Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Aufstand in der Herzegowina,

Zeit die Waffen zur Verteidigung des Reiches ergriffen, was zuletzt 1839 geschah,
wo die Boccheseu während des Krieges Österreichs mit Frankreich und Italien
dem Kaiser ein Korps von 2300 Mann zur Verfügung stellten. Erst 1868
sollte sich dies ändern. Als Österreich seine Wehrkraft reorgauisirte, erstreckte
man die Militärpflicht auch über Dalmatien und milderte dieselbe für die Be¬
wohner der Bergdistrikte nur insofern, als man bestimmte, die hier aufzuhebenden
Rekruten sollten nur in die Landwehr, nicht in die Linie eintreten. Zu diesem
Ende rief man das 81, obcrdalmatische Landwehrscharfschützenbataillon ins Leben,
das sich aus den Bezirken von Ragusa und Cattnrv rckrutiren sollte. Aber der
Plan schlug fehl. In den ersten Herbsttagen des Jahres 1869 gingen die in
jenen abgelegnen Gegenden bestehenden österreichischen Behörden energisch an die
Aufgabe, die gemilderte Konskription hier zu verwirklichen. Allein die Bewohner
der an Montenegro grenzenden Krivoseie wollten ebensowenig in der Landwehr
als in der Linie dienen, sie erhoben sich Mann für Mann in Waffen, zogen
sich in die Bergwildnisse des Landes zurück und boten hier den gegen sie aus¬
gesandten Truppen Trotz. Sie belagerten das Fort Dragalj und vernichteten
ein kleines Detachement. Darauf vom General Auersperg mit mehreren Regi¬
mentern angegriffen, schlugen sie mit Unterstützung der ihnen aus dem Innern
des Landes und aus Montenegro zugeströmten Genossen auch diese zurück, und
der genannte General mußte Ende November seine Operationen einstellen. Er
wurde durch den Feldmarschallleutnant Nobles ersetzt, der den Streit gütlich bei¬
zulegen versuchte und durch Versprechung einer Amnestie, Schadenersatz und
Zurücknahme der Forderungen in Betreff der Wehrpflicht die Bocchesen bewog,
die Waffen niederzulegen und sich zu unterwerfen.

Durch den im Februar 1870 abgeschlossenen Vertrag von Kneslac wurden
die Privilegien, welche die Süddalmatiner vom Militärdienste befreiten, von
neuem bestätigt. Natürlich nicht für ewige Zeiten. Die österreichische Negierung
dachte dabei vielmehr, daß vernünftiges Zureden und moralischer Druck die hals¬
starrigen Berghirten und Küstenfischcr der Krivoseie allmählich von der Not¬
wendigkeit überzeugen würden, sich einer Einrichtung zufügen, welche alle Stämme
des vielsprachigen Reiches anerkannt hatten. Allein als man im letzten Oktober
den Versuch von 1868 wiederholte, war der Erfolg zwar ein besserer als damals,
aber kein vollständiger. Aus den Dörfern an der See erschienen allerdings
ziemlich viele Rekruten im Hauptquartiere des Scharfschtttzenbataillons, dagegen
flohen die meisten Bewohner des obern Teils der Krivoseie abermals schleunigst
in die schwer zugänglichen Berge und erklärten entschieden, nichts mit der Land¬
wehr zu thun haben zu wollen, wofern man ihnen nicht bestimmte Bedingungen
gewähre. Diese bestanden hauptsächlich in Annahme des Kommandos in dem
serbisch-kroatischen Idiom der Gegend, in der eignen Wahl ihrer Offiziere und
Unteroffiziere und in landesüblicher Bewaffnung; ferner verlangten die Rebellen,
nicht in Kasernen untergebracht und nur in der Heimat verwendet zu werden;


Der Aufstand in der Herzegowina,

Zeit die Waffen zur Verteidigung des Reiches ergriffen, was zuletzt 1839 geschah,
