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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Unnstgesct^lebte wälzend des letzte" Jahrzehnts,

zu Tage getretenen Resultate wesentlich ebenfalls unsrer Kenntnis der prähisto¬
rischen Epoche Griechenlands zu Gute kommen.>

Schliemanns Untersuchungen in Mykenä sind niedergelegt in dem gleich¬
zeitig in mehreren Sprachen erschienenen Werke: "Mykenä. Bericht über meine
Forschungen und Entdeckungen in Mykenä und Tiryns, mit einer Vorrede von
W, E. Gladstone" (Leipzig. Brockhaus, 1878), Auch hier ist wieder die für
den Leser interessante und fesselnde, für wissenschaftliche Untersuchung aber un¬
brauchbare Form des Tagebuchberichtes beibehalten. In Mykenä, wo schon
lange das merkwürdige sogenannte Schatzhans des Atreus nud das berühmte
Löwcnthor eine wichtige Rolle für die kunsthistorische Forschung spielten -- letz¬
teres galt bisher als das älteste, ans hellenischem Boden zu Tage getretene
plastische Denkmal --, Nachgrabungen zu veranstalten, war in der That ein
glücklicher Griff, welcher sich auch reichlich belohnte. Die im Jahre 1874 be¬
gonnenen, aber erst 1876 ausgeführten Ausgrabungen förderten zunächst noch
eine Anzahl anderer, in ihrer Anlage dem Schatzhaus des Atreus gleichenden
Knppclgräbcr zu Tage und machten auch die Anlage des Löwenthores klar, das
sich nunmehr als Theil der wohlausgedachten, sehr starken Befestigungsmauer
der Akropolis von Mykenä erkennen läßt. Ich muß es mir leider versagen,
hier auf die topographische" Ergebnisse der Schliemannschcn Forschungen ein¬
zugehen; für uns handelt es sich hier vielmehr um die auf der Agora aufge¬
deckten Gräber und die darin gefundenen, mannichfachen Kunstgegenstände. Da
haben wir zunächst Grabsteine mit hvchaltertümlichen, oder besser gesagt pri¬
mitiv-rohen Reliefs, Männer darstellend, welche auf Streitwagen mit einem
Pferde, daherfahrcu, während ein schlangenartiges Ornament die Vorstellung
umrahmt; wir haben eine Menge von Goldschmuck aller Art: goldene Masken,
bei denen die Tendenz, Porträtähnlichkeit charakteristisch wiederzugeben, nicht
zu verkennen ist; Plättchen mit feinen Ornamenten in gepreßter Arbeit lgestanzt);
schön verzierte Diademe, Nadeln u. s. w.; Siegelringe in Gold mit Gravirung,
geschnittene Steine; bronzene Schwerter, Schwcrtkuäufe und Scepter von Berg¬
krystall; Gegenstände aus Elfenbein; eine große Menge von Scherben bemalter
Vasen; und anderes mehr.

Es ist eine andre Kultur, welche uns hier entgegentritt, als die in Troja
gefundene, auf jeden Fall eine künstlerisch weit höher entwickelte. Denn wäh¬
rend jener vielbesprochene "Schatz des Priamus" trotz verhältnismäßig guter
Technik doch durchaus primitive Formen zeigt und eine Dekoration, welche kaum
über die rohesten Anfänge hinausgeht, stehen die Ornamente der mykenischen
Goldsachen, abgesehen von den ziemlich roh gearbeiteten Masken, auf einer be¬
trächtlich höheren Stufe und verraten einen ganz bestimmten, scharf ausgeprägten
Stil. Die hervorstechenden Eigentümlichkeiten dieser Dekoration sind dieselben,
wie man sie von jener fragmentirten und knnsthistorisch bedeutsamen Säule vom
Schatzhans des Atreus her kannte. Zickzacklinien, Spiralen, Rosetten n. tgi.


Die Fortschritte in der antiken Unnstgesct^lebte wälzend des letzte» Jahrzehnts,

zu Tage getretenen Resultate wesentlich ebenfalls unsrer Kenntnis der prähisto¬
rischen Epoche Griechenlands zu Gute kommen.>

Schliemanns Untersuchungen in Mykenä sind niedergelegt in dem gleich¬
zeitig in mehreren Sprachen erschienenen Werke: „Mykenä. Bericht über meine
Forschungen und Entdeckungen in Mykenä und Tiryns, mit einer Vorrede von
W, E. Gladstone" (Leipzig. Brockhaus, 1878), Auch hier ist wieder die für
den Leser interessante und fesselnde, für wissenschaftliche Untersuchung aber un¬
brauchbare Form des Tagebuchberichtes beibehalten. In Mykenä, wo schon
lange das merkwürdige sogenannte Schatzhans des Atreus nud das berühmte
Löwcnthor eine wichtige Rolle für die kunsthistorische Forschung spielten — letz¬
teres galt bisher als das älteste, ans hellenischem Boden zu Tage getretene
plastische Denkmal —, Nachgrabungen zu veranstalten, war in der That ein
glücklicher Griff, welcher sich auch reichlich belohnte. Die im Jahre 1874 be¬
gonnenen, aber erst 1876 ausgeführten Ausgrabungen förderten zunächst noch
eine Anzahl anderer, in ihrer Anlage dem Schatzhaus des Atreus gleichenden
Knppclgräbcr zu Tage und machten auch die Anlage des Löwenthores klar, das
sich nunmehr als Theil der wohlausgedachten, sehr starken Befestigungsmauer
der Akropolis von Mykenä erkennen läßt. Ich muß es mir leider versagen,
hier auf die topographische» Ergebnisse der Schliemannschcn Forschungen ein¬
zugehen; für uns handelt es sich hier vielmehr um die auf der Agora aufge¬
deckten Gräber und die darin gefundenen, mannichfachen Kunstgegenstände. Da
haben wir zunächst Grabsteine mit hvchaltertümlichen, oder besser gesagt pri¬
mitiv-rohen Reliefs, Männer darstellend, welche auf Streitwagen mit einem
Pferde, daherfahrcu, während ein schlangenartiges Ornament die Vorstellung
umrahmt; wir haben eine Menge von Goldschmuck aller Art: goldene Masken,
bei denen die Tendenz, Porträtähnlichkeit charakteristisch wiederzugeben, nicht
zu verkennen ist; Plättchen mit feinen Ornamenten in gepreßter Arbeit lgestanzt);
schön verzierte Diademe, Nadeln u. s. w.; Siegelringe in Gold mit Gravirung,
geschnittene Steine; bronzene Schwerter, Schwcrtkuäufe und Scepter von Berg¬
krystall; Gegenstände aus Elfenbein; eine große Menge von Scherben bemalter
Vasen; und anderes mehr.

