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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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?>e Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

them, sonst aber keineswegs dazu beigetragen, die Frage nach ihrer Herkunft zu
vereinfachen; noch immer ist man hier über bloße Hypothesen nicht hinausge-
kommen. U. Köhler sprach die Vermutung aus, daß es eine karische Bevöl¬
kerung gewesen, welche sich früher in Griechenland angesiedelt hatte, der die
Funde angehörte". Overbeck hält die Löwen vom Thore für ein Produkt
fremder Kunstübung und ebenso die meiste" Goldsachen u"d die geschnittene"
Steine für ausländische Importartikel, während er die Grabreliefs als einhei¬
mische Nachahmung der fremden Muster betrachtet und ebenso auch die Gold¬
masken eittheimischcr, primitiv-roher Kunstübung zuweist: eine Scheidung der
Objekte, welche sich schwerlich wird aufrecht erhalten lassen, da die Verschieden¬
heiten in Stil und Technik doch nicht frappant genug dafür sind. Duncker,
welcher in der neuesten Auflage seiner "Geschichte des Altertums" (Band 5;
Leipzig, 1881) anch bereits diese neue" Funde verwertet hat, spricht die sehr
plausible Ansicht aus, daß die Bauwerke und die nicht deutlich die Spuren
fremden Imports tragenden Objekte zwar einheimischer Technik augehören, aber
unter dem Einfluß phönizischer Ansiedler entstanden seien. Mag um diese Streit¬
frage von der Zukunft in dieser oder jeuer Weise entschieden werden, auf jeden Fall
gebührt auch hier wiederum Schliemann das Verdienst, eine ganze Reihe bedeut¬
samer Probleme durch seine Entdeckungen angeregt zu haben; ihre Lösung dürfen
wir freilich erst erwarten, wenn die Zahl der Beobachtungen und neuen Funde
entsprechender Art sich hinreichend vermehrt haben wird, um sichere Schlüsse zu¬
zulassen.

Durch ^chliemauns Funde und die damit im Zusammenhang stehende Be¬
obachtung ähnlicher Thatsachen anch a" ander" Punkten Griechenlands und
der Kolonien ist eine Frage wieder in den Vordergrund getreten, welche auch
früher schon lebhaft ventilirt worden ist, aber zum Theil mehr mit Hilfe der
Schriftauellcn, als mit der der viel deutlicher und bestimmter redenden Denk¬
mäler: nämlich die nach dem Zusammenhange der griechischen Kunst mit der
des Orients und Ägyptens. Ganz besonders interessante Aufschlüsse über die
Wechselwirkungen, welche durch die Berührung hellenischer und orientalischer
Kultur auf dem Gebiete der Kunst sich ergeben, haben die Funde ans Cypern
gebracht. Hier gebührt das Verdienst reichhaltiger Nachgrabungen und Samm¬
lungen vornehmlich dem in Larnaka ansässigen amerikanischen Konsul Palma
ti Cesnvla, welcher seit 1866 Ausgrabungen veranstaltete und dadurch nicht
nur architektonisch und topographisch wichtige Resultate erreichte, sondern auch
eine sehr bedeutende Sammlung von Kunstgegenständen aller Art zusammen¬
brachte. Die vortreffliche von ihm veranstaltete Publikation derselben, ursprüng¬
lich in englischer Sprache erschienen, ist ins Deutsche übertragen unter dein
Titel: "Cypern. Seine alten Städte, Grüber und Tempel. Autorisirte deutsche
Bearbeitung von Ludwig Stern, mit einleitenden Vorwort von Georg
Ebers" (Jena, Costenoble, 1879).


?>e Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

them, sonst aber keineswegs dazu beigetragen, die Frage nach ihrer Herkunft zu
vereinfachen; noch immer ist man hier über bloße Hypothesen nicht hinausge-
kommen. U. Köhler sprach die Vermutung aus, daß es eine karische Bevöl¬
kerung gewesen, welche sich früher in Griechenland angesiedelt hatte, der die
Funde angehörte». Overbeck hält die Löwen vom Thore für ein Produkt
fremder Kunstübung und ebenso die meiste» Goldsachen u»d die geschnittene»
Steine für ausländische Importartikel, während er die Grabreliefs als einhei¬
mische Nachahmung der fremden Muster betrachtet und ebenso auch die Gold¬
masken eittheimischcr, primitiv-roher Kunstübung zuweist: eine Scheidung der
Objekte, welche sich schwerlich wird aufrecht erhalten lassen, da die Verschieden¬
heiten in Stil und Technik doch nicht frappant genug dafür sind. Duncker,
welcher in der neuesten Auflage seiner „Geschichte des Altertums" (Band 5;
Leipzig, 1881) anch bereits diese neue» Funde verwertet hat, spricht die sehr
plausible Ansicht aus, daß die Bauwerke und die nicht deutlich die Spuren
fremden Imports tragenden Objekte zwar einheimischer Technik augehören, aber
unter dem Einfluß phönizischer Ansiedler entstanden seien. Mag um diese Streit¬
frage von der Zukunft in dieser oder jeuer Weise entschieden werden, auf jeden Fall
gebührt auch hier wiederum Schliemann das Verdienst, eine ganze Reihe bedeut¬
samer Probleme durch seine Entdeckungen angeregt zu haben; ihre Lösung dürfen
wir freilich erst erwarten, wenn die Zahl der Beobachtungen und neuen Funde
entsprechender Art sich hinreichend vermehrt haben wird, um sichere Schlüsse zu¬
zulassen.

Durch ^chliemauns Funde und die damit im Zusammenhang stehende Be¬
obachtung ähnlicher Thatsachen anch a» ander» Punkten Griechenlands und
der Kolonien ist eine Frage wieder in den Vordergrund getreten, welche auch
früher schon lebhaft ventilirt worden ist, aber zum Theil mehr mit Hilfe der
Schriftauellcn, als mit der der viel deutlicher und bestimmter redenden Denk¬
mäler: nämlich die nach dem Zusammenhange der griechischen Kunst mit der
des Orients und Ägyptens. Ganz besonders interessante Aufschlüsse über die
Wechselwirkungen, welche durch die Berührung hellenischer und orientalischer
Kultur auf dem Gebiete der Kunst sich ergeben, haben die Funde ans Cypern
gebracht. Hier gebührt das Verdienst reichhaltiger Nachgrabungen und Samm¬
lungen vornehmlich dem in Larnaka ansässigen amerikanischen Konsul Palma
ti Cesnvla, welcher seit 1866 Ausgrabungen veranstaltete und dadurch nicht
nur architektonisch und topographisch wichtige Resultate erreichte, sondern auch
eine sehr bedeutende Sammlung von Kunstgegenständen aller Art zusammen¬
brachte. Die vortreffliche von ihm veranstaltete Publikation derselben, ursprüng¬
lich in englischer Sprache erschienen, ist ins Deutsche übertragen unter dein
Titel: „Cypern. Seine alten Städte, Grüber und Tempel. Autorisirte deutsche
Bearbeitung von Ludwig Stern, mit einleitenden Vorwort von Georg
Ebers" (Jena, Costenoble, 1879).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/456>, abgerufen am 26.06.2024.