wo die Boccheseu während des Krieges Österreichs mit Frankreich und Italien
dem Kaiser ein Korps von 2300 Mann zur Verfügung stellten. Erst 1868
sollte sich dies ändern. Als Österreich seine Wehrkraft reorgauisirte, erstreckte
man die Militärpflicht auch über Dalmatien und milderte dieselbe für die Be¬
wohner der Bergdistrikte nur insofern, als man bestimmte, die hier aufzuhebenden
Rekruten sollten nur in die Landwehr, nicht in die Linie eintreten. Zu diesem
Ende rief man das 81, obcrdalmatische Landwehrscharfschützenbataillon ins Leben,
das sich aus den Bezirken von Ragusa und Cattnrv rckrutiren sollte. Aber der
Plan schlug fehl. In den ersten Herbsttagen des Jahres 1869 gingen die in
jenen abgelegnen Gegenden bestehenden österreichischen Behörden energisch an die
Aufgabe, die gemilderte Konskription hier zu verwirklichen. Allein die Bewohner
der an Montenegro grenzenden Krivoseie wollten ebensowenig in der Landwehr
als in der Linie dienen, sie erhoben sich Mann für Mann in Waffen, zogen
sich in die Bergwildnisse des Landes zurück und boten hier den gegen sie aus¬
gesandten Truppen Trotz. Sie belagerten das Fort Dragalj und vernichteten
ein kleines Detachement. Darauf vom General Auersperg mit mehreren Regi¬
mentern angegriffen, schlugen sie mit Unterstützung der ihnen aus dem Innern
des Landes und aus Montenegro zugeströmten Genossen auch diese zurück, und
der genannte General mußte Ende November seine Operationen einstellen. Er
wurde durch den Feldmarschallleutnant Nobles ersetzt, der den Streit gütlich bei¬
zulegen versuchte und durch Versprechung einer Amnestie, Schadenersatz und
Zurücknahme der Forderungen in Betreff der Wehrpflicht die Bocchesen bewog,
die Waffen niederzulegen und sich zu unterwerfen.

Durch den im Februar 1870 abgeschlossenen Vertrag von Kneslac wurden
die Privilegien, welche die Süddalmatiner vom Militärdienste befreiten, von
neuem bestätigt. Natürlich nicht für ewige Zeiten. Die österreichische Negierung
dachte dabei vielmehr, daß vernünftiges Zureden und moralischer Druck die hals¬
starrigen Berghirten und Küstenfischcr der Krivoseie allmählich von der Not¬
wendigkeit überzeugen würden, sich einer Einrichtung zufügen, welche alle Stämme
des vielsprachigen Reiches anerkannt hatten. Allein als man im letzten Oktober
den Versuch von 1868 wiederholte, war der Erfolg zwar ein besserer als damals,
aber kein vollständiger. Aus den Dörfern an der See erschienen allerdings
ziemlich viele Rekruten im Hauptquartiere des Scharfschtttzenbataillons, dagegen
flohen die meisten Bewohner des obern Teils der Krivoseie abermals schleunigst
in die schwer zugänglichen Berge und erklärten entschieden, nichts mit der Land¬
wehr zu thun haben zu wollen, wofern man ihnen nicht bestimmte Bedingungen
gewähre. Diese bestanden hauptsächlich in Annahme des Kommandos in dem
serbisch-kroatischen Idiom der Gegend, in der eignen Wahl ihrer Offiziere und
Unteroffiziere und in landesüblicher Bewaffnung; ferner verlangten die Rebellen,
nicht in Kasernen untergebracht und nur in der Heimat verwendet zu werden;


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86593"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Aufstand in der Herzegowina,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1927" prev="#ID_1926"> Zeit die Waffen zur Verteidigung des Reiches ergriffen, was zuletzt 1839 geschah,<lb/>
