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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Aricgsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

A" Jägern formirt die Armee außer dem bekannten Kaiserjägerregiment zu
sieben Bataillonen, welches sich nur aus Tirol ergänzt, 33 selbständige Feld-
jägerbatnillone. Jedes derselben setzt sich zusammen aus 4 Feldkompagnien,
1 Reserve- und 1 Ergänzungskompagnie. Aus den 40 Reservekvmpagnien
bilden sich bei der Mobilmachung 40 Reservcjägerbatnillone, und im Falle
dringenden Bedürfnisses können aus den Ergänznngskompagnien 10 weitere
Reservebataillone hervorgehen.

Die Bewaffnung ist bei Infanterie und Jägern gleichmäßig. Bis vor wenigen
Jahren war eine Einheitlichkeit noch nicht hergestellt! gegenwärtig sind aber die
Wänzlgewehre überall verschwunden, und die ganze Armee ist mit dem vom
Fabrikanten Joseph Werndl zu secher erfundenen und uach ihm genannten
Hinterlader versehen, der einen Visirschuß bis zu 1800 Metern ermöglicht.

Die 41 Regimenter Kavallerie teilen sich in 14 Regimenter Dragoner,
welche aus Deutschen ihren Ersatz finden, 11 Husarenregimentcr, die nur aus
Ungarn bestehen, und 11 Ulanenregimcnter mit polnischen! Ersatze. In sechs
Feldeskadrons und eine Ergänzungseskadron geteilt, erreicht ein Kavallerieregi¬
ment, dessen Friedensstärke rund 1000 Mann mit 900 Pferden beträgt, einen
Kricgsctnt von 44 Offizieren, 1165 Mann und 1200 Pferden. Die Bewaffnung
besteht außer Säbel, beziehentlich Lanze, in einem Werndl karabiner mit 1400
Meter Schußweite.

Die Artillerie formirt sich in 13 Fcldartilleriercgimenter und 12 Festungs-
artilleriebataillone, von denen die ersteren in 169 Batterien 696 Feuerschlünde
verschiedenen Kalibers vereinigen, deren Zahl sich im Felde ebenfalls nicht un¬
wesentlich erhöht. Das Geschütz besteht aus einem der österreichischen Armee
eigentümlichen Metalle, der Stahlbrvnze, nach dem Erfinder, dem vor Jahres¬
frist auf unglückliche Weise aus dem Leben geschiedenen General Freiherrn von
Uchatius, auch Uchatiusbronze genannt, welche elastischer und widerstandsfäln'ger
sein soll als Gußstahl, und schießt eine von demselben Offizier konstruirte Ring¬
granate. Der Vorteil eines eignen Geschützsystems für eine große Armee ist
nicht zu verkennen; er beruht hauptsächlich in der Möglichkeit, sich in Bezug auf
die Lieferung ganz vom Auslande zu emanzipiren, wie denn auch thatsächlich der
heimischen Industrie Österreichs die gesammte Gcschtttzanfertigung für Heer und
Flotte zugute kommt.

Eine besondere Einrichtung sind die Gebirgsbatterien, wie sie jetzt anch in
der Bvcche Verwendung finden. Im Frieden bestehen fünf, im Kriege zehn solcher
Batterien, welche vier siebeneentiinetrige, zerlegbare, ans Tragtieren fortzuschaffende
Geschütze führen. Bis vor wenigen Jahren kannte man dagegen in Österreich
keine reitende Artillerie. Bei der sogenannten "fahrenden" Batterie, welche die
Stelle derselben ersetzen sollte, fanden die Bedienungsmaimschaften Platz auf Protze
und Lafette; dadurch wurde das Geschütz aber zu schwer, um den raschen Be¬
wegungen der Kavallerie folgen zu können, so daß auf Anregung des Generals


Die Aricgsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie.

A» Jägern formirt die Armee außer dem bekannten Kaiserjägerregiment zu
sieben Bataillonen, welches sich nur aus Tirol ergänzt, 33 selbständige Feld-
jägerbatnillone. Jedes derselben setzt sich zusammen aus 4 Feldkompagnien,
1 Reserve- und 1 Ergänzungskompagnie. Aus den 40 Reservekvmpagnien
bilden sich bei der Mobilmachung 40 Reservcjägerbatnillone, und im Falle
dringenden Bedürfnisses können aus den Ergänznngskompagnien 10 weitere
Reservebataillone hervorgehen.

Die Bewaffnung ist bei Infanterie und Jägern gleichmäßig. Bis vor wenigen
Jahren war eine Einheitlichkeit noch nicht hergestellt! gegenwärtig sind aber die
Wänzlgewehre überall verschwunden, und die ganze Armee ist mit dem vom
Fabrikanten Joseph Werndl zu secher erfundenen und uach ihm genannten
Hinterlader versehen, der einen Visirschuß bis zu 1800 Metern ermöglicht.

Die 41 Regimenter Kavallerie teilen sich in 14 Regimenter Dragoner,
welche aus Deutschen ihren Ersatz finden, 11 Husarenregimentcr, die nur aus
Ungarn bestehen, und 11 Ulanenregimcnter mit polnischen! Ersatze. In sechs
Feldeskadrons und eine Ergänzungseskadron geteilt, erreicht ein Kavallerieregi¬
ment, dessen Friedensstärke rund 1000 Mann mit 900 Pferden beträgt, einen
Kricgsctnt von 44 Offizieren, 1165 Mann und 1200 Pferden. Die Bewaffnung
besteht außer Säbel, beziehentlich Lanze, in einem Werndl karabiner mit 1400
Meter Schußweite.

