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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und ThyrsostrAger,

die Flecken im Teppich, noch auf die Löcher im Vorhang, noch auf ihre eigne
Toilette, die stets ein Muster von Ungeschmack war. Wenn ihr Gatte, wie er
wohl einige Male gethan, sich erbot, die alten Möbel fortschaffen zu lassen und
eine elegante Einrichtung zu bestellen, so behauptete Frau Rahel Irrwisch, daß
er ein kurzsichtiger Verschwender sei, der sein Geld in kostbare und überflüssige
Dinge stecke, anstatt es für künftige Zeiten zu sparen, und niemals anerkenne,
welcher Segen für ihn eine Frau sei, welche zu sparen wisse, welche nicht gleich
so vielen andern Frauen in Sammt, Gold, Spitzen und Diamanten, sowie
in phantastischer Ausstattung ihrer Zimmer ein Vermögen vergeude, sondern
bescheiden und einfach sich mit einer Garderobe und Einrichtung begnüge, die
kaum der einfachsten Handwerkerfrau anständig erscheine.

Gegenwärtig war Frau Rahel damit beschäftigt, uach dem Ausweise ihres
Wirtschaftsbuches die Bestände ihrer Speisekammer zu kvntrvliren und nebenbei
scharfe Blicke auf ihrer Tochter Anzug zu werfen.

Weshalb trägst du dein gutes schottisches Morgenkleid im Hause, Sylvia?
fragte sie.

Fräulein Sylvia heftete einen gleichgiltigen Blick ihrer klugen schwarzen
Allgen ans ihrer Mutter Gesicht, fuhr fort an ihrer Stickerei zu arbeiten und
sagte mit spitzem Ton: Meinst du, ich sollte es auf der Gasse tragen? Oder
auf dem Subskriptionsball?

Die Mutter seufzte und schwieg eine Weile, fing dann aber, nachdem sie
berechnet hatte, wie viel Geld sie im Laufe des Monats für Eier ausgegeben,
eine neue Klage an.

Es geht nicht mehr so im Hanse, sagte sie, die Verschwendung ist zu groß.
Ich begreife nicht, wie es möglich ist, daß nur noch eine Mandel Eier da sind.
Wer ißt sie nur? Sollten die Domestiken Nachschlüssel zur Speisekammer haben?

Ziemlich lange hörte Sylvia dieser noch weiter ausgesponnenen und von
Seufzern unterbrochenen Rede zu, ohne ihrerseits ein Wort hinzuzuthun. Dann
aber sagte sie in ruhigem Tone: Ich begreife nicht, Mutter, wie du so sein kannst.
Dii weißt recht gut, daß bei einem Haushalt wie dem unsrigen sich die Aus¬
gaben nach Tausenden bemessen und notwendig bemessen müssen, und daß es
dabei auf ein paar hundert Thaler, die erspart oder mehr ausgegeben werden,
gar nicht ankommt. Und dabei wirst du nicht müde, immer wieder über zehn
Pfennige zu jammern und zu stöhnen. Wir haben fünf Domestiken, und das
ist auch für dies Haus nicht zu viel, eher zu wenig. Wie kannst du nur auf
die Idee kommeu, dabei die Eier zu zählen? Was ist die Folge von dieser
Sparsamkeit am unrechten Fleck? Unsre Domestiken laufen alle Quartale davon,
und die neuen sind immer schlechter als die alten. Du sparst am Essen und
Trinken, und die Folge davon ist, daß Papa kaum einmal in der Woche zu
Hause ißt. Du sparst fünf Groschen, und Papa dinirt während der Zeit auswärts
für fünf Thaler,


Bakchen und ThyrsostrAger,

die Flecken im Teppich, noch auf die Löcher im Vorhang, noch auf ihre eigne
Toilette, die stets ein Muster von Ungeschmack war. Wenn ihr Gatte, wie er
wohl einige Male gethan, sich erbot, die alten Möbel fortschaffen zu lassen und
eine elegante Einrichtung zu bestellen, so behauptete Frau Rahel Irrwisch, daß
er ein kurzsichtiger Verschwender sei, der sein Geld in kostbare und überflüssige
Dinge stecke, anstatt es für künftige Zeiten zu sparen, und niemals anerkenne,
welcher Segen für ihn eine Frau sei, welche zu sparen wisse, welche nicht gleich
so vielen andern Frauen in Sammt, Gold, Spitzen und Diamanten, sowie
in phantastischer Ausstattung ihrer Zimmer ein Vermögen vergeude, sondern
bescheiden und einfach sich mit einer Garderobe und Einrichtung begnüge, die
kaum der einfachsten Handwerkerfrau anständig erscheine.

Gegenwärtig war Frau Rahel damit beschäftigt, uach dem Ausweise ihres
Wirtschaftsbuches die Bestände ihrer Speisekammer zu kvntrvliren und nebenbei
scharfe Blicke auf ihrer Tochter Anzug zu werfen.

Weshalb trägst du dein gutes schottisches Morgenkleid im Hause, Sylvia?
fragte sie.

Fräulein Sylvia heftete einen gleichgiltigen Blick ihrer klugen schwarzen
Allgen ans ihrer Mutter Gesicht, fuhr fort an ihrer Stickerei zu arbeiten und
sagte mit spitzem Ton: Meinst du, ich sollte es auf der Gasse tragen? Oder
auf dem Subskriptionsball?