wo die Boccheseu während des Krieges Österreichs mit Frankreich und Italien<lb/>
dem Kaiser ein Korps von 2300 Mann zur Verfügung stellten. Erst 1868<lb/>
sollte sich dies ändern. Als Österreich seine Wehrkraft reorgauisirte, erstreckte<lb/>
man die Militärpflicht auch über Dalmatien und milderte dieselbe für die Be¬<lb/>
wohner der Bergdistrikte nur insofern, als man bestimmte, die hier aufzuhebenden<lb/>
Rekruten sollten nur in die Landwehr, nicht in die Linie eintreten. Zu diesem<lb/>
Ende rief man das 81, obcrdalmatische Landwehrscharfschützenbataillon ins Leben,<lb/>
das sich aus den Bezirken von Ragusa und Cattnrv rckrutiren sollte. Aber der<lb/>
Plan schlug fehl. In den ersten Herbsttagen des Jahres 1869 gingen die in<lb/>
jenen abgelegnen Gegenden bestehenden österreichischen Behörden energisch an die<lb/>
Aufgabe, die gemilderte Konskription hier zu verwirklichen. Allein die Bewohner<lb/>
der an Montenegro grenzenden Krivoseie wollten ebensowenig in der Landwehr<lb/>
als in der Linie dienen, sie erhoben sich Mann für Mann in Waffen, zogen<lb/>
sich in die Bergwildnisse des Landes zurück und boten hier den gegen sie aus¬<lb/>
gesandten Truppen Trotz. Sie belagerten das Fort Dragalj und vernichteten<lb/>
ein kleines Detachement. Darauf vom General Auersperg mit mehreren Regi¬<lb/>
mentern angegriffen, schlugen sie mit Unterstützung der ihnen aus dem Innern<lb/>
des Landes und aus Montenegro zugeströmten Genossen auch diese zurück, und<lb/>
der genannte General mußte Ende November seine Operationen einstellen. Er<lb/>
wurde durch den Feldmarschallleutnant Nobles ersetzt, der den Streit gütlich bei¬<lb/>
zulegen versuchte und durch Versprechung einer Amnestie, Schadenersatz und<lb/>
Zurücknahme der Forderungen in Betreff der Wehrpflicht die Bocchesen bewog,<lb/>
die Waffen niederzulegen und sich zu unterwerfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1928" next="#ID_1929"> Durch den im Februar 1870 abgeschlossenen Vertrag von Kneslac wurden<lb/>
die Privilegien, welche die Süddalmatiner vom Militärdienste befreiten, von<lb/>
neuem bestätigt. Natürlich nicht für ewige Zeiten. Die österreichische Negierung<lb/>
dachte dabei vielmehr, daß vernünftiges Zureden und moralischer Druck die hals¬<lb/>
starrigen Berghirten und Küstenfischcr der Krivoseie allmählich von der Not¬<lb/>
wendigkeit überzeugen würden, sich einer Einrichtung zufügen, welche alle Stämme<lb/>
des vielsprachigen Reiches anerkannt hatten. Allein als man im letzten Oktober<lb/>
den Versuch von 1868 wiederholte, war der Erfolg zwar ein besserer als damals,<lb/>
aber kein vollständiger. Aus den Dörfern an der See erschienen allerdings<lb/>
ziemlich viele Rekruten im Hauptquartiere des Scharfschtttzenbataillons, dagegen<lb/>
flohen die meisten Bewohner des obern Teils der Krivoseie abermals schleunigst<lb/>
in die schwer zugänglichen Berge und erklärten entschieden, nichts mit der Land¬<lb/>
wehr zu thun haben zu wollen, wofern man ihnen nicht bestimmte Bedingungen<lb/>
gewähre. Diese bestanden hauptsächlich in Annahme des Kommandos in dem<lb/>
serbisch-kroatischen Idiom der Gegend, in der eignen Wahl ihrer Offiziere und<lb/>
Unteroffiziere und in landesüblicher Bewaffnung; ferner verlangten die Rebellen,<lb/>
