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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

Akademien, wissenschaftlichen Instituten und Vereinen u. s. w. zu; und gerade
nach dieser Richtung hin ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Namentlich
das Deutsche archäologische Institut in Rom und Athen, welches im Jahre
1879 sein fünfzigjähriges Bestehen feierte und dessen segensreiche Wirksamkeit
während dieses halben Jahrhunderts Adolf Michaelis in einer anziehenden
Festschrift (Geschichte des Deutschen archäologischen Instituts 1829-1879, heraus¬
gegeben von der Centraldirektion des archäologischen Instituts. Berlin, Asser,
1879) geschildert, hat, seitdem es deutsches Reichsiustitut geworden ist und da¬
durch reichere Fonds sowie die Schwesteranstalt in Athen erhalten hat, jene
wichtige Aufgabe lebhaft gefordert; und die Akademie der Wissenschaften in
Berlin hat es dabei auch an ihrem Beistande nicht fehlen lassen.

Von den großen Sammelwerken, an denen seit längerer Zeit gearbeitet wird,
ist bisher freilich erst weniges zu Tage getreten und das meiste noch in Vor¬
bereitung. Im Erscheinen begriffen ist das große Werk über Terrakotten, an
dessen Spitze R. Kekuls steht. Als Vorläufer erschien der prachtvoll ausge¬
stattete Band der Terrakotten von Tanagra, dessen Text Kekulö selbst verfaßt
hat (Griechische Thonfigureu aus Taungra. Stuttgart, Spemann, 1878); von
dem eigentlichen Corpus, welches minder luxuriös ausgestattet ist, aber gute
und zuverlässige Abbildungen (meist nach Zeichnungen von L. Otto) in reicher
Auswahl darbietet, erschien der erste Band: Die Terrakotten von Pompei, be¬
arbeitet von H. v. Robben (Stuttgart, Spemann, 1880). Der Leser erinnert
sich des Aufsehens, das jene bezaubernden kleinen Figürchen erregten, welche
aus den Gräbern von Tanagra so unerwartet aus Tageslicht kamen, in so über¬
reicher Menge, daß fast eine jede, selbst kleinere Sammlung imstande war, sich
eines oder mehrere dieser kleinen Meisterwerke zu erwerben. Keknlös Publikation
bringt eine Auswahl der schönsten, welche sowohl von der Vorzüglichkeit der
Ausführung und der Schönheit der Motive als von der eigentümlichen Anmut
der Farbenwirkung eine Vorstellung zu geben geeignet sind; den rechten Begriff
aber von der, trotz zahlreicher Wiederholungen derselben Typen doch unerschöpf¬
lichen Fülle von Liebreiz und Erfindungsgabe, von dem Gewinn, welchen die
Kenntnis des antiken Lebens, die Kostümkunde, die Kunstmhthologie u. s. w. aus
diesen Funden von Tanagra zu ziehen imstande sind, kann uns jene Auswahl
kaum annähernd geben; das dürfen wir vielmehr erst von dem Bande des Corpus
erwarten, in welchem dir Terrakotten des eigentlichen Griechenlands zusammen¬
gestellt sind und bei welchen! die tauagräischen Thonfiguren jedenfalls die gebüh¬
rende Berücksichtigung finden werden.

In Vorbereitung ist, ebenfalls wie das Terrakottenwerk und die im folgenden
genannten Unternehmungen in Auftrag und mit Unterstützung des Archäologischen
Instituts, eine Fortführung des großen Werkes von Ed. Gerhard über die
etruskischen Spiegel. Leider wurde der treffliche A. Klügmann, welcher die
Bearbeitung übernommen hatte, mitten im emsigen Sammeln durch den Tod der


Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

Akademien, wissenschaftlichen Instituten und Vereinen u. s. w. zu; und gerade
nach dieser Richtung hin ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Namentlich
das Deutsche archäologische Institut in Rom und Athen, welches im Jahre
1879 sein fünfzigjähriges Bestehen feierte und dessen segensreiche Wirksamkeit
während dieses halben Jahrhunderts Adolf Michaelis in einer anziehenden
Festschrift (Geschichte des Deutschen archäologischen Instituts 1829-1879, heraus¬
gegeben von der Centraldirektion des archäologischen Instituts. Berlin, Asser,
1879) geschildert, hat, seitdem es deutsches Reichsiustitut geworden ist und da¬
durch reichere Fonds sowie die Schwesteranstalt in Athen erhalten hat, jene
wichtige Aufgabe lebhaft gefordert; und die Akademie der Wissenschaften in
Berlin hat es dabei auch an ihrem Beistande nicht fehlen lassen.

