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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Aber was kann man thun, um ihr zu helfen? sagte Ednard. So ganz
ohne Schutz in der Welt, was soll aus ihr werden? Ich habe daran gedacht,
mit meiner Braut über sie zu reden. Sylvia ist ein äußerst gescheidtes Frauen¬
zimmer und findet vielleicht guten Rat. Sylvia müßte ihr eine angenehme Stellung
im Hause eines ihrer Verwandten verschaffen.

Die Frau des Malers lächelte.

Das ist wieder ganz der alte Frank, sagte sie, der unbesonnene Hitzkopf,
der in der größten Harmlosigkeit die größten Thorheiten begeht. Ich hatte ge¬
glaubt, Sie wären klüger geworden, seitdem Sie verlobt sind.

Wie so denn? fragte Eduard verwundert.

Nun, nach dem, was Sie mir von Ihrer Braut erzählt haben, und
nach dem, was ich sonst über deren Familie gehört habe, könnten Sie meiner
Meinung nach gar nichts Unpassenderes thun, als dort als Beschützer einer
schönen Waise aufzutreten. Aber Sie müssen die Verhältnisse ja besser
kennen.

Beste Frau Lehmann, erwiederte Eduard, wenn ich heirate, will ich eine
Gattin mein nennen, welche in jeder Beziehung völlig mit mir eins ist. Es
soll auch nicht der Schatten eines Misverstündnisses zwischen uns auftauchen
können, sondern es soll eine solche Klarheit und Offenheit, ein solches Vertrauen
unsern Bund heiligen, daß alles und jedes zwischen uns ausgesprochen werden
kann, alles und jedes von meiner Frau und mir in einem und demselben Sinne
aufgefaßt und durchgeführt wird.

Nun gut, sagte die Frau des Malers mit einem schelmischen Lächeln, wenn
Sie es für klüger halten, so erzählen Sie Sylvia Ihr gestriges Abenteuer. Ich
hatte mir für meine Person schon vorgenommen, ein gutes Werk an dem reizenden
Kinde zu thun, aber wenn Sie nieinen --

Eduard saß nachdenklich eine kleine Zeit lang da. Allerhand Gedanken zogen
durch seinen Kopf, welche ihm nicht behaglich waren. Indem er sich des Ge¬
sprächs mit seiner Braut im Tiergarten, sowie mancher andern kleinen Ziige
erinnerte, erschien ihn: selbst nunmehr die Idee, Sylvia zur Vertrauten in dieser
zarten Angelegenheit zu macheu, als unpraktisch. Daß dem aber so war, daß
er sich wirklich sagen mußte, Sylvia konnte seine Handlung mißdeuten, gab ihm
Anlaß zu einem unzufriedenen Sinnen, welches seiner Natur im Grunde widersprach.

Was dachten Sie denn zu thun? fragte er.

Sie setzte ihm auseinander, daß der Mann ihrer Schwester, Pfarrer zu
Kürbisdorf, welche fünf Knaben zur Erziehung bei sich hätte, noch einer weib¬
lichen Hilfe bedürfe, und daß sie Betty zu ihm zu schicken denke. Außerdem
wollte sie mit Bettys Hilfe Nachforschungen in Jüterbogk austeilen, um womöglich
deren Herkunft zu erfahre" und jedenfalls deren Papiere, Taufschein und der¬
gleichen, zu erlangen.

Dieser Plan erschien auch Eduard uach ewiger Überlegung gut, und man


Bakchen und Thyrsosträger.

Aber was kann man thun, um ihr zu helfen? sagte Ednard. So ganz
ohne Schutz in der Welt, was soll aus ihr werden? Ich habe daran gedacht,
mit meiner Braut über sie zu reden. Sylvia ist ein äußerst gescheidtes Frauen¬
zimmer und findet vielleicht guten Rat. Sylvia müßte ihr eine angenehme Stellung
im Hause eines ihrer Verwandten verschaffen.

Die Frau des Malers lächelte.

Das ist wieder ganz der alte Frank, sagte sie, der unbesonnene Hitzkopf,
der in der größten Harmlosigkeit die größten Thorheiten begeht. Ich hatte ge¬
glaubt, Sie wären klüger geworden, seitdem Sie verlobt sind.

Wie so denn? fragte Eduard verwundert.

Nun, nach dem, was Sie mir von Ihrer Braut erzählt haben, und
nach dem, was ich sonst über deren Familie gehört habe, könnten Sie meiner
Meinung nach gar nichts Unpassenderes thun, als dort als Beschützer einer
schönen Waise aufzutreten. Aber Sie müssen die Verhältnisse ja besser
kennen.

Beste Frau Lehmann, erwiederte Eduard, wenn ich heirate, will ich eine
Gattin mein nennen, welche in jeder Beziehung völlig mit mir eins ist. Es
soll auch nicht der Schatten eines Misverstündnisses zwischen uns auftauchen
können, sondern es soll eine solche Klarheit und Offenheit, ein solches Vertrauen
unsern Bund heiligen, daß alles und jedes zwischen uns ausgesprochen werden
kann, alles und jedes von meiner Frau und mir in einem und demselben Sinne
aufgefaßt und durchgeführt wird.