nicht in Kasernen untergebracht und nur in der Heimat verwendet zu werden;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] Der Aufstand in der Herzegowina, Zeit die Waffen zur Verteidigung des Reiches ergriffen, was zuletzt 1839 geschah, wo die Boccheseu während des Krieges Österreichs mit Frankreich und Italien dem Kaiser ein Korps von 2300 Mann zur Verfügung stellten. Erst 1868 sollte sich dies ändern. Als Österreich seine Wehrkraft reorgauisirte, erstreckte man die Militärpflicht auch über Dalmatien und milderte dieselbe für die Be¬ wohner der Bergdistrikte nur insofern, als man bestimmte, die hier aufzuhebenden Rekruten sollten nur in die Landwehr, nicht in die Linie eintreten. Zu diesem Ende rief man das 81, obcrdalmatische Landwehrscharfschützenbataillon ins Leben, das sich aus den Bezirken von Ragusa und Cattnrv rckrutiren sollte. Aber der Plan schlug fehl. In den ersten Herbsttagen des Jahres 1869 gingen die in jenen abgelegnen Gegenden bestehenden österreichischen Behörden energisch an die Aufgabe, die gemilderte Konskription hier zu verwirklichen. Allein die Bewohner der an Montenegro grenzenden Krivoseie wollten ebensowenig in der Landwehr als in der Linie dienen, sie erhoben sich Mann für Mann in Waffen, zogen sich in die Bergwildnisse des Landes zurück und boten hier den gegen sie aus¬ gesandten Truppen Trotz. Sie belagerten das Fort Dragalj und vernichteten ein kleines Detachement. Darauf vom General Auersperg mit mehreren Regi¬ mentern angegriffen, schlugen sie mit Unterstützung der ihnen aus dem Innern des Landes und aus Montenegro zugeströmten Genossen auch diese zurück, und der genannte General mußte Ende November seine Operationen einstellen. Er wurde durch den Feldmarschallleutnant Nobles ersetzt, der den Streit gütlich bei¬ zulegen versuchte und durch Versprechung einer Amnestie, Schadenersatz und Zurücknahme der Forderungen in Betreff der Wehrpflicht die Bocchesen bewog, die Waffen niederzulegen und sich zu unterwerfen. Durch den im Februar 1870 abgeschlossenen Vertrag von Kneslac wurden die Privilegien, welche die Süddalmatiner vom Militärdienste befreiten, von neuem bestätigt. Natürlich nicht für ewige Zeiten. Die österreichische Negierung dachte dabei vielmehr, daß vernünftiges Zureden und moralischer Druck die hals¬ starrigen Berghirten und Küstenfischcr der Krivoseie allmählich von der Not¬ wendigkeit überzeugen würden, sich einer Einrichtung zufügen, welche alle Stämme des vielsprachigen Reiches anerkannt hatten. Allein als man im letzten Oktober den Versuch von 1868 wiederholte, war der Erfolg zwar ein besserer als damals, aber kein vollständiger. Aus den Dörfern an der See erschienen allerdings ziemlich viele Rekruten im Hauptquartiere des Scharfschtttzenbataillons, dagegen flohen die meisten Bewohner des obern Teils der Krivoseie abermals schleunigst in die schwer zugänglichen Berge und erklärten entschieden, nichts mit der Land¬ wehr zu thun haben zu wollen, wofern man ihnen nicht bestimmte Bedingungen gewähre. Diese bestanden hauptsächlich in Annahme des Kommandos in dem serbisch-kroatischen Idiom der Gegend, in der eignen Wahl ihrer Offiziere und Unteroffiziere und in landesüblicher Bewaffnung; ferner verlangten die Rebellen, nicht in Kasernen untergebracht und nur in der Heimat verwendet zu werden;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/472>, abgerufen am 26.06.2024.