Es ist eine andre Kultur, welche uns hier entgegentritt, als die in Troja
gefundene, auf jeden Fall eine künstlerisch weit höher entwickelte. Denn wäh¬
rend jener vielbesprochene „Schatz des Priamus" trotz verhältnismäßig guter
Technik doch durchaus primitive Formen zeigt und eine Dekoration, welche kaum
über die rohesten Anfänge hinausgeht, stehen die Ornamente der mykenischen
Goldsachen, abgesehen von den ziemlich roh gearbeiteten Masken, auf einer be¬
trächtlich höheren Stufe und verraten einen ganz bestimmten, scharf ausgeprägten
Stil. Die hervorstechenden Eigentümlichkeiten dieser Dekoration sind dieselben,
wie man sie von jener fragmentirten und knnsthistorisch bedeutsamen Säule vom
Schatzhans des Atreus her kannte. Zickzacklinien, Spiralen, Rosetten n. tgi.


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[0454] Die Fortschritte in der antiken Unnstgesct^lebte wälzend des letzte» Jahrzehnts, zu Tage getretenen Resultate wesentlich ebenfalls unsrer Kenntnis der prähisto¬ rischen Epoche Griechenlands zu Gute kommen.> Schliemanns Untersuchungen in Mykenä sind niedergelegt in dem gleich¬ zeitig in mehreren Sprachen erschienenen Werke: „Mykenä. Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenä und Tiryns, mit einer Vorrede von W, E. Gladstone" (Leipzig. Brockhaus, 1878), Auch hier ist wieder die für den Leser interessante und fesselnde, für wissenschaftliche Untersuchung aber un¬ brauchbare Form des Tagebuchberichtes beibehalten. In Mykenä, wo schon lange das merkwürdige sogenannte Schatzhans des Atreus nud das berühmte Löwcnthor eine wichtige Rolle für die kunsthistorische Forschung spielten — letz¬ teres galt bisher als das älteste, ans hellenischem Boden zu Tage getretene plastische Denkmal —, Nachgrabungen zu veranstalten, war in der That ein glücklicher Griff, welcher sich auch reichlich belohnte. Die im Jahre 1874 be¬ gonnenen, aber erst 1876 ausgeführten Ausgrabungen förderten zunächst noch eine Anzahl anderer, in ihrer Anlage dem Schatzhaus des Atreus gleichenden Knppclgräbcr zu Tage und machten auch die Anlage des Löwenthores klar, das sich nunmehr als Theil der wohlausgedachten, sehr starken Befestigungsmauer der Akropolis von Mykenä erkennen läßt. Ich muß es mir leider versagen, hier auf die topographische» Ergebnisse der Schliemannschcn Forschungen ein¬ zugehen; für uns handelt es sich hier vielmehr um die auf der Agora aufge¬ deckten Gräber und die darin gefundenen, mannichfachen Kunstgegenstände. Da haben wir zunächst Grabsteine mit hvchaltertümlichen, oder besser gesagt pri¬ mitiv-rohen Reliefs, Männer darstellend, welche auf Streitwagen mit einem Pferde, daherfahrcu, während ein schlangenartiges Ornament die Vorstellung umrahmt; wir haben eine Menge von Goldschmuck aller Art: goldene Masken, bei denen die Tendenz, Porträtähnlichkeit charakteristisch wiederzugeben, nicht zu verkennen ist; Plättchen mit feinen Ornamenten in gepreßter Arbeit lgestanzt); schön verzierte Diademe, Nadeln u. s. w.; Siegelringe in Gold mit Gravirung, geschnittene Steine; bronzene Schwerter, Schwcrtkuäufe und Scepter von Berg¬ krystall; Gegenstände aus Elfenbein; eine große Menge von Scherben bemalter Vasen; und anderes mehr. Es ist eine andre Kultur, welche uns hier entgegentritt, als die in Troja gefundene, auf jeden Fall eine künstlerisch weit höher entwickelte. Denn wäh¬ rend jener vielbesprochene „Schatz des Priamus" trotz verhältnismäßig guter Technik doch durchaus primitive Formen zeigt und eine Dekoration, welche kaum über die rohesten Anfänge hinausgeht, stehen die Ornamente der mykenischen Goldsachen, abgesehen von den ziemlich roh gearbeiteten Masken, auf einer be¬ trächtlich höheren Stufe und verraten einen ganz bestimmten, scharf ausgeprägten Stil. Die hervorstechenden Eigentümlichkeiten dieser Dekoration sind dieselben, wie man sie von jener fragmentirten und knnsthistorisch bedeutsamen Säule vom Schatzhans des Atreus her kannte. Zickzacklinien, Spiralen, Rosetten n. tgi.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/454>, abgerufen am 26.06.2024.