Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bakchen und Thyrsosträger.

Wie alt bist du denn schon?

Du denkst es nicht, wie alt ich schon bin. Ich habe meine achtundzwanzig
Jahre, bien sonnses.

Das ist freilich recht alt, sagte Sylvia.

Nun sah ich gestern so eine reizende Wohnung, die ganz für uns passen
würde. Sie liegt ein bischen weit dahinten, weißt du, wo wir neulich auf der
Spazierfahrt die Neu-Anlagen betrachteten, aber höre nur, wie hübsch alles ist:
In der Mitte ein größeres Zimmer mit drei Fenstern Front. Das könnte unser
Salon sein. Auf der einen Seite ein kleines Zimmer, welches dein Boudoir
würde, ans der andern Seite mein Arbeitszimmer. Außerdem noch ein gerciu-
miges Schlafzimmer, eine Küche und was sonst dazu gehört. Das alles für
zweihundert Thaler jährlich. Ich kann es nämlich deshalb so billig bekommen,
weil es noch sehr unvollständig dekorirt ist. Das ist aber gerade ein Vorteil.
Was helfen mir diese schrecklichen, unruhigen Tapeten und all dieser heillose
Kram, den dn so wenig sehen magst wie ich? Das machen wir viel schöner.
Ich habe mit dem Wirt schon darüber gesprochen, und er ist mit allem einver¬
standen. Er giebt mir die Wohnung einfach gelallt, nur die Fußböden natürlich
sind gestrichen. Dann male ich alles höchst eigenhändig. Du bekommst ein
rein pvmpejanisches Gemach, schwarze Tafeln mit phantastischen Tieren in rote
Wände eingelegt, dazwischen blumenumranktc Säulen; der Salon wird... Du
lachst, Sylvia? Beim Zeus, ich rede ernsthaft.

Wie du nur schwärmen kannst, sagte sie mit anmutigen Kopfschütteln. So
thöricht es ist, dir höre ich doch gern zu.

O nein, erwiederte er mit ernstem Gesicht, nenne das nicht schwärmen. Ich
habe den bestimmten Wunsch, bald zu heiraten, ich male mir die Freude in den
hellsten Farben vor, an deiner Seite in stiller Häuslichkeit zu leben und dadurch
erhoben in meinem Beruf wahrhaft Schönes zu wirken. Das ist nichts, was
du thöricht nennen darfst.

Sylvia senkte ihr hübsches Köpfchen.

Das Bild, welches sie sich von der Zukunft machte, war ganz anders, als
Eduard Franks Wünsche und Hoffnungen es erkennen ließen. Sie konnte sich
das Glück in der Hütte zuweilen ganz poetisch vorstellen, besonders wenn sie
die Hütte unter die Tropen verlegte und sich in einem durchsichtigen Musseliu-
gewande in einer Hängematte dachte, sanft im Palmenschatten schaukelnd und
Bananen essend, während Ednard mit breitkrämpigem Strohhut und in einem
Anzug von roher Seide ihr ein buntes Tigerfell als Jagdbeute überbrachte, und
über diese Szene buntschillernde Kolibris in der glühend leuchtenden Sonne hin
und her zuckten gleich kleinen emaillirter Blitzen oder lebendig gewordenem Ju-
welcnschmuck. Aber das Glück in der Wirklichkeit, das Glück in Berlin, mußte
viel solider begründet sein. Es mußte zur Basis eine elegante Wohnung im
fashionablen Stadtteil haben, Teppiche, Sophas, Fauteuils nach modernen


Bakchen und Thyrsosträger.

Wie alt bist du denn schon?

Du denkst es nicht, wie alt ich schon bin. Ich habe meine achtundzwanzig
Jahre, bien sonnses.

Das ist freilich recht alt, sagte Sylvia.

Nun sah ich gestern so eine reizende Wohnung, die ganz für uns passen
würde. Sie liegt ein bischen weit dahinten, weißt du, wo wir neulich auf der
Spazierfahrt die Neu-Anlagen betrachteten, aber höre nur, wie hübsch alles ist:
In der Mitte ein größeres Zimmer mit drei Fenstern Front. Das könnte unser
Salon sein. Auf der einen Seite ein kleines Zimmer, welches dein Boudoir
würde, ans der andern Seite mein Arbeitszimmer. Außerdem noch ein gerciu-
miges Schlafzimmer, eine Küche und was sonst dazu gehört. Das alles für
zweihundert Thaler jährlich. Ich kann es nämlich deshalb so billig bekommen,
weil es noch sehr unvollständig dekorirt ist. Das ist aber gerade ein Vorteil.
Was helfen mir diese schrecklichen, unruhigen Tapeten und all dieser heillose
Kram, den dn so wenig sehen magst wie ich? Das machen wir viel schöner.
Ich habe mit dem Wirt schon darüber gesprochen, und er ist mit allem einver¬
standen. Er giebt mir die Wohnung einfach gelallt, nur die Fußböden natürlich
sind gestrichen. Dann male ich alles höchst eigenhändig. Du bekommst ein
rein pvmpejanisches Gemach, schwarze Tafeln mit phantastischen Tieren in rote
Wände eingelegt, dazwischen blumenumranktc Säulen; der Salon wird... Du
lachst, Sylvia? Beim Zeus, ich rede ernsthaft.

