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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Magyaren und Deutsche.

und Deutschen, als daß man nicht dahin wirken sollte, deren Kenntnis in weitere
Kreise zu tragen.

Es ist allemal ein parlamentarisches Fest, wenn die Unbotmäßigkeit der
deutschen Bewohner Ungarns auf der Tagesordnung steht, denn da ergiebt sich
innigste Übereinstimmung zwischen der Regierung und den Äußerstlinkischen. So
auch diesmal, und Herr von Tisza versäumte nicht, sich auf das Zeugnis derselben
ausgezeichneten Politiker zu berufe", welche am Tage vorher die Demolirung
des Denkmals für den heldenmütigen Verteidiger Ofens, General Hentzi, ge¬
fordert hatten, und in deren Augen die schwarzgelbe Fahne auf der Königs-
burg eine Bedrohung der ungarischen Freiheit ist. Diese magyarischen Fort-
schrittsmcinncr sind aber wenigstens aufrichtig. Als der siebenbürger Sachse
Gull erklärte, das Gesetz zum Schutze der Nationalitäten im Lande existire nur
ans dem Papier, riefen sie ihm zu, das sei ganz in der Ordnung. Tisza aber


hat dasselbe g'sagt,
er hat nur anders gcred't/

Keine Verfolgung der Deutschen, beileibe nicht, nur "Achtung vor dem unga¬
rischen Staatsgedanken" fordert er, darum sollen die Sachsen diejenigen aus-
stoßen, welche die ungarische Staatsidee angreifen. Die Sachsen in Sieben¬
bürgen genössen viel mehr nationale Freiheiten als die Franzosen im Elsaß.
Die Regierung habe keine deutsche Volksschule sperren lassen; wenn die Zahl
der letzter" sich vermindere, so sei das ein Zeichen der Entwicklung des nationalen
Lebens. Auf die Klage des Deutschen Schulvcreius, daß es in Ungarn keine
deutsche Universität mehr gebe, antwortete der Minister, es sei nicht die Ausgabe
der ungarischen Nation, für die mächtige n"d reiche deutsche Ratio" a"f eigne
Kosten eine Universität zu errichten. Ungar" gehöre den Ungarn. Desider Szilngyi
sekundirte dein Minister würdig mit der beliebten Verdächtigung, die Sachsen er¬
sehnten die Vereinigung mit der große" deutschen Nation.

In Wahrheit, schlechter kaun man eine schlechte Sache nicht vertreten! Die
Jnsinuatio" des Herrn Szilaghi ist so außerordentlich abgeschmackt, daß man
ihr gegenüber gar nicht auf die tausendfach bewährte und anerkannte Treue
des sächsischen Volksstammes, sondern nur auf den kleinen Umstand hinzuweisen
braucht, daß das von diesem in Gemeinschaft mit Szcklern und Walache" be-
wohnte Land hundert geographische Meilen von dem nächsten Orte des Dentschen
Reiches entfernt ist. Wen" aber das Bemühen, in geistigem Zusammenhange
mit dem Mutterlande zu bleiben, gegenwärtig lebhafter hervortreten sollte als
früher, so brauchten die Herren nicht erst nach den: Grunde zu frage". Wer nur
sehen will, dem liegt er klar vor Augen. Den so glücklich gewählten Vergleich
mit dem Elsaß zu kntisiren, wäre vollends überflüssig. Wir glaube", der vor¬
sichtige Tisza wird ihn längst bereut haben. Auch auf das Fechterkuuststück,
sich darauf zu berufen, daß die Regierung keine deutschen Schulen geschlossen
habe, hat er nicht Ursache, stolz zu sei". Nein, direkt hat sie das nicht gethan,


Magyaren und Deutsche.

und Deutschen, als daß man nicht dahin wirken sollte, deren Kenntnis in weitere
Kreise zu tragen.

Es ist allemal ein parlamentarisches Fest, wenn die Unbotmäßigkeit der
deutschen Bewohner Ungarns auf der Tagesordnung steht, denn da ergiebt sich
innigste Übereinstimmung zwischen der Regierung und den Äußerstlinkischen. So
auch diesmal, und Herr von Tisza versäumte nicht, sich auf das Zeugnis derselben
ausgezeichneten Politiker zu berufe», welche am Tage vorher die Demolirung
des Denkmals für den heldenmütigen Verteidiger Ofens, General Hentzi, ge¬
fordert hatten, und in deren Augen die schwarzgelbe Fahne auf der Königs-
burg eine Bedrohung der ungarischen Freiheit ist. Diese magyarischen Fort-
schrittsmcinncr sind aber wenigstens aufrichtig. Als der siebenbürger Sachse
Gull erklärte, das Gesetz zum Schutze der Nationalitäten im Lande existire nur
ans dem Papier, riefen sie ihm zu, das sei ganz in der Ordnung. Tisza aber


hat dasselbe g'sagt,
er hat nur anders gcred't/

Keine Verfolgung der Deutschen, beileibe nicht, nur „Achtung vor dem unga¬
rischen Staatsgedanken" fordert er, darum sollen die Sachsen diejenigen aus-
stoßen, welche die ungarische Staatsidee angreifen. Die Sachsen in Sieben¬
bürgen genössen viel mehr nationale Freiheiten als die Franzosen im Elsaß.
Die Regierung habe keine deutsche Volksschule sperren lassen; wenn die Zahl
der letzter» sich vermindere, so sei das ein Zeichen der Entwicklung des nationalen
Lebens. Auf die Klage des Deutschen Schulvcreius, daß es in Ungarn keine
deutsche Universität mehr gebe, antwortete der Minister, es sei nicht die Ausgabe
der ungarischen Nation, für die mächtige n»d reiche deutsche Ratio» a»f eigne
Kosten eine Universität zu errichten. Ungar» gehöre den Ungarn. Desider Szilngyi
sekundirte dein Minister würdig mit der beliebten Verdächtigung, die Sachsen er¬
sehnten die Vereinigung mit der große» deutschen Nation.