Von den großen Sammelwerken, an denen seit längerer Zeit gearbeitet wird,
ist bisher freilich erst weniges zu Tage getreten und das meiste noch in Vor¬
bereitung. Im Erscheinen begriffen ist das große Werk über Terrakotten, an
dessen Spitze R. Kekuls steht. Als Vorläufer erschien der prachtvoll ausge¬
stattete Band der Terrakotten von Tanagra, dessen Text Kekulö selbst verfaßt
hat (Griechische Thonfigureu aus Taungra. Stuttgart, Spemann, 1878); von
dem eigentlichen Corpus, welches minder luxuriös ausgestattet ist, aber gute
und zuverlässige Abbildungen (meist nach Zeichnungen von L. Otto) in reicher
Auswahl darbietet, erschien der erste Band: Die Terrakotten von Pompei, be¬
arbeitet von H. v. Robben (Stuttgart, Spemann, 1880). Der Leser erinnert
sich des Aufsehens, das jene bezaubernden kleinen Figürchen erregten, welche
aus den Gräbern von Tanagra so unerwartet aus Tageslicht kamen, in so über¬
reicher Menge, daß fast eine jede, selbst kleinere Sammlung imstande war, sich
eines oder mehrere dieser kleinen Meisterwerke zu erwerben. Keknlös Publikation
bringt eine Auswahl der schönsten, welche sowohl von der Vorzüglichkeit der
Ausführung und der Schönheit der Motive als von der eigentümlichen Anmut
der Farbenwirkung eine Vorstellung zu geben geeignet sind; den rechten Begriff
aber von der, trotz zahlreicher Wiederholungen derselben Typen doch unerschöpf¬
lichen Fülle von Liebreiz und Erfindungsgabe, von dem Gewinn, welchen die
Kenntnis des antiken Lebens, die Kostümkunde, die Kunstmhthologie u. s. w. aus
diesen Funden von Tanagra zu ziehen imstande sind, kann uns jene Auswahl
kaum annähernd geben; das dürfen wir vielmehr erst von dem Bande des Corpus
erwarten, in welchem dir Terrakotten des eigentlichen Griechenlands zusammen¬
gestellt sind und bei welchen! die tauagräischen Thonfiguren jedenfalls die gebüh¬
rende Berücksichtigung finden werden.

In Vorbereitung ist, ebenfalls wie das Terrakottenwerk und die im folgenden
genannten Unternehmungen in Auftrag und mit Unterstützung des Archäologischen
Instituts, eine Fortführung des großen Werkes von Ed. Gerhard über die
etruskischen Spiegel. Leider wurde der treffliche A. Klügmann, welcher die
Bearbeitung übernommen hatte, mitten im emsigen Sammeln durch den Tod der


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[0346] Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts. Akademien, wissenschaftlichen Instituten und Vereinen u. s. w. zu; und gerade nach dieser Richtung hin ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Namentlich das Deutsche archäologische Institut in Rom und Athen, welches im Jahre 1879 sein fünfzigjähriges Bestehen feierte und dessen segensreiche Wirksamkeit während dieses halben Jahrhunderts Adolf Michaelis in einer anziehenden Festschrift (Geschichte des Deutschen archäologischen Instituts 1829-1879, heraus¬ gegeben von der Centraldirektion des archäologischen Instituts. Berlin, Asser, 1879) geschildert, hat, seitdem es deutsches Reichsiustitut geworden ist und da¬ durch reichere Fonds sowie die Schwesteranstalt in Athen erhalten hat, jene wichtige Aufgabe lebhaft gefordert; und die Akademie der Wissenschaften in Berlin hat es dabei auch an ihrem Beistande nicht fehlen lassen. Von den großen Sammelwerken, an denen seit längerer Zeit gearbeitet wird, ist bisher freilich erst weniges zu Tage getreten und das meiste noch in Vor¬ bereitung. Im Erscheinen begriffen ist das große Werk über Terrakotten, an dessen Spitze R. Kekuls steht. Als Vorläufer erschien der prachtvoll ausge¬ stattete Band der Terrakotten von Tanagra, dessen Text Kekulö selbst verfaßt hat (Griechische Thonfigureu aus Taungra. Stuttgart, Spemann, 1878); von dem eigentlichen Corpus, welches minder luxuriös ausgestattet ist, aber gute und zuverlässige Abbildungen (meist nach Zeichnungen von L. Otto) in reicher Auswahl darbietet, erschien der erste Band: Die Terrakotten von Pompei, be¬ arbeitet von H. v. Robben (Stuttgart, Spemann, 1880). Der Leser erinnert sich des Aufsehens, das jene bezaubernden kleinen Figürchen erregten, welche aus den Gräbern von Tanagra so unerwartet aus Tageslicht kamen, in so über¬ reicher Menge, daß fast eine jede, selbst kleinere Sammlung imstande war, sich eines oder mehrere dieser kleinen Meisterwerke zu erwerben. Keknlös Publikation bringt eine Auswahl der schönsten, welche sowohl von der Vorzüglichkeit der Ausführung und der Schönheit der Motive als von der eigentümlichen Anmut der Farbenwirkung eine Vorstellung zu geben geeignet sind; den rechten Begriff aber von der, trotz zahlreicher Wiederholungen derselben Typen doch unerschöpf¬ lichen Fülle von Liebreiz und Erfindungsgabe, von dem Gewinn, welchen die Kenntnis des antiken Lebens, die Kostümkunde, die Kunstmhthologie u. s. w. aus diesen Funden von Tanagra zu ziehen imstande sind, kann uns jene Auswahl kaum annähernd geben; das dürfen wir vielmehr erst von dem Bande des Corpus erwarten, in welchem dir Terrakotten des eigentlichen Griechenlands zusammen¬ gestellt sind und bei welchen! die tauagräischen Thonfiguren jedenfalls die gebüh¬ rende Berücksichtigung finden werden. In Vorbereitung ist, ebenfalls wie das Terrakottenwerk und die im folgenden genannten Unternehmungen in Auftrag und mit Unterstützung des Archäologischen Instituts, eine Fortführung des großen Werkes von Ed. Gerhard über die etruskischen Spiegel. Leider wurde der treffliche A. Klügmann, welcher die Bearbeitung übernommen hatte, mitten im emsigen Sammeln durch den Tod der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/346>, abgerufen am 29.06.2024.