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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Sohn durch seine Erfolge in seinem Berufe vorher gezeigt habe, daß er ein guter
Geschäftsmann sei,

Eduard Frank hörte alledem mit vollkommener Ruhe zu, aber die Ursachen
dieser Ruhe waren andre, als Sylvia wünschen mochte. Eduard Frank hatte einen
so lebhaften Schönheitssinn und dabei so viel Sinn für Humor, daß er sehr
bald anfing, das lebhafte Mienenspiel des hübschen Mädchens und dessen ein¬
schmeichelnde Manier, die dunkeln Augen und das Spiel der Lippen und Hände
zu bewundern, und daß er darüber vergaß, ernstlich auf ihre Worte Acht zu geben,
während er zugleich über deu Eifer lächelte, womit sie einen Standpunkt verfocht,
den er für gänzlich falsch hielt.

Er war erfüllt von den erhabensten Ideen seiner Kunst und ganz durch¬
drungen von der Überzeugung, daß der Künstler ein Priester der Schönheit sei.
Er war fest entschlossen, niemals dem Verdienst und dem Geschäft zu Gefallen
von den Prinzipien abzuweichen, die er sich in seinem Berufe vorgesetzt hatte,
und es stand ihm einfach als eine Unmöglichkeit vor Augen, jemals etwas andres
zu treiben als den Kultus des Schönen.

Dazu war er von jungen Jahren, ungebeugter Energie und kam aus Rom,
wo er in vollster Freiheit, umgeben von der ruhigen Größe verschwundener Jahr¬
hunderte, ein ideales Leben geführt hatte. Er fühlte sich als Mann, und ohne
darüber reflektirt zu haben, hatte er daß Bewußtsein, daß der Mann das Weib
an sich fesseln solle als den schwächern, liebenswürdigen und schutzbedürftiger Teil,
niemals aber in den großen und ernsten Zielen seines Schaffens vom Weibe sich
hierhin oder dorthin ziehen lassen dürfe.

Was ihm Sylvia daher von guten Geschäften und klugem Benehmen und
den vernünftigen Ansichten ihres Papa vorerzühlte, machte nicht viel mehr Eindruck
auf ihn als das Plaudern eines klugen Kindes.

Sylvia, sagte er dann, als sie schwieg und ihn fragend anblickte, wenn du
mich wirklich liebst, wie ich dich liebe, so wird es dir wohl möglich sein, alle
die Hindernisse zu überwinde", die du als so groß darstellst. Dein Vater ist
nicht aus Erz gegossen und auch nicht von Marmelstein gebildet. Für unser
Auskommen ist gesorgt. Ich kann auf eine jährliche Einnahme rechnen, die
uns ermöglicht, eine bescheidene Lebensweise zu führen, wie sie für Glückliche,
für Liebende die schönste, die einzig wahre ist. Laß du all den Tand der Außenwelt
fahren und komm an mein Herz; mach dir keine Sorgen um Dinge, die nichts
wert sind. Wir sind reicher als alle Welt, wenn wir uns lieben, und wir sind
vornehmer als alle Fürsten, wenn unser Umgang Michel Angelo und Rafael,
Palladio, Cornelius, Viollet le Duc und Hansen, Homer, Horaz und Goethe sind.

Wenn das unser einziger Umgang sein soll. . . O, Eduard, das ist nicht
rücksichtsvoll von dir gesprochen! sagte sie scharf.

Eine peinliche Empfindung durchzog sein Herz.

Sylvia! rief er.


Bakchen und Thyrsosträger.

Sohn durch seine Erfolge in seinem Berufe vorher gezeigt habe, daß er ein guter
Geschäftsmann sei,

Eduard Frank hörte alledem mit vollkommener Ruhe zu, aber die Ursachen
dieser Ruhe waren andre, als Sylvia wünschen mochte. Eduard Frank hatte einen
so lebhaften Schönheitssinn und dabei so viel Sinn für Humor, daß er sehr
bald anfing, das lebhafte Mienenspiel des hübschen Mädchens und dessen ein¬
schmeichelnde Manier, die dunkeln Augen und das Spiel der Lippen und Hände
zu bewundern, und daß er darüber vergaß, ernstlich auf ihre Worte Acht zu geben,
während er zugleich über deu Eifer lächelte, womit sie einen Standpunkt verfocht,
den er für gänzlich falsch hielt.

Er war erfüllt von den erhabensten Ideen seiner Kunst und ganz durch¬
drungen von der Überzeugung, daß der Künstler ein Priester der Schönheit sei.
Er war fest entschlossen, niemals dem Verdienst und dem Geschäft zu Gefallen
von den Prinzipien abzuweichen, die er sich in seinem Berufe vorgesetzt hatte,
und es stand ihm einfach als eine Unmöglichkeit vor Augen, jemals etwas andres
zu treiben als den Kultus des Schönen.

Dazu war er von jungen Jahren, ungebeugter Energie und kam aus Rom,
wo er in vollster Freiheit, umgeben von der ruhigen Größe verschwundener Jahr¬
hunderte, ein ideales Leben geführt hatte. Er fühlte sich als Mann, und ohne
darüber reflektirt zu haben, hatte er daß Bewußtsein, daß der Mann das Weib
an sich fesseln solle als den schwächern, liebenswürdigen und schutzbedürftiger Teil,
niemals aber in den großen und ernsten Zielen seines Schaffens vom Weibe sich
hierhin oder dorthin ziehen lassen dürfe.