In Wahrheit, schlechter kaun man eine schlechte Sache nicht vertreten! Die
Jnsinuatio» des Herrn Szilaghi ist so außerordentlich abgeschmackt, daß man
ihr gegenüber gar nicht auf die tausendfach bewährte und anerkannte Treue
des sächsischen Volksstammes, sondern nur auf den kleinen Umstand hinzuweisen
braucht, daß das von diesem in Gemeinschaft mit Szcklern und Walache» be-
wohnte Land hundert geographische Meilen von dem nächsten Orte des Dentschen
Reiches entfernt ist. Wen» aber das Bemühen, in geistigem Zusammenhange
mit dem Mutterlande zu bleiben, gegenwärtig lebhafter hervortreten sollte als
früher, so brauchten die Herren nicht erst nach den: Grunde zu frage». Wer nur
sehen will, dem liegt er klar vor Augen. Den so glücklich gewählten Vergleich
mit dem Elsaß zu kntisiren, wäre vollends überflüssig. Wir glaube», der vor¬
sichtige Tisza wird ihn längst bereut haben. Auch auf das Fechterkuuststück,
sich darauf zu berufen, daß die Regierung keine deutschen Schulen geschlossen
habe, hat er nicht Ursache, stolz zu sei». Nein, direkt hat sie das nicht gethan,


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[0358] Magyaren und Deutsche. und Deutschen, als daß man nicht dahin wirken sollte, deren Kenntnis in weitere Kreise zu tragen. Es ist allemal ein parlamentarisches Fest, wenn die Unbotmäßigkeit der deutschen Bewohner Ungarns auf der Tagesordnung steht, denn da ergiebt sich innigste Übereinstimmung zwischen der Regierung und den Äußerstlinkischen. So auch diesmal, und Herr von Tisza versäumte nicht, sich auf das Zeugnis derselben ausgezeichneten Politiker zu berufe», welche am Tage vorher die Demolirung des Denkmals für den heldenmütigen Verteidiger Ofens, General Hentzi, ge¬ fordert hatten, und in deren Augen die schwarzgelbe Fahne auf der Königs- burg eine Bedrohung der ungarischen Freiheit ist. Diese magyarischen Fort- schrittsmcinncr sind aber wenigstens aufrichtig. Als der siebenbürger Sachse Gull erklärte, das Gesetz zum Schutze der Nationalitäten im Lande existire nur ans dem Papier, riefen sie ihm zu, das sei ganz in der Ordnung. Tisza aber hat dasselbe g'sagt, er hat nur anders gcred't/ Keine Verfolgung der Deutschen, beileibe nicht, nur „Achtung vor dem unga¬ rischen Staatsgedanken" fordert er, darum sollen die Sachsen diejenigen aus- stoßen, welche die ungarische Staatsidee angreifen. Die Sachsen in Sieben¬ bürgen genössen viel mehr nationale Freiheiten als die Franzosen im Elsaß. Die Regierung habe keine deutsche Volksschule sperren lassen; wenn die Zahl der letzter» sich vermindere, so sei das ein Zeichen der Entwicklung des nationalen Lebens. Auf die Klage des Deutschen Schulvcreius, daß es in Ungarn keine deutsche Universität mehr gebe, antwortete der Minister, es sei nicht die Ausgabe der ungarischen Nation, für die mächtige n»d reiche deutsche Ratio» a»f eigne Kosten eine Universität zu errichten. Ungar» gehöre den Ungarn. Desider Szilngyi sekundirte dein Minister würdig mit der beliebten Verdächtigung, die Sachsen er¬ sehnten die Vereinigung mit der große» deutschen Nation. In Wahrheit, schlechter kaun man eine schlechte Sache nicht vertreten! Die Jnsinuatio» des Herrn Szilaghi ist so außerordentlich abgeschmackt, daß man ihr gegenüber gar nicht auf die tausendfach bewährte und anerkannte Treue des sächsischen Volksstammes, sondern nur auf den kleinen Umstand hinzuweisen braucht, daß das von diesem in Gemeinschaft mit Szcklern und Walache» be- wohnte Land hundert geographische Meilen von dem nächsten Orte des Dentschen Reiches entfernt ist. Wen» aber das Bemühen, in geistigem Zusammenhange mit dem Mutterlande zu bleiben, gegenwärtig lebhafter hervortreten sollte als früher, so brauchten die Herren nicht erst nach den: Grunde zu frage». Wer nur sehen will, dem liegt er klar vor Augen. Den so glücklich gewählten Vergleich mit dem Elsaß zu kntisiren, wäre vollends überflüssig. Wir glaube», der vor¬ sichtige Tisza wird ihn längst bereut haben. Auch auf das Fechterkuuststück, sich darauf zu berufen, daß die Regierung keine deutschen Schulen geschlossen habe, hat er nicht Ursache, stolz zu sei». Nein, direkt hat sie das nicht gethan,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/358>, abgerufen am 29.06.2024.