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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

Wissenschaft entrissen; seine Aufgabe liegt jetzt einem tüchtigen Kenner etruskischen
Altertums und etruskischer Kunst ob, Professor Körte in Rostock. Von der Samm¬
lung der etruskischen Sarkophage, die durch ihre meist der griechische" Mythologie
entnommenen, obgleich vielfach mit etruskischen Religionsvorstellungen verquickte"
Reliefs ein hohes Interesse darbieten, ist der erste Band erschienen, bearbeitet
von Heinr. Brunn: I riliovi äsllö ums otrusons (Rom, 1870); das Er¬
scheinen des zweiten Bandes steht, dem Vernehmen nach, nahe bevor. Seit
längerer Zeit vorbereitet ist sodann das große Corpus der römischen Sarko-
phagrclicfs. Ursprünglich ein Plan O. Jahns, wurde die außerordentlich um¬
fassende Aufgabe nach Jahns Tode seinem hochbegabten Schüler Fr. Matz an¬
vertraut, welcher in Gemeinschaft mit dem tüchtigen Zeichner des Instituts,
E. Eichler, eifrigst mit der Sammlung von Beschreilnmge" und Zeichnungen der
überall verstreuten Sarkophage beschäftigt war. Nachdem auch Matz noch in
jugendlichem Alter Beute eines frühen Todes wurde, übernahm für einige Zeit
A. Michaelis, dünn A. Conze die Leitung des Unternehmens, bis dasselbe
endlich neuerdings in die Hände C. Roberts übergegangen ist, von dessen
Rührigkeit man wohl eine eifrige Förderung der so wichtigen Aufgabe erwarte"
darf. Den" die Kunstwerke, um die es sich hierbei handelt, gehören zwar sämmtlich
erst einer späten Epoche der Kunst an, der der Kaiserzeit; aber sie enthalte"
nicht nur einen sehr reiche" Schatz von Motive" früherer Kunst, die in die
Musterbücher der mit Herstellung der Sarkophage beschäftigten Steinmetzen über¬
gegangen waren, sonder" sind auch eine außerordentlich wertvolle Quelle für unsre
Kenntnis von griechischer Sage und Poesie, sowie von dein Privatleben, weil
man diese Prnnksärge mit allerlei mythische" Szene", nieist rin Anlehnung an
Tragödie" oder Epen, oder mit Szenen des täglichen Lebens u. s. w. schmückte.

Nicht minder bedeutungsvoll ist die ebenfalls seit längeren Jahren in Vor¬
bereitung befindliche Sammlung der griechischen Grabreliefs, welche von der
Wiener Akademie in Angriff genommen ""d A. Conze, dem auch das Ver¬
dienst der Anregung gebührt, anvertraut ist. Handelt es sich hier auch nicht
um die gleiche Fülle von Vorstellungen wie bei den römischen Sarkophagen, da
der Vorstellungskreis der griechischen Grabreliefs sich ans einem engeren Gebiete,
meist dem des täglichen Lebens der Familie oder der verstorbenen Persönlichkeit
bewegt, so ist dasür die künstlerische Vollendung, die oft unbeschreibliche Anmut
der Darstellung um so größer, der Reichtum der Erfindung gegenüber den
vielfach schablonenhaft arbeitenden Sarkophagbildncrn "in so mannigfaltiger.

Alle diese Früchte emsigen Fleißes reifen der Vollendung entgegen; andre,
kaum minder wichtige Aufgabe,? harren noch der Erledigung. Ich meine hier vor
allen Dingen die Herstellung eines großen Corpus der statuarischen Reste. Gerade
bei diesen Hauptwerken der Skulptur ist die Forschung "och immer auf das über¬
aus unzuverlässige und hinsichtlich des Wertes der Abbildungen durchaus mangel¬
hafte Werk von Clarac angewiesen. Hier gilt es, mit unsern so vorgeschrittene"


Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

Wissenschaft entrissen; seine Aufgabe liegt jetzt einem tüchtigen Kenner etruskischen
Altertums und etruskischer Kunst ob, Professor Körte in Rostock. Von der Samm¬
lung der etruskischen Sarkophage, die durch ihre meist der griechische» Mythologie
entnommenen, obgleich vielfach mit etruskischen Religionsvorstellungen verquickte»
Reliefs ein hohes Interesse darbieten, ist der erste Band erschienen, bearbeitet
von Heinr. Brunn: I riliovi äsllö ums otrusons (Rom, 1870); das Er¬
scheinen des zweiten Bandes steht, dem Vernehmen nach, nahe bevor. Seit
längerer Zeit vorbereitet ist sodann das große Corpus der römischen Sarko-
phagrclicfs. Ursprünglich ein Plan O. Jahns, wurde die außerordentlich um¬
fassende Aufgabe nach Jahns Tode seinem hochbegabten Schüler Fr. Matz an¬
vertraut, welcher in Gemeinschaft mit dem tüchtigen Zeichner des Instituts,
E. Eichler, eifrigst mit der Sammlung von Beschreilnmge» und Zeichnungen der
überall verstreuten Sarkophage beschäftigt war. Nachdem auch Matz noch in
jugendlichem Alter Beute eines frühen Todes wurde, übernahm für einige Zeit
A. Michaelis, dünn A. Conze die Leitung des Unternehmens, bis dasselbe
endlich neuerdings in die Hände C. Roberts übergegangen ist, von dessen
Rührigkeit man wohl eine eifrige Förderung der so wichtigen Aufgabe erwarte»
darf. Den» die Kunstwerke, um die es sich hierbei handelt, gehören zwar sämmtlich
erst einer späten Epoche der Kunst an, der der Kaiserzeit; aber sie enthalte»
nicht nur einen sehr reiche» Schatz von Motive» früherer Kunst, die in die
Musterbücher der mit Herstellung der Sarkophage beschäftigten Steinmetzen über¬
gegangen waren, sonder» sind auch eine außerordentlich wertvolle Quelle für unsre
Kenntnis von griechischer Sage und Poesie, sowie von dein Privatleben, weil
man diese Prnnksärge mit allerlei mythische» Szene», nieist rin Anlehnung an
Tragödie» oder Epen, oder mit Szenen des täglichen Lebens u. s. w. schmückte.

Nicht minder bedeutungsvoll ist die ebenfalls seit längeren Jahren in Vor¬
bereitung befindliche Sammlung der griechischen Grabreliefs, welche von der
Wiener Akademie in Angriff genommen »»d A. Conze, dem auch das Ver¬
dienst der Anregung gebührt, anvertraut ist. Handelt es sich hier auch nicht
um die gleiche Fülle von Vorstellungen wie bei den römischen Sarkophagen, da
der Vorstellungskreis der griechischen Grabreliefs sich ans einem engeren Gebiete,
meist dem des täglichen Lebens der Familie oder der verstorbenen Persönlichkeit
bewegt, so ist dasür die künstlerische Vollendung, die oft unbeschreibliche Anmut
der Darstellung um so größer, der Reichtum der Erfindung gegenüber den
vielfach schablonenhaft arbeitenden Sarkophagbildncrn »in so mannigfaltiger.

Alle diese Früchte emsigen Fleißes reifen der Vollendung entgegen; andre,
kaum minder wichtige Aufgabe,? harren noch der Erledigung. Ich meine hier vor
allen Dingen die Herstellung eines großen Corpus der statuarischen Reste. Gerade
bei diesen Hauptwerken der Skulptur ist die Forschung »och immer auf das über¬
aus unzuverlässige und hinsichtlich des Wertes der Abbildungen durchaus mangel¬
hafte Werk von Clarac angewiesen. Hier gilt es, mit unsern so vorgeschrittene»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/347>, abgerufen am 29.06.2024.