Nun gut, sagte die Frau des Malers mit einem schelmischen Lächeln, wenn
Sie es für klüger halten, so erzählen Sie Sylvia Ihr gestriges Abenteuer. Ich
hatte mir für meine Person schon vorgenommen, ein gutes Werk an dem reizenden
Kinde zu thun, aber wenn Sie nieinen —

Eduard saß nachdenklich eine kleine Zeit lang da. Allerhand Gedanken zogen
durch seinen Kopf, welche ihm nicht behaglich waren. Indem er sich des Ge¬
sprächs mit seiner Braut im Tiergarten, sowie mancher andern kleinen Ziige
erinnerte, erschien ihn: selbst nunmehr die Idee, Sylvia zur Vertrauten in dieser
zarten Angelegenheit zu macheu, als unpraktisch. Daß dem aber so war, daß
er sich wirklich sagen mußte, Sylvia konnte seine Handlung mißdeuten, gab ihm
Anlaß zu einem unzufriedenen Sinnen, welches seiner Natur im Grunde widersprach.

Was dachten Sie denn zu thun? fragte er.

Sie setzte ihm auseinander, daß der Mann ihrer Schwester, Pfarrer zu
Kürbisdorf, welche fünf Knaben zur Erziehung bei sich hätte, noch einer weib¬
lichen Hilfe bedürfe, und daß sie Betty zu ihm zu schicken denke. Außerdem
wollte sie mit Bettys Hilfe Nachforschungen in Jüterbogk austeilen, um womöglich
deren Herkunft zu erfahre» und jedenfalls deren Papiere, Taufschein und der¬
gleichen, zu erlangen.

Dieser Plan erschien auch Eduard uach ewiger Überlegung gut, und man


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[0479] Bakchen und Thyrsosträger. Aber was kann man thun, um ihr zu helfen? sagte Ednard. So ganz ohne Schutz in der Welt, was soll aus ihr werden? Ich habe daran gedacht, mit meiner Braut über sie zu reden. Sylvia ist ein äußerst gescheidtes Frauen¬ zimmer und findet vielleicht guten Rat. Sylvia müßte ihr eine angenehme Stellung im Hause eines ihrer Verwandten verschaffen. Die Frau des Malers lächelte. Das ist wieder ganz der alte Frank, sagte sie, der unbesonnene Hitzkopf, der in der größten Harmlosigkeit die größten Thorheiten begeht. Ich hatte ge¬ glaubt, Sie wären klüger geworden, seitdem Sie verlobt sind. Wie so denn? fragte Eduard verwundert. Nun, nach dem, was Sie mir von Ihrer Braut erzählt haben, und nach dem, was ich sonst über deren Familie gehört habe, könnten Sie meiner Meinung nach gar nichts Unpassenderes thun, als dort als Beschützer einer schönen Waise aufzutreten. Aber Sie müssen die Verhältnisse ja besser kennen. Beste Frau Lehmann, erwiederte Eduard, wenn ich heirate, will ich eine Gattin mein nennen, welche in jeder Beziehung völlig mit mir eins ist. Es soll auch nicht der Schatten eines Misverstündnisses zwischen uns auftauchen können, sondern es soll eine solche Klarheit und Offenheit, ein solches Vertrauen unsern Bund heiligen, daß alles und jedes zwischen uns ausgesprochen werden kann, alles und jedes von meiner Frau und mir in einem und demselben Sinne aufgefaßt und durchgeführt wird. Nun gut, sagte die Frau des Malers mit einem schelmischen Lächeln, wenn Sie es für klüger halten, so erzählen Sie Sylvia Ihr gestriges Abenteuer. Ich hatte mir für meine Person schon vorgenommen, ein gutes Werk an dem reizenden Kinde zu thun, aber wenn Sie nieinen — Eduard saß nachdenklich eine kleine Zeit lang da. Allerhand Gedanken zogen durch seinen Kopf, welche ihm nicht behaglich waren. Indem er sich des Ge¬ sprächs mit seiner Braut im Tiergarten, sowie mancher andern kleinen Ziige erinnerte, erschien ihn: selbst nunmehr die Idee, Sylvia zur Vertrauten in dieser zarten Angelegenheit zu macheu, als unpraktisch. Daß dem aber so war, daß er sich wirklich sagen mußte, Sylvia konnte seine Handlung mißdeuten, gab ihm Anlaß zu einem unzufriedenen Sinnen, welches seiner Natur im Grunde widersprach. Was dachten Sie denn zu thun? fragte er. Sie setzte ihm auseinander, daß der Mann ihrer Schwester, Pfarrer zu Kürbisdorf, welche fünf Knaben zur Erziehung bei sich hätte, noch einer weib¬ lichen Hilfe bedürfe, und daß sie Betty zu ihm zu schicken denke. Außerdem wollte sie mit Bettys Hilfe Nachforschungen in Jüterbogk austeilen, um womöglich deren Herkunft zu erfahre» und jedenfalls deren Papiere, Taufschein und der¬ gleichen, zu erlangen. Dieser Plan erschien auch Eduard uach ewiger Überlegung gut, und man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/479>, abgerufen am 26.06.2024.