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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

von Edelsheim mit der Formation reitender, der deutschen nachgebildeter Artillerie
vorgegangen worden ist.

Zwei Genieregimenter zu fünf Feldbataillvnen in einer Friedensstärke von
je 2742 Mann und einer Kriegsstärke von je 7591 Mann dienen neben den
eigentlichen Arbeiten der Mineure und Sappeure der Formation von Feldeisen¬
bahn- und Feldtelegraphenabteilungen, während ein Pionierregiment in ungefähr
gleicher Stärke wie die genannten die Kriegsbrücken bedient. Die letzteren werden
nach den Angaben des schon im Jahre 1845 verstorbenen k. k. Oberst Freiherrn
von Birago ausgeführt, dessen Erfindung für die Konstruktion von Kriegsbrücken
überhaupt maßgebend gewesen ist.

Rechnet man hierzu noch eine Sanitätstruppe in angemessener Stärke und
das dem deutschen Train entsprechende Militärfuhrwesenkorps, so ist das stehende
Heer in seinen Umrissen gezeichnet. Seine Friedensstärke beziffert sich bei einem
jährlichen Rekrutenkontingent von 95 474 Mann, welches sich nahezu gleichmäßig
auf beide Reichshälften verteilt, einschließlich der Landwehrcadres auf 296 234
Mann und 48044 Pferde.

Der Vollständigkeit wegen mag noch kurz zweier der österreichischen Armee
eigentümlichen militärischen Formationen Erwähnung geschehen, der Arrierenleib-
garde und der Ungarischen Leibwache, welche, aus verdienstvollen verwundeten
und halbinvaliden Offizieren zusammengesetzt, für die direkte Bewachung des
Kaisers bestimmt sind und in ihren reichen glänzenden Uniformen das lebhafteste
Interesse aller Besucher der Hofburg erregen.

Die Uniformirung der österreichischen Armee endlich ist in den letzten Jahr¬
zehnten mehrfachen Änderungen unterworfen gewesen, hat aber an Schönheit
nicht gewonnen. Wer erinnert sich nicht noch mit Freude der kleidsamen Weißen
Tracht der Infanterie, wie der reichen und eleganten Uniformen von Husaren
und Ulanen? Schnitt und Farbe sind jetzt verändert, und es bleibt obendrein
zweifelhaft, ob das häßliche "Kommodjackerl" mit dem wärmenden "Unterzieh-
leibel" gegen die frühere enganschließende, militärisch stramme Bekleidung prak¬
tische Vorteile aufzuweisen hat.

Wenn im eigentlichen Stamme des stehenden Heeres, der Linie, der Ein¬
heitsgedanke der Monarchie zum Ausdruck gelangt ist, so tritt im Gegensatze
dazu bei der Formation der Landwehren der Dualismus in sein Recht. Die
Landwehren der Monarchie zerfallen in drei Gruppen, und zwar in die k. l.
(cisleithanische) Landwehr, die Landesverteidigung von Tirol und Voralberg und
die unter dem Namen der Hvnvvd bekannte k. ungarische Landwehr. Nach den
betreffenden Organisationsgesetzen ist die Landwehr im Kriege zur Unterstützung
des stehenden Heeres und zur innern Verteidigung, im Frieden ausnahmsweise
zur Aufrechterhaltung der innern Ordnung berufen. Die Landwehr kann nach
den oben angedeuteten Hauptgruppen nur mit Zustimmung der betreffenden
Landesvertretung, die Tiroler gar nicht außerhalb der engern Landesgrenzen


Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

von Edelsheim mit der Formation reitender, der deutschen nachgebildeter Artillerie
vorgegangen worden ist.

Zwei Genieregimenter zu fünf Feldbataillvnen in einer Friedensstärke von
je 2742 Mann und einer Kriegsstärke von je 7591 Mann dienen neben den
eigentlichen Arbeiten der Mineure und Sappeure der Formation von Feldeisen¬
bahn- und Feldtelegraphenabteilungen, während ein Pionierregiment in ungefähr
gleicher Stärke wie die genannten die Kriegsbrücken bedient. Die letzteren werden
nach den Angaben des schon im Jahre 1845 verstorbenen k. k. Oberst Freiherrn
von Birago ausgeführt, dessen Erfindung für die Konstruktion von Kriegsbrücken
überhaupt maßgebend gewesen ist.

Rechnet man hierzu noch eine Sanitätstruppe in angemessener Stärke und
das dem deutschen Train entsprechende Militärfuhrwesenkorps, so ist das stehende
Heer in seinen Umrissen gezeichnet. Seine Friedensstärke beziffert sich bei einem
jährlichen Rekrutenkontingent von 95 474 Mann, welches sich nahezu gleichmäßig
auf beide Reichshälften verteilt, einschließlich der Landwehrcadres auf 296 234
Mann und 48044 Pferde.

Der Vollständigkeit wegen mag noch kurz zweier der österreichischen Armee
eigentümlichen militärischen Formationen Erwähnung geschehen, der Arrierenleib-
garde und der Ungarischen Leibwache, welche, aus verdienstvollen verwundeten
und halbinvaliden Offizieren zusammengesetzt, für die direkte Bewachung des
Kaisers bestimmt sind und in ihren reichen glänzenden Uniformen das lebhafteste
Interesse aller Besucher der Hofburg erregen.

