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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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wcisili Mereschcigin,

einer verderblichen, kriegerischen Politik, die abgewirtschaftet hat! Die unsrige
ist eine andre, eine friedlichere!" Es kommt nur darauf an, wer zuerst Kapital
aus diesem Stoffe schlägt, der sich auf beiden Seiten trage" läßt.

Als Wercschagin "och zu Göröme i" nähern Beziehungen stand, malte
dieser ein Bild, welches die Thüre der Moschee El Asscmehn in Kairo mit den
Köpfen Hingerichteter Beys darstellte. Das war ein Gegenstand nach Were-
schagius Herzen. Da erwachte auch in ihm der Thatendrang, lind als General
Kaufmann im Jahre 1867 seine Expedition nach Turkestan unternahm, folgte
Wereschagin seiner Einladung. Damit hebt die erste Periode seiner Thätigkeit
an. Er lebte während derselben nicht nur seinen Studien, sondern that sich
auch durch Tapferkeit hervor. In Samarkand war er mit einer kleinen Ab¬
teilung von Soldaten eingeschlossen worden, wußte sich aber durch Mut und
Geistesgegenwart durchzuschlagen und der Gefahr zu entziehen. Mit größtem
Eifer studirte er die merkwürdigen Bauwerke aus den Zeiten der mongolische!?
Herrschaft und prägte sie seinem Gedächtnis ein. Ende 1868 kehrte er wieder
nach Paris zurück, um schon im folgenden Jahre eine Reise bis zur sibirischen
Grenze anzutreten.

1870 ließ er sich in München nieder, um die Früchte seiner tnrkestanischen
Studien einzubringen. Schon damals suchte er mit Vorliebe die Nachtseiten des
Krieges auf, und es mag ihm allerdings die turkestanische Expedition und der
Anblick der von den barbarischen Horden Asiens verübte" Greuelthaten reichen
Stoff geboten haben. Nur verstand General Kaufmann keinen Spaß, sobald
sich Wereschagin in seinen Skizzen und Gemälden eine Kritik der Heeresleitung
erlaubte. So stellte er auf einem der tnrkestanischen Bilder ein ödes Feld
dar, auf welchem der Leichnam eines rassischen Soldaten lag, über den sich
die Raben eben hermachen wollte". Von der Sonne zur Mumie ausgetrocknet,
hielt der Soldat mit seiner dürren Hand noch krampfhaft den Lauf seines Ge¬
wehres gefaßt, während die gefräßigen Vogel über seinem Kopfe flatterten.
Als General Kaufmann diese Scene des Schreckens sah, sagte er kurz und
bündig: "Das ist ein unmögliches Bild. Die russische Armee hat niemals
einen Leichnam den Vögeln des Himmels zu"? Fraße überlassen." Were¬
schagin schien die Wahrheit dieses Ausspruchs eingesehen zu haben, denn er
verbrannte das Bild.

In München kam der russische Maler auch mit Theodor Horschclt in Be¬
rührung, der, wie er, den Kaukasus und Armenien bereist und den letzten
Krieg gegen Schamyl mitgemacht hatte. Horschelts kaukasische Völterstudieu,
seine Kosaken und Tscherkessen, sind Meisterwerke feiner Beobachtung und
charakteristischer Wiedergabe. Es ist unverkennbar, daß seine Art, scharf zu
sehen und zu charakterisiren, ans Wcrcschagiu von Einfluß gewesen ist. Die
Reihe von Bildern, welche er in München in Horschelts Atelier, das er nach
dessen Tode bezogen, ausgeführt hat, sind im Tone viel kräftiger und dunkler


wcisili Mereschcigin,

einer verderblichen, kriegerischen Politik, die abgewirtschaftet hat! Die unsrige
ist eine andre, eine friedlichere!" Es kommt nur darauf an, wer zuerst Kapital
aus diesem Stoffe schlägt, der sich auf beiden Seiten trage» läßt.

Als Wercschagin »och zu Göröme i» nähern Beziehungen stand, malte
dieser ein Bild, welches die Thüre der Moschee El Asscmehn in Kairo mit den
Köpfen Hingerichteter Beys darstellte. Das war ein Gegenstand nach Were-
schagius Herzen. Da erwachte auch in ihm der Thatendrang, lind als General
Kaufmann im Jahre 1867 seine Expedition nach Turkestan unternahm, folgte
Wereschagin seiner Einladung. Damit hebt die erste Periode seiner Thätigkeit
an. Er lebte während derselben nicht nur seinen Studien, sondern that sich
auch durch Tapferkeit hervor. In Samarkand war er mit einer kleinen Ab¬
teilung von Soldaten eingeschlossen worden, wußte sich aber durch Mut und
Geistesgegenwart durchzuschlagen und der Gefahr zu entziehen. Mit größtem
Eifer studirte er die merkwürdigen Bauwerke aus den Zeiten der mongolische!?
Herrschaft und prägte sie seinem Gedächtnis ein. Ende 1868 kehrte er wieder
nach Paris zurück, um schon im folgenden Jahre eine Reise bis zur sibirischen
Grenze anzutreten.

1870 ließ er sich in München nieder, um die Früchte seiner tnrkestanischen
Studien einzubringen. Schon damals suchte er mit Vorliebe die Nachtseiten des
Krieges auf, und es mag ihm allerdings die turkestanische Expedition und der
Anblick der von den barbarischen Horden Asiens verübte» Greuelthaten reichen
Stoff geboten haben. Nur verstand General Kaufmann keinen Spaß, sobald
sich Wereschagin in seinen Skizzen und Gemälden eine Kritik der Heeresleitung
erlaubte. So stellte er auf einem der tnrkestanischen Bilder ein ödes Feld
dar, auf welchem der Leichnam eines rassischen Soldaten lag, über den sich
die Raben eben hermachen wollte». Von der Sonne zur Mumie ausgetrocknet,
hielt der Soldat mit seiner dürren Hand noch krampfhaft den Lauf seines Ge¬
wehres gefaßt, während die gefräßigen Vogel über seinem Kopfe flatterten.
Als General Kaufmann diese Scene des Schreckens sah, sagte er kurz und
bündig: „Das ist ein unmögliches Bild. Die russische Armee hat niemals
einen Leichnam den Vögeln des Himmels zu»? Fraße überlassen." Were¬
schagin schien die Wahrheit dieses Ausspruchs eingesehen zu haben, denn er
verbrannte das Bild.

In München kam der russische Maler auch mit Theodor Horschclt in Be¬
rührung, der, wie er, den Kaukasus und Armenien bereist und den letzten
Krieg gegen Schamyl mitgemacht hatte. Horschelts kaukasische Völterstudieu,
seine Kosaken und Tscherkessen, sind Meisterwerke feiner Beobachtung und
charakteristischer Wiedergabe. Es ist unverkennbar, daß seine Art, scharf zu
sehen und zu charakterisiren, ans Wcrcschagiu von Einfluß gewesen ist. Die
Reihe von Bildern, welche er in München in Horschelts Atelier, das er nach
dessen Tode bezogen, ausgeführt hat, sind im Tone viel kräftiger und dunkler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/404>, abgerufen am 29.06.2024.