Die Artillerie formirt sich in 13 Fcldartilleriercgimenter und 12 Festungs-
artilleriebataillone, von denen die ersteren in 169 Batterien 696 Feuerschlünde
verschiedenen Kalibers vereinigen, deren Zahl sich im Felde ebenfalls nicht un¬
wesentlich erhöht. Das Geschütz besteht aus einem der österreichischen Armee
eigentümlichen Metalle, der Stahlbrvnze, nach dem Erfinder, dem vor Jahres¬
frist auf unglückliche Weise aus dem Leben geschiedenen General Freiherrn von
Uchatius, auch Uchatiusbronze genannt, welche elastischer und widerstandsfäln'ger
sein soll als Gußstahl, und schießt eine von demselben Offizier konstruirte Ring¬
granate. Der Vorteil eines eignen Geschützsystems für eine große Armee ist
nicht zu verkennen; er beruht hauptsächlich in der Möglichkeit, sich in Bezug auf
die Lieferung ganz vom Auslande zu emanzipiren, wie denn auch thatsächlich der
heimischen Industrie Österreichs die gesammte Gcschtttzanfertigung für Heer und
Flotte zugute kommt.

Eine besondere Einrichtung sind die Gebirgsbatterien, wie sie jetzt anch in
der Bvcche Verwendung finden. Im Frieden bestehen fünf, im Kriege zehn solcher
Batterien, welche vier siebeneentiinetrige, zerlegbare, ans Tragtieren fortzuschaffende
Geschütze führen. Bis vor wenigen Jahren kannte man dagegen in Österreich
keine reitende Artillerie. Bei der sogenannten „fahrenden" Batterie, welche die
Stelle derselben ersetzen sollte, fanden die Bedienungsmaimschaften Platz auf Protze
und Lafette; dadurch wurde das Geschütz aber zu schwer, um den raschen Be¬
wegungen der Kavallerie folgen zu können, so daß auf Anregung des Generals


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[0437] Die Aricgsmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie. A» Jägern formirt die Armee außer dem bekannten Kaiserjägerregiment zu sieben Bataillonen, welches sich nur aus Tirol ergänzt, 33 selbständige Feld- jägerbatnillone. Jedes derselben setzt sich zusammen aus 4 Feldkompagnien, 1 Reserve- und 1 Ergänzungskompagnie. Aus den 40 Reservekvmpagnien bilden sich bei der Mobilmachung 40 Reservcjägerbatnillone, und im Falle dringenden Bedürfnisses können aus den Ergänznngskompagnien 10 weitere Reservebataillone hervorgehen. Die Bewaffnung ist bei Infanterie und Jägern gleichmäßig. Bis vor wenigen Jahren war eine Einheitlichkeit noch nicht hergestellt! gegenwärtig sind aber die Wänzlgewehre überall verschwunden, und die ganze Armee ist mit dem vom Fabrikanten Joseph Werndl zu secher erfundenen und uach ihm genannten Hinterlader versehen, der einen Visirschuß bis zu 1800 Metern ermöglicht. Die 41 Regimenter Kavallerie teilen sich in 14 Regimenter Dragoner, welche aus Deutschen ihren Ersatz finden, 11 Husarenregimentcr, die nur aus Ungarn bestehen, und 11 Ulanenregimcnter mit polnischen! Ersatze. In sechs Feldeskadrons und eine Ergänzungseskadron geteilt, erreicht ein Kavallerieregi¬ ment, dessen Friedensstärke rund 1000 Mann mit 900 Pferden beträgt, einen Kricgsctnt von 44 Offizieren, 1165 Mann und 1200 Pferden. Die Bewaffnung besteht außer Säbel, beziehentlich Lanze, in einem Werndl karabiner mit 1400 Meter Schußweite. Die Artillerie formirt sich in 13 Fcldartilleriercgimenter und 12 Festungs- artilleriebataillone, von denen die ersteren in 169 Batterien 696 Feuerschlünde verschiedenen Kalibers vereinigen, deren Zahl sich im Felde ebenfalls nicht un¬ wesentlich erhöht. Das Geschütz besteht aus einem der österreichischen Armee eigentümlichen Metalle, der Stahlbrvnze, nach dem Erfinder, dem vor Jahres¬ frist auf unglückliche Weise aus dem Leben geschiedenen General Freiherrn von Uchatius, auch Uchatiusbronze genannt, welche elastischer und widerstandsfäln'ger sein soll als Gußstahl, und schießt eine von demselben Offizier konstruirte Ring¬ granate. Der Vorteil eines eignen Geschützsystems für eine große Armee ist nicht zu verkennen; er beruht hauptsächlich in der Möglichkeit, sich in Bezug auf die Lieferung ganz vom Auslande zu emanzipiren, wie denn auch thatsächlich der heimischen Industrie Österreichs die gesammte Gcschtttzanfertigung für Heer und Flotte zugute kommt. Eine besondere Einrichtung sind die Gebirgsbatterien, wie sie jetzt anch in der Bvcche Verwendung finden. Im Frieden bestehen fünf, im Kriege zehn solcher Batterien, welche vier siebeneentiinetrige, zerlegbare, ans Tragtieren fortzuschaffende Geschütze führen. Bis vor wenigen Jahren kannte man dagegen in Österreich keine reitende Artillerie. Bei der sogenannten „fahrenden" Batterie, welche die Stelle derselben ersetzen sollte, fanden die Bedienungsmaimschaften Platz auf Protze und Lafette; dadurch wurde das Geschütz aber zu schwer, um den raschen Be¬ wegungen der Kavallerie folgen zu können, so daß auf Anregung des Generals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/437>, abgerufen am 28.09.2024.