Wie du nur schwärmen kannst, sagte sie mit anmutigen Kopfschütteln. So
thöricht es ist, dir höre ich doch gern zu.

O nein, erwiederte er mit ernstem Gesicht, nenne das nicht schwärmen. Ich
habe den bestimmten Wunsch, bald zu heiraten, ich male mir die Freude in den
hellsten Farben vor, an deiner Seite in stiller Häuslichkeit zu leben und dadurch
erhoben in meinem Beruf wahrhaft Schönes zu wirken. Das ist nichts, was
du thöricht nennen darfst.

Sylvia senkte ihr hübsches Köpfchen.

Das Bild, welches sie sich von der Zukunft machte, war ganz anders, als
Eduard Franks Wünsche und Hoffnungen es erkennen ließen. Sie konnte sich
das Glück in der Hütte zuweilen ganz poetisch vorstellen, besonders wenn sie
die Hütte unter die Tropen verlegte und sich in einem durchsichtigen Musseliu-
gewande in einer Hängematte dachte, sanft im Palmenschatten schaukelnd und
Bananen essend, während Ednard mit breitkrämpigem Strohhut und in einem
Anzug von roher Seide ihr ein buntes Tigerfell als Jagdbeute überbrachte, und
über diese Szene buntschillernde Kolibris in der glühend leuchtenden Sonne hin
und her zuckten gleich kleinen emaillirter Blitzen oder lebendig gewordenem Ju-
welcnschmuck. Aber das Glück in der Wirklichkeit, das Glück in Berlin, mußte
viel solider begründet sein. Es mußte zur Basis eine elegante Wohnung im
fashionablen Stadtteil haben, Teppiche, Sophas, Fauteuils nach modernen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86542"/>
            <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1726"> Wie alt bist du denn schon?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1727"> Du denkst es nicht, wie alt ich schon bin. Ich habe meine achtundzwanzig<lb/>
Jahre, bien sonnses.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1728"> Das ist freilich recht alt, sagte Sylvia.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1729"> Nun sah ich gestern so eine reizende Wohnung, die ganz für uns passen<lb/>
würde. Sie liegt ein bischen weit dahinten, weißt du, wo wir neulich auf der<lb/>
Spazierfahrt die Neu-Anlagen betrachteten, aber höre nur, wie hübsch alles ist:<lb/>
In der Mitte ein größeres Zimmer mit drei Fenstern Front. Das könnte unser<lb/>
Salon sein. Auf der einen Seite ein kleines Zimmer, welches dein Boudoir<lb/>
würde, ans der andern Seite mein Arbeitszimmer. Außerdem noch ein gerciu-<lb/>
miges Schlafzimmer, eine Küche und was sonst dazu gehört. Das alles für<lb/>
zweihundert Thaler jährlich. Ich kann es nämlich deshalb so billig bekommen,<lb/>
weil es noch sehr unvollständig dekorirt ist. Das ist aber gerade ein Vorteil.<lb/>
Was helfen mir diese schrecklichen, unruhigen Tapeten und all dieser heillose<lb/>
Kram, den dn so wenig sehen magst wie ich? Das machen wir viel schöner.<lb/>
Ich habe mit dem Wirt schon darüber gesprochen, und er ist mit allem einver¬<lb/>
standen. Er giebt mir die Wohnung einfach gelallt, nur die Fußböden natürlich<lb/>
sind gestrichen. Dann male ich alles höchst eigenhändig. Du bekommst ein<lb/>
rein pvmpejanisches Gemach, schwarze Tafeln mit phantastischen Tieren in rote<lb/>
Wände eingelegt, dazwischen blumenumranktc Säulen; der Salon wird... Du<lb/>
lachst, Sylvia? Beim Zeus, ich rede ernsthaft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1730"> Wie du nur schwärmen kannst, sagte sie mit anmutigen Kopfschütteln. So<lb/>
thöricht es ist, dir höre ich doch gern zu.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1731"> O nein, erwiederte er mit ernstem Gesicht, nenne das nicht schwärmen. Ich<lb/>
habe den bestimmten Wunsch, bald zu heiraten, ich male mir die Freude in den<lb/>
hellsten Farben vor, an deiner Seite in stiller Häuslichkeit zu leben und dadurch<lb/>
erhoben in meinem Beruf wahrhaft Schönes zu wirken. Das ist nichts, was<lb/>
du thöricht nennen darfst.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1732"> Sylvia senkte ihr hübsches Köpfchen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1733" next="#ID_1734"> Das Bild, welches sie sich von der Zukunft machte, war ganz anders, als<lb/>