Die Mutter seufzte und schwieg eine Weile, fing dann aber, nachdem sie
berechnet hatte, wie viel Geld sie im Laufe des Monats für Eier ausgegeben,
eine neue Klage an.

Es geht nicht mehr so im Hanse, sagte sie, die Verschwendung ist zu groß.
Ich begreife nicht, wie es möglich ist, daß nur noch eine Mandel Eier da sind.
Wer ißt sie nur? Sollten die Domestiken Nachschlüssel zur Speisekammer haben?

Ziemlich lange hörte Sylvia dieser noch weiter ausgesponnenen und von
Seufzern unterbrochenen Rede zu, ohne ihrerseits ein Wort hinzuzuthun. Dann
aber sagte sie in ruhigem Tone: Ich begreife nicht, Mutter, wie du so sein kannst.
Dii weißt recht gut, daß bei einem Haushalt wie dem unsrigen sich die Aus¬
gaben nach Tausenden bemessen und notwendig bemessen müssen, und daß es
dabei auf ein paar hundert Thaler, die erspart oder mehr ausgegeben werden,
gar nicht ankommt. Und dabei wirst du nicht müde, immer wieder über zehn
Pfennige zu jammern und zu stöhnen. Wir haben fünf Domestiken, und das
ist auch für dies Haus nicht zu viel, eher zu wenig. Wie kannst du nur auf
die Idee kommeu, dabei die Eier zu zählen? Was ist die Folge von dieser
Sparsamkeit am unrechten Fleck? Unsre Domestiken laufen alle Quartale davon,
und die neuen sind immer schlechter als die alten. Du sparst am Essen und
Trinken, und die Folge davon ist, daß Papa kaum einmal in der Woche zu
Hause ißt. Du sparst fünf Groschen, und Papa dinirt während der Zeit auswärts
für fünf Thaler,


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[0366] Bakchen und ThyrsostrAger, die Flecken im Teppich, noch auf die Löcher im Vorhang, noch auf ihre eigne Toilette, die stets ein Muster von Ungeschmack war. Wenn ihr Gatte, wie er wohl einige Male gethan, sich erbot, die alten Möbel fortschaffen zu lassen und eine elegante Einrichtung zu bestellen, so behauptete Frau Rahel Irrwisch, daß er ein kurzsichtiger Verschwender sei, der sein Geld in kostbare und überflüssige Dinge stecke, anstatt es für künftige Zeiten zu sparen, und niemals anerkenne, welcher Segen für ihn eine Frau sei, welche zu sparen wisse, welche nicht gleich so vielen andern Frauen in Sammt, Gold, Spitzen und Diamanten, sowie in phantastischer Ausstattung ihrer Zimmer ein Vermögen vergeude, sondern bescheiden und einfach sich mit einer Garderobe und Einrichtung begnüge, die kaum der einfachsten Handwerkerfrau anständig erscheine. Gegenwärtig war Frau Rahel damit beschäftigt, uach dem Ausweise ihres Wirtschaftsbuches die Bestände ihrer Speisekammer zu kvntrvliren und nebenbei scharfe Blicke auf ihrer Tochter Anzug zu werfen. Weshalb trägst du dein gutes schottisches Morgenkleid im Hause, Sylvia? fragte sie. Fräulein Sylvia heftete einen gleichgiltigen Blick ihrer klugen schwarzen Allgen ans ihrer Mutter Gesicht, fuhr fort an ihrer Stickerei zu arbeiten und sagte mit spitzem Ton: Meinst du, ich sollte es auf der Gasse tragen? Oder auf dem Subskriptionsball? Die Mutter seufzte und schwieg eine Weile, fing dann aber, nachdem sie berechnet hatte, wie viel Geld sie im Laufe des Monats für Eier ausgegeben, eine neue Klage an. Es geht nicht mehr so im Hanse, sagte sie, die Verschwendung ist zu groß. Ich begreife nicht, wie es möglich ist, daß nur noch eine Mandel Eier da sind. Wer ißt sie nur? Sollten die Domestiken Nachschlüssel zur Speisekammer haben? Ziemlich lange hörte Sylvia dieser noch weiter ausgesponnenen und von Seufzern unterbrochenen Rede zu, ohne ihrerseits ein Wort hinzuzuthun. Dann aber sagte sie in ruhigem Tone: Ich begreife nicht, Mutter, wie du so sein kannst. Dii weißt recht gut, daß bei einem Haushalt wie dem unsrigen sich die Aus¬ gaben nach Tausenden bemessen und notwendig bemessen müssen, und daß es dabei auf ein paar hundert Thaler, die erspart oder mehr ausgegeben werden, gar nicht ankommt. Und dabei wirst du nicht müde, immer wieder über zehn Pfennige zu jammern und zu stöhnen. Wir haben fünf Domestiken, und das ist auch für dies Haus nicht zu viel, eher zu wenig. Wie kannst du nur auf die Idee kommeu, dabei die Eier zu zählen? Was ist die Folge von dieser Sparsamkeit am unrechten Fleck? Unsre Domestiken laufen alle Quartale davon, und die neuen sind immer schlechter als die alten. Du sparst am Essen und Trinken, und die Folge davon ist, daß Papa kaum einmal in der Woche zu Hause ißt. Du sparst fünf Groschen, und Papa dinirt während der Zeit auswärts für fünf Thaler,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/366>, abgerufen am 29.06.2024.