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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Mustern, eine perfekte Köchin, geschickte Kcnnmcrjungfer, einen nüchternen Kut¬
scher und einen Diener von sechs Fuß Höhe. Das Glück mußte so aussehen,
daß auch die Freundinnen es für ein Glück ansahen. Es mußte gute Gesell¬
schaft mit sich bringen, elegante Damen der höhern Stände, Maler mit genialen
Blicken, die in schwärmerischen Attitüden an ihren Kamin gelehnt standen und
sich um die Ehre stritten, Sylvia malen zu dürfen, Klaviervirtuosen, die auf
ihrem Bechstein die neuesten Kompositionen von Liszt spielten und Sylvia be¬
gleiteten, wenn sie sang "Du meine Seele, du mein Herz," kecke Offiziere, deren
Uniformen auf dem Hintergrunde kapernfarbener Tapeten und Vorhänge
schimmerten und die in den adlichen Kreisen erzählten, der Salon der Frau
Sylvia Frank sei einer der interessantesten und geistreichsten der Stadt.
Und als Krone des Ganzen dachte sie sich ihren Mann, wie er, schön gleich
Apoll, und dazu berühmt gleich Semper, ringsum bestürmt werde, hier
ein Schloß, dort eine Siegessäule zu bauen, während eine unaufhörliche
Flut von Goldstücken als Preis seiner genialen Entwürfe in die Wirtschaft
Ströme.

Es war ihr nicht lieb, daß ihr Bräutigam so sehr bescheidene Ansprüche
machte, und sie wünschte sehr, ihm höhern Schwung zu geben.

Lieber Eduard, sagte sie, ich weiß bestimmt, daß Papa unter diesen Ver¬
hältnissen seine Zustimmung noch nicht geben wird.

Und unter welchen Verhältnissen wird er sie geben?

Sei uicht böse, Eduard, aber Papa sagt so. Papa sagt: Eduard könnte,
wenn er wollte, ein enormes Geschäft machen. Er ist sehr talentvoll und hat
auch großen Fleiß, ich würde ihm gute Empfehlungen geben, und er könnte bald
einer der angesehensten Baumeister sein. Aber. . .

Aber? fragte Eduard mit lebhaftem Erröten.

Aber es ist merkwürdig, sagt Papa, Eduard bringt kein ordentliches Ge¬
schäft zustande, und seine Einnahme ist sehr problematisch. Er ist zu genial,
zu stolz -- was weiß ich? Kurz und gut, so spricht Papa, ich kann meine Tochter
nicht heiraten lassen, wenn ich nicht überzeugt bin, daß ihr Mann so gestellt ist,
daß ich ohne Sorge in die Zukunft blicken kann.

Die reizende Sylvia führte diese Anschauung ihres Vaters nun in der liebens¬
würdigen Art und Weise wohlerzogener junger Damen weiter aus, indem sie
ihres Papas Eigenart und Charakter darstellte und zeigte, welch ein tüchtiger
Geschäftsmann er sei und wie zärtlich er zugleich für seine Tochter sorge. Häufig
ihre eigenen Worte und Wendungen wiederholend und sie mit anmutigen Schmeiche¬
leien durchwebend, wußte sie ihr Anliegen und ihre Meinung so artig vorzu¬
bringen, daß ihr Bräutigam uicht dadurch beleidigt werden konnte, so herb auch
der Kern ihrer Rede im Grunde schmecken mußte. War ja doch der leitende
Gedanke kein andrer als der, daß der Millionär seiner Tochter wohl ein genügendes
Vermögen mitgeben könne, daß er es aber nicht wolle, wenn nicht der Schwieger-


Bakchen und Thyrsosträger.

Mustern, eine perfekte Köchin, geschickte Kcnnmcrjungfer, einen nüchternen Kut¬
scher und einen Diener von sechs Fuß Höhe. Das Glück mußte so aussehen,
daß auch die Freundinnen es für ein Glück ansahen. Es mußte gute Gesell¬
schaft mit sich bringen, elegante Damen der höhern Stände, Maler mit genialen
Blicken, die in schwärmerischen Attitüden an ihren Kamin gelehnt standen und
sich um die Ehre stritten, Sylvia malen zu dürfen, Klaviervirtuosen, die auf
ihrem Bechstein die neuesten Kompositionen von Liszt spielten und Sylvia be¬
gleiteten, wenn sie sang „Du meine Seele, du mein Herz," kecke Offiziere, deren
Uniformen auf dem Hintergrunde kapernfarbener Tapeten und Vorhänge
schimmerten und die in den adlichen Kreisen erzählten, der Salon der Frau
Sylvia Frank sei einer der interessantesten und geistreichsten der Stadt.
Und als Krone des Ganzen dachte sie sich ihren Mann, wie er, schön gleich
Apoll, und dazu berühmt gleich Semper, ringsum bestürmt werde, hier
ein Schloß, dort eine Siegessäule zu bauen, während eine unaufhörliche
Flut von Goldstücken als Preis seiner genialen Entwürfe in die Wirtschaft
Ströme.

Es war ihr nicht lieb, daß ihr Bräutigam so sehr bescheidene Ansprüche
machte, und sie wünschte sehr, ihm höhern Schwung zu geben.

Lieber Eduard, sagte sie, ich weiß bestimmt, daß Papa unter diesen Ver¬
hältnissen seine Zustimmung noch nicht geben wird.

Und unter welchen Verhältnissen wird er sie geben?