Eduard Franks Wünsche und Hoffnungen es erkennen ließen. Sie konnte sich<lb/>
das Glück in der Hütte zuweilen ganz poetisch vorstellen, besonders wenn sie<lb/>
die Hütte unter die Tropen verlegte und sich in einem durchsichtigen Musseliu-<lb/>
gewande in einer Hängematte dachte, sanft im Palmenschatten schaukelnd und<lb/>
Bananen essend, während Ednard mit breitkrämpigem Strohhut und in einem<lb/>
Anzug von roher Seide ihr ein buntes Tigerfell als Jagdbeute überbrachte, und<lb/>
über diese Szene buntschillernde Kolibris in der glühend leuchtenden Sonne hin<lb/>
und her zuckten gleich kleinen emaillirter Blitzen oder lebendig gewordenem Ju-<lb/>
welcnschmuck. Aber das Glück in der Wirklichkeit, das Glück in Berlin, mußte<lb/>
viel solider begründet sein. Es mußte zur Basis eine elegante Wohnung im<lb/>
fashionablen Stadtteil haben, Teppiche, Sophas, Fauteuils nach modernen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0421] Bakchen und Thyrsosträger. Wie alt bist du denn schon? Du denkst es nicht, wie alt ich schon bin. Ich habe meine achtundzwanzig Jahre, bien sonnses. Das ist freilich recht alt, sagte Sylvia. Nun sah ich gestern so eine reizende Wohnung, die ganz für uns passen würde. Sie liegt ein bischen weit dahinten, weißt du, wo wir neulich auf der Spazierfahrt die Neu-Anlagen betrachteten, aber höre nur, wie hübsch alles ist: In der Mitte ein größeres Zimmer mit drei Fenstern Front. Das könnte unser Salon sein. Auf der einen Seite ein kleines Zimmer, welches dein Boudoir würde, ans der andern Seite mein Arbeitszimmer. Außerdem noch ein gerciu- miges Schlafzimmer, eine Küche und was sonst dazu gehört. Das alles für zweihundert Thaler jährlich. Ich kann es nämlich deshalb so billig bekommen, weil es noch sehr unvollständig dekorirt ist. Das ist aber gerade ein Vorteil. Was helfen mir diese schrecklichen, unruhigen Tapeten und all dieser heillose Kram, den dn so wenig sehen magst wie ich? Das machen wir viel schöner. Ich habe mit dem Wirt schon darüber gesprochen, und er ist mit allem einver¬ standen. Er giebt mir die Wohnung einfach gelallt, nur die Fußböden natürlich sind gestrichen. Dann male ich alles höchst eigenhändig. Du bekommst ein rein pvmpejanisches Gemach, schwarze Tafeln mit phantastischen Tieren in rote Wände eingelegt, dazwischen blumenumranktc Säulen; der Salon wird... Du lachst, Sylvia? Beim Zeus, ich rede ernsthaft. Wie du nur schwärmen kannst, sagte sie mit anmutigen Kopfschütteln. So thöricht es ist, dir höre ich doch gern zu. O nein, erwiederte er mit ernstem Gesicht, nenne das nicht schwärmen. Ich habe den bestimmten Wunsch, bald zu heiraten, ich male mir die Freude in den hellsten Farben vor, an deiner Seite in stiller Häuslichkeit zu leben und dadurch erhoben in meinem Beruf wahrhaft Schönes zu wirken. Das ist nichts, was du thöricht nennen darfst. Sylvia senkte ihr hübsches Köpfchen. Das Bild, welches sie sich von der Zukunft machte, war ganz anders, als Eduard Franks Wünsche und Hoffnungen es erkennen ließen. Sie konnte sich das Glück in der Hütte zuweilen ganz poetisch vorstellen, besonders wenn sie die Hütte unter die Tropen verlegte und sich in einem durchsichtigen Musseliu- gewande in einer Hängematte dachte, sanft im Palmenschatten schaukelnd und Bananen essend, während Ednard mit breitkrämpigem Strohhut und in einem Anzug von roher Seide ihr ein buntes Tigerfell als Jagdbeute überbrachte, und über diese Szene buntschillernde Kolibris in der glühend leuchtenden Sonne hin und her zuckten gleich kleinen emaillirter Blitzen oder lebendig gewordenem Ju- welcnschmuck. Aber das Glück in der Wirklichkeit, das Glück in Berlin, mußte viel solider begründet sein. Es mußte zur Basis eine elegante Wohnung im fashionablen Stadtteil haben, Teppiche, Sophas, Fauteuils nach modernen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/421
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/421>, abgerufen am 29.06.2024.