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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte nährend des letzton Jahrzehnts.

den oben berührten Apollostatuen der älteren Kunst in eine Reihe gebracht zu
werden pflegt, als Athleteudarstellung zu erweisen und dem Pythagorcis von
Rhegion zuzuschreiben. (Vgl. Ch. Wald stein, ?MaAorg,8 ok Rtiexion g-va
ddo 6Al'l/s Ättilöts se^euch im -lournÄ ok nsllsnie se,uäi68 (1880). Ganz be¬
sonders für Kalamis hat man von jeher es sich angelegen sein lassen, Nach¬
bildungen seiner Werke unter dem vorhandenen Denkmälerschntzc ausfindig zu
machen, ohne daß bisher damit nennenswerte Resultate erzielt worden wären.
So hat auch kürzlich, um von älteren derartigen Versuchen zu schweigen, O. Benn-
dorfs Vermutung, daß Kalamis mit den Skulpturen des Tempels der Athena
Nike am Burgaufgauge zu Athen in Verbindung stehe ("Über das Cultusbild der
Athena Nike," in der Wiener Festschrift zur 50jährigen Jubelfeier des Ares.
Imsen., 1879) wenig Anklang gefunden; und noch entschiedener muß Brizio's
Hypothese Orr. civil' InMt. f. 1874 p. 38 ff.), der bekannte Dornauszieher
des Kapitols, der in zahlreichen Repliken vorkommt, gehe auf Kalamis zurück,
abgewiesen werden, worauf wir später noch einmal zurückzukommen Gelegenheit
haben werden.

Der einzige Künstler unter den Vorgängern des Phidias, dessen Eigenart
uns wenigstens teilweise näher bekannt ist, ist sein etwas älterer Mitschüler
bei Meister Ageladas, Myron. Sind auch in den letzten zehn Jahren keine
neuen Nachbildungen "chronischer Werke zu Tage getreten, so ist dafür die zuerst
von Brunn aufgestellte Zurückführung des bekannten Satyrs vom Lateran auf
Myrons Gruppe vou Athena und Marsyas neuerdings durch verschiedene Funde
hinlänglich bestätigt worden; vornehmlich durch eine Brvneestatnette des brittischen
Museums und ein Vasenbild (woneben auch die Wiederauffindung des lange
verschollenen Reliefs mit der Darstellung jener Gruppe Erwähnung verdient),
sodaß heute an Brunns Deutung nicht mehr gezweifelt werden darf. Ich ver¬
weise hier namentlich auf G. Hirschfeld, "Athena und Marsyas," (32. Pro¬
gramm zum Wiuckelmannsfest der archäologischen Gesellschaft. Berlin, Hertz,
1872) und F. v. Pulszky in der Archäologischen Zeitung (1879, S. 91 ff.)

So könne" wir denn im ganzen wohl sagen, daß die archäologische For¬
schung vereint mit glücklichen Funden in den letzten zehn Jahren in der Er¬
kenntnis der Vorstufen der griechischen Kunst nicht unbeträchtliche Fortschritte
gemacht habe. Freilich bedarf noch gar vieles näherer Aufklärung; und namentlich
ist es gerade die Übergangszeit vom Archaismus zum hohen Stil, wie er uns
an den Werken des Parthenon entgegentritt, die noch keineswegs überall deut¬
lich zu Tage liegt. Abgesehen von einzelnen Tempelskulpturen Athens sind es
hier ganz besonders die Bildwerke des Zeustempels in Olympia, welche dabei
eine wichtige Rolle zu spielen berufen scheinen. Bei der großen Bedeutung
aber, welche die Funde von Olympia in jeder Hinsicht in Anspruch nehmen,
und da wir auch auf die verschiedenen Controversen, die sich daran knüpfen,
einzugehen nicht vermeiden können, verspare ich die Besprechung der olym-


Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte nährend des letzton Jahrzehnts.

den oben berührten Apollostatuen der älteren Kunst in eine Reihe gebracht zu
werden pflegt, als Athleteudarstellung zu erweisen und dem Pythagorcis von
Rhegion zuzuschreiben. (Vgl. Ch. Wald stein, ?MaAorg,8 ok Rtiexion g-va
ddo 6Al'l/s Ättilöts se^euch im -lournÄ ok nsllsnie se,uäi68 (1880). Ganz be¬
sonders für Kalamis hat man von jeher es sich angelegen sein lassen, Nach¬
bildungen seiner Werke unter dem vorhandenen Denkmälerschntzc ausfindig zu
machen, ohne daß bisher damit nennenswerte Resultate erzielt worden wären.
So hat auch kürzlich, um von älteren derartigen Versuchen zu schweigen, O. Benn-
dorfs Vermutung, daß Kalamis mit den Skulpturen des Tempels der Athena
Nike am Burgaufgauge zu Athen in Verbindung stehe („Über das Cultusbild der
Athena Nike," in der Wiener Festschrift zur 50jährigen Jubelfeier des Ares.
Imsen., 1879) wenig Anklang gefunden; und noch entschiedener muß Brizio's
Hypothese Orr. civil' InMt. f. 1874 p. 38 ff.), der bekannte Dornauszieher
des Kapitols, der in zahlreichen Repliken vorkommt, gehe auf Kalamis zurück,
abgewiesen werden, worauf wir später noch einmal zurückzukommen Gelegenheit
haben werden.

Der einzige Künstler unter den Vorgängern des Phidias, dessen Eigenart
uns wenigstens teilweise näher bekannt ist, ist sein etwas älterer Mitschüler
bei Meister Ageladas, Myron. Sind auch in den letzten zehn Jahren keine
neuen Nachbildungen «chronischer Werke zu Tage getreten, so ist dafür die zuerst
von Brunn aufgestellte Zurückführung des bekannten Satyrs vom Lateran auf
Myrons Gruppe vou Athena und Marsyas neuerdings durch verschiedene Funde
hinlänglich bestätigt worden; vornehmlich durch eine Brvneestatnette des brittischen
Museums und ein Vasenbild (woneben auch die Wiederauffindung des lange
verschollenen Reliefs mit der Darstellung jener Gruppe Erwähnung verdient),
sodaß heute an Brunns Deutung nicht mehr gezweifelt werden darf. Ich ver¬
weise hier namentlich auf G. Hirschfeld, „Athena und Marsyas," (32. Pro¬
gramm zum Wiuckelmannsfest der archäologischen Gesellschaft. Berlin, Hertz,
1872) und F. v. Pulszky in der Archäologischen Zeitung (1879, S. 91 ff.)

So könne» wir denn im ganzen wohl sagen, daß die archäologische For¬
schung vereint mit glücklichen Funden in den letzten zehn Jahren in der Er¬
kenntnis der Vorstufen der griechischen Kunst nicht unbeträchtliche Fortschritte
gemacht habe. Freilich bedarf noch gar vieles näherer Aufklärung; und namentlich
ist es gerade die Übergangszeit vom Archaismus zum hohen Stil, wie er uns
an den Werken des Parthenon entgegentritt, die noch keineswegs überall deut¬
lich zu Tage liegt. Abgesehen von einzelnen Tempelskulpturen Athens sind es
hier ganz besonders die Bildwerke des Zeustempels in Olympia, welche dabei
eine wichtige Rolle zu spielen berufen scheinen. Bei der großen Bedeutung
aber, welche die Funde von Olympia in jeder Hinsicht in Anspruch nehmen,
und da wir auch auf die verschiedenen Controversen, die sich daran knüpfen,
einzugehen nicht vermeiden können, verspare ich die Besprechung der olym-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/462>, abgerufen am 26.06.2024.