Sei uicht böse, Eduard, aber Papa sagt so. Papa sagt: Eduard könnte,
wenn er wollte, ein enormes Geschäft machen. Er ist sehr talentvoll und hat
auch großen Fleiß, ich würde ihm gute Empfehlungen geben, und er könnte bald
einer der angesehensten Baumeister sein. Aber. . .

Aber? fragte Eduard mit lebhaftem Erröten.

Aber es ist merkwürdig, sagt Papa, Eduard bringt kein ordentliches Ge¬
schäft zustande, und seine Einnahme ist sehr problematisch. Er ist zu genial,
zu stolz — was weiß ich? Kurz und gut, so spricht Papa, ich kann meine Tochter
nicht heiraten lassen, wenn ich nicht überzeugt bin, daß ihr Mann so gestellt ist,
daß ich ohne Sorge in die Zukunft blicken kann.

Die reizende Sylvia führte diese Anschauung ihres Vaters nun in der liebens¬
würdigen Art und Weise wohlerzogener junger Damen weiter aus, indem sie
ihres Papas Eigenart und Charakter darstellte und zeigte, welch ein tüchtiger
Geschäftsmann er sei und wie zärtlich er zugleich für seine Tochter sorge. Häufig
ihre eigenen Worte und Wendungen wiederholend und sie mit anmutigen Schmeiche¬
leien durchwebend, wußte sie ihr Anliegen und ihre Meinung so artig vorzu¬
bringen, daß ihr Bräutigam uicht dadurch beleidigt werden konnte, so herb auch
der Kern ihrer Rede im Grunde schmecken mußte. War ja doch der leitende
Gedanke kein andrer als der, daß der Millionär seiner Tochter wohl ein genügendes
Vermögen mitgeben könne, daß er es aber nicht wolle, wenn nicht der Schwieger-


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[0422] Bakchen und Thyrsosträger. Mustern, eine perfekte Köchin, geschickte Kcnnmcrjungfer, einen nüchternen Kut¬ scher und einen Diener von sechs Fuß Höhe. Das Glück mußte so aussehen, daß auch die Freundinnen es für ein Glück ansahen. Es mußte gute Gesell¬ schaft mit sich bringen, elegante Damen der höhern Stände, Maler mit genialen Blicken, die in schwärmerischen Attitüden an ihren Kamin gelehnt standen und sich um die Ehre stritten, Sylvia malen zu dürfen, Klaviervirtuosen, die auf ihrem Bechstein die neuesten Kompositionen von Liszt spielten und Sylvia be¬ gleiteten, wenn sie sang „Du meine Seele, du mein Herz," kecke Offiziere, deren Uniformen auf dem Hintergrunde kapernfarbener Tapeten und Vorhänge schimmerten und die in den adlichen Kreisen erzählten, der Salon der Frau Sylvia Frank sei einer der interessantesten und geistreichsten der Stadt. Und als Krone des Ganzen dachte sie sich ihren Mann, wie er, schön gleich Apoll, und dazu berühmt gleich Semper, ringsum bestürmt werde, hier ein Schloß, dort eine Siegessäule zu bauen, während eine unaufhörliche Flut von Goldstücken als Preis seiner genialen Entwürfe in die Wirtschaft Ströme. Es war ihr nicht lieb, daß ihr Bräutigam so sehr bescheidene Ansprüche machte, und sie wünschte sehr, ihm höhern Schwung zu geben. Lieber Eduard, sagte sie, ich weiß bestimmt, daß Papa unter diesen Ver¬ hältnissen seine Zustimmung noch nicht geben wird. Und unter welchen Verhältnissen wird er sie geben? Sei uicht böse, Eduard, aber Papa sagt so. Papa sagt: Eduard könnte, wenn er wollte, ein enormes Geschäft machen. Er ist sehr talentvoll und hat auch großen Fleiß, ich würde ihm gute Empfehlungen geben, und er könnte bald einer der angesehensten Baumeister sein. Aber. . . Aber? fragte Eduard mit lebhaftem Erröten. Aber es ist merkwürdig, sagt Papa, Eduard bringt kein ordentliches Ge¬ schäft zustande, und seine Einnahme ist sehr problematisch. Er ist zu genial, zu stolz — was weiß ich? Kurz und gut, so spricht Papa, ich kann meine Tochter nicht heiraten lassen, wenn ich nicht überzeugt bin, daß ihr Mann so gestellt ist, daß ich ohne Sorge in die Zukunft blicken kann. Die reizende Sylvia führte diese Anschauung ihres Vaters nun in der liebens¬ würdigen Art und Weise wohlerzogener junger Damen weiter aus, indem sie ihres Papas Eigenart und Charakter darstellte und zeigte, welch ein tüchtiger Geschäftsmann er sei und wie zärtlich er zugleich für seine Tochter sorge. Häufig ihre eigenen Worte und Wendungen wiederholend und sie mit anmutigen Schmeiche¬ leien durchwebend, wußte sie ihr Anliegen und ihre Meinung so artig vorzu¬ bringen, daß ihr Bräutigam uicht dadurch beleidigt werden konnte, so herb auch der Kern ihrer Rede im Grunde schmecken mußte. War ja doch der leitende Gedanke kein andrer als der, daß der Millionär seiner Tochter wohl ein genügendes Vermögen mitgeben könne, daß er es aber nicht wolle, wenn nicht der Schwieger-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/422>, abgerufen am 29.06.2024.