester gefangen genommen und nicht mehr
aufzufinden gewesen. Da hatte sein Vater auf ein Gerücht hin, die Prinzessin


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[0483] Bcckchen und Thyrsosträger. gelben: Marmor, und in der sechsten war ein breites Fenster. Es waren Ge¬ mälde großer Künstler, welche die Wände bedeckten, vier prachtvolle Ansichten der schönsten Pnnkte der Erde. Das eine war eine Ansicht des Golfs von Neapel, das zweite zeigte Stockholm, das dritte das Goldene Horn und das vierte die Säulen des Memnon. Diese Bilder ersetzten dem alten Bankier, wie er sagte, die Reisen nach den schönen Ländern, denn er liebte das Reisen nicht, schon nicht ans der Eisenbahn, wo so leicht ein Unglück Passiren konnte, viel weniger auf dem Wasser. Wenn von einer Seereise die Rede war, Pflegte der Freiherr die Worte des Poreius Cato zu zitiren, daß es nur drei Dinge gäbe, die er bereue, erstens wenn er jemals einem Weibe anvertraut habe, was er hätte geheim halten wollen, zweitens, wenn er einen Tag müßig verbracht habe, drittens, wenn er dahin zu Wasser gereist sei, wohin er zu Lande hätte kommen können. Behaglich fühlte er sich übrigens auch in diesem Zimmer nicht und überhaupt nicht in der Villa. Er war ein überaus fleißiger und geschäftiger Manu, eine elegante Umgebung stimmte ihn ärgerlich, weil sie Müßiggang vor¬ aussetzte, und nur in seinem Comptoir, zwischen den beiden Sprachröhren, die in die Geschäftsräume mündeten, und vor dem mit Papieren bedeckten Schreib¬ tisch fühlte er sich ganz wohl. Dort in d^em alten, finstern Gemach, wo auch bei Tage im Hintergrunde stets Licht brannte, war seine eigentliche Heimat. Da blitzten seine kleinen, klugen Augen von Energie und schlauer Berechnung, da fühlte er in seinen Händen, wenn er Depeschen absandte und empfing und Millionen über die halbe Erde rollen ließ, die volle Macht seiner Herrschaft. Aber heute saß seine kleine runde Gestalt zwischen den Säulen des Memnon und dem Vesuv in einem stilvoll für dies Gemach eigens gefertigten Lehnstuhl von grünem Maroquin mit Golddruck, seine Füße ruhten auf einem stilvoll für dies Gemach eigens gewebten Teppich, seine kleine runde Hand trommelte ans dem stilvollen Ebenholztisch, und er unterhielt sich angelegentlich mit seinem Sohne, der ihm überraschende Neuigkeiten mitteilte. Amadeus gab ihm auf sein Verlangen den neuesten Bericht über den Prozeß gegen den türkischen Dolmetscher, welcher der Sängerin Molini ihr Halsband hatte entreißen wollen. Denn dieser Prozeß hatte ein besondres Interesse für das Haus Lvvendal. Die Nachforschungen, welche Amadeus, zuerst vou einem Instinkt getrieben, dann von deutlichen Zeichen geführt, in der Angelegenheit des Halsbandes an¬ gestellt, hatten das Resultat ergeben, daß die Sängerin Mvlini eine geborne Lvvendal sein müsse und zwar die Tochter des einzigen Bruders des alten Freiherrn. Der türkische Dolmetscher war nach seiner Angabe ein Prinz vom arabischen Stamme der Qniloas und hieß Sa'it-Medjit. In einem Kriege, den sein Vater, von der arabischen Küste nach Zanzibar hinüberfahrend, gegen portugiesische Sklaven¬ händler geführt hatte, war seine Schwester gefangen genommen und nicht mehr aufzufinden gewesen. Da hatte sein Vater auf ein Gerücht hin, die Prinzessin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/483>, abgerufen am 26.06.2024.