Die Uniformirung der österreichischen Armee endlich ist in den letzten Jahr¬
zehnten mehrfachen Änderungen unterworfen gewesen, hat aber an Schönheit
nicht gewonnen. Wer erinnert sich nicht noch mit Freude der kleidsamen Weißen
Tracht der Infanterie, wie der reichen und eleganten Uniformen von Husaren
und Ulanen? Schnitt und Farbe sind jetzt verändert, und es bleibt obendrein
zweifelhaft, ob das häßliche „Kommodjackerl" mit dem wärmenden „Unterzieh-
leibel" gegen die frühere enganschließende, militärisch stramme Bekleidung prak¬
tische Vorteile aufzuweisen hat.

Wenn im eigentlichen Stamme des stehenden Heeres, der Linie, der Ein¬
heitsgedanke der Monarchie zum Ausdruck gelangt ist, so tritt im Gegensatze
dazu bei der Formation der Landwehren der Dualismus in sein Recht. Die
Landwehren der Monarchie zerfallen in drei Gruppen, und zwar in die k. l.
(cisleithanische) Landwehr, die Landesverteidigung von Tirol und Voralberg und
die unter dem Namen der Hvnvvd bekannte k. ungarische Landwehr. Nach den
betreffenden Organisationsgesetzen ist die Landwehr im Kriege zur Unterstützung
des stehenden Heeres und zur innern Verteidigung, im Frieden ausnahmsweise
zur Aufrechterhaltung der innern Ordnung berufen. Die Landwehr kann nach
den oben angedeuteten Hauptgruppen nur mit Zustimmung der betreffenden
Landesvertretung, die Tiroler gar nicht außerhalb der engern Landesgrenzen


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[0438] Die Kriegsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie. von Edelsheim mit der Formation reitender, der deutschen nachgebildeter Artillerie vorgegangen worden ist. Zwei Genieregimenter zu fünf Feldbataillvnen in einer Friedensstärke von je 2742 Mann und einer Kriegsstärke von je 7591 Mann dienen neben den eigentlichen Arbeiten der Mineure und Sappeure der Formation von Feldeisen¬ bahn- und Feldtelegraphenabteilungen, während ein Pionierregiment in ungefähr gleicher Stärke wie die genannten die Kriegsbrücken bedient. Die letzteren werden nach den Angaben des schon im Jahre 1845 verstorbenen k. k. Oberst Freiherrn von Birago ausgeführt, dessen Erfindung für die Konstruktion von Kriegsbrücken überhaupt maßgebend gewesen ist. Rechnet man hierzu noch eine Sanitätstruppe in angemessener Stärke und das dem deutschen Train entsprechende Militärfuhrwesenkorps, so ist das stehende Heer in seinen Umrissen gezeichnet. Seine Friedensstärke beziffert sich bei einem jährlichen Rekrutenkontingent von 95 474 Mann, welches sich nahezu gleichmäßig auf beide Reichshälften verteilt, einschließlich der Landwehrcadres auf 296 234 Mann und 48044 Pferde. Der Vollständigkeit wegen mag noch kurz zweier der österreichischen Armee eigentümlichen militärischen Formationen Erwähnung geschehen, der Arrierenleib- garde und der Ungarischen Leibwache, welche, aus verdienstvollen verwundeten und halbinvaliden Offizieren zusammengesetzt, für die direkte Bewachung des Kaisers bestimmt sind und in ihren reichen glänzenden Uniformen das lebhafteste Interesse aller Besucher der Hofburg erregen. Die Uniformirung der österreichischen Armee endlich ist in den letzten Jahr¬ zehnten mehrfachen Änderungen unterworfen gewesen, hat aber an Schönheit nicht gewonnen. Wer erinnert sich nicht noch mit Freude der kleidsamen Weißen Tracht der Infanterie, wie der reichen und eleganten Uniformen von Husaren und Ulanen? Schnitt und Farbe sind jetzt verändert, und es bleibt obendrein zweifelhaft, ob das häßliche „Kommodjackerl" mit dem wärmenden „Unterzieh- leibel" gegen die frühere enganschließende, militärisch stramme Bekleidung prak¬ tische Vorteile aufzuweisen hat. Wenn im eigentlichen Stamme des stehenden Heeres, der Linie, der Ein¬ heitsgedanke der Monarchie zum Ausdruck gelangt ist, so tritt im Gegensatze dazu bei der Formation der Landwehren der Dualismus in sein Recht. Die Landwehren der Monarchie zerfallen in drei Gruppen, und zwar in die k. l. (cisleithanische) Landwehr, die Landesverteidigung von Tirol und Voralberg und die unter dem Namen der Hvnvvd bekannte k. ungarische Landwehr. Nach den betreffenden Organisationsgesetzen ist die Landwehr im Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres und zur innern Verteidigung, im Frieden ausnahmsweise zur Aufrechterhaltung der innern Ordnung berufen. Die Landwehr kann nach den oben angedeuteten Hauptgruppen nur mit Zustimmung der betreffenden Landesvertretung, die Tiroler gar nicht außerhalb der engern Landesgrenzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/438>, abgerufen am 29.06.2024.