Was ihm Sylvia daher von guten Geschäften und klugem Benehmen und
den vernünftigen Ansichten ihres Papa vorerzühlte, machte nicht viel mehr Eindruck
auf ihn als das Plaudern eines klugen Kindes.

Sylvia, sagte er dann, als sie schwieg und ihn fragend anblickte, wenn du
mich wirklich liebst, wie ich dich liebe, so wird es dir wohl möglich sein, alle
die Hindernisse zu überwinde», die du als so groß darstellst. Dein Vater ist
nicht aus Erz gegossen und auch nicht von Marmelstein gebildet. Für unser
Auskommen ist gesorgt. Ich kann auf eine jährliche Einnahme rechnen, die
uns ermöglicht, eine bescheidene Lebensweise zu führen, wie sie für Glückliche,
für Liebende die schönste, die einzig wahre ist. Laß du all den Tand der Außenwelt
fahren und komm an mein Herz; mach dir keine Sorgen um Dinge, die nichts
wert sind. Wir sind reicher als alle Welt, wenn wir uns lieben, und wir sind
vornehmer als alle Fürsten, wenn unser Umgang Michel Angelo und Rafael,
Palladio, Cornelius, Viollet le Duc und Hansen, Homer, Horaz und Goethe sind.

Wenn das unser einziger Umgang sein soll. . . O, Eduard, das ist nicht
rücksichtsvoll von dir gesprochen! sagte sie scharf.

Eine peinliche Empfindung durchzog sein Herz.

Sylvia! rief er.


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[0423] Bakchen und Thyrsosträger. Sohn durch seine Erfolge in seinem Berufe vorher gezeigt habe, daß er ein guter Geschäftsmann sei, Eduard Frank hörte alledem mit vollkommener Ruhe zu, aber die Ursachen dieser Ruhe waren andre, als Sylvia wünschen mochte. Eduard Frank hatte einen so lebhaften Schönheitssinn und dabei so viel Sinn für Humor, daß er sehr bald anfing, das lebhafte Mienenspiel des hübschen Mädchens und dessen ein¬ schmeichelnde Manier, die dunkeln Augen und das Spiel der Lippen und Hände zu bewundern, und daß er darüber vergaß, ernstlich auf ihre Worte Acht zu geben, während er zugleich über deu Eifer lächelte, womit sie einen Standpunkt verfocht, den er für gänzlich falsch hielt. Er war erfüllt von den erhabensten Ideen seiner Kunst und ganz durch¬ drungen von der Überzeugung, daß der Künstler ein Priester der Schönheit sei. Er war fest entschlossen, niemals dem Verdienst und dem Geschäft zu Gefallen von den Prinzipien abzuweichen, die er sich in seinem Berufe vorgesetzt hatte, und es stand ihm einfach als eine Unmöglichkeit vor Augen, jemals etwas andres zu treiben als den Kultus des Schönen. Dazu war er von jungen Jahren, ungebeugter Energie und kam aus Rom, wo er in vollster Freiheit, umgeben von der ruhigen Größe verschwundener Jahr¬ hunderte, ein ideales Leben geführt hatte. Er fühlte sich als Mann, und ohne darüber reflektirt zu haben, hatte er daß Bewußtsein, daß der Mann das Weib an sich fesseln solle als den schwächern, liebenswürdigen und schutzbedürftiger Teil, niemals aber in den großen und ernsten Zielen seines Schaffens vom Weibe sich hierhin oder dorthin ziehen lassen dürfe. Was ihm Sylvia daher von guten Geschäften und klugem Benehmen und den vernünftigen Ansichten ihres Papa vorerzühlte, machte nicht viel mehr Eindruck auf ihn als das Plaudern eines klugen Kindes. Sylvia, sagte er dann, als sie schwieg und ihn fragend anblickte, wenn du mich wirklich liebst, wie ich dich liebe, so wird es dir wohl möglich sein, alle die Hindernisse zu überwinde», die du als so groß darstellst. Dein Vater ist nicht aus Erz gegossen und auch nicht von Marmelstein gebildet. Für unser Auskommen ist gesorgt. Ich kann auf eine jährliche Einnahme rechnen, die uns ermöglicht, eine bescheidene Lebensweise zu führen, wie sie für Glückliche, für Liebende die schönste, die einzig wahre ist. Laß du all den Tand der Außenwelt fahren und komm an mein Herz; mach dir keine Sorgen um Dinge, die nichts wert sind. Wir sind reicher als alle Welt, wenn wir uns lieben, und wir sind vornehmer als alle Fürsten, wenn unser Umgang Michel Angelo und Rafael, Palladio, Cornelius, Viollet le Duc und Hansen, Homer, Horaz und Goethe sind. Wenn das unser einziger Umgang sein soll. . . O, Eduard, das ist nicht rücksichtsvoll von dir gesprochen! sagte sie scharf. Eine peinliche Empfindung durchzog sein Herz. Sylvia! rief er.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/423>, abgerufen am 29.06.2024.