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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Annstgcschichte während des letzten Jahrzehnts.

zösisches Werk, in welchem die Geschichte der Kunst bei allen Völkern des Alter¬
tums in eingehendster Weise und durch reichliche Abbildungen erläutert zur
Behandlung kommen soll: Li8toirs as 1's.re Äg,us 1'g,ntiaiiM von Georges
Perrot und Charles Chipiez (Paris, Hachette). Was bis jetzt davon er¬
schienen, behandelt nur Ägypten; indessen läßt die Sorgfalt und Gründlichkeit,
mit der in diesem ersten Bande zu Werke gegangen wird, sowie der Name des
wohlberufenen Verfassers Perrot (Chipiez hat als Architekt die technische und
artistische Seite des Werkes zu vertreten), uns much für die folgenden Bände,
in denen Assyrien, Persien, Kleinasien, Griechenland, Etrurien und Rom be¬
handelt werden sollen, das beste erwarten. Da bereits jetzt von dem ersten
Bande eine deutsche Ausgabe veranstaltet wird, so darf man mit Bestimmtheit
annehmen, daß auch für die übrigen Teile eine Übertragung ins Deutsche in
Aussicht genommen ist.

Wenn es demnach an einer ausführlichen, sämmtliche Gebiete der antiken
Kunst umfassenden Darstellung bisher noch fehlt, so sind dafür die einzelnen
Künste neuerdings mehrfach in ihrer historischen Entwicklung dargestellt worden.
Von den zahlreichen, die antike Baukunst behandelnden Werken kann ich hier
freilich die meisten übergehen, weil sie, wie Böttichers nunmehr in zweiter
Auflage vorliegende "Tektonik der Hellenen," weniger den historischen, als den
tektonischen und technischen Gesichtspunkt im Auge haben; doch will ich nicht
unterlassen, hier aufmerksam zu machen auf das Werk vou Josef Durm in
Karlsruhe: "Die Baukunst der Griechen" (Darmstadt, Dicht, 1881), welches einen
Teil des wahrhaft grandios angelegten Handbuches der Architektur von Durm,
Ende, Schmitt und Wagner bildet. Allerdings ist auch hier die historisch-
archäologische Seite etwas stiefmütterlich behandelt, und namentlich die Art, wie
die antike Quellenliteratur benutzt ist, wird dem Philologen wenig einleuchten;
was fängt man mit Zitaten, wie "Pausanias erwähnt", "vgl. Herodot" n.s. w.
an? Hingegen ist die historische Entwicklung des stilistischen, insbesondre die
Darlegung der Technik vortrefflich und die erläuternden, fast durchweg aus
Originalzeichnungen beruhenden Abbildungen außerordentlich deutlich und in¬
struktiv. In dieser Hinsicht wird auch dem Archäologen das Studium des Buches
gewinnbringend sein, während derselbe allerdings für den antiquarischen Teil
immer noch genötigt sein wird, auf die obschon größtenteils antiquirten Werke
Hirts über die alte Baukunst zurückzugehen. Eine Darstellung der antiken Bau¬
kunst, die beiden Anforderungen in vollem Maße gerecht würde und allerdings
nur aus der vereinten Thätigkeit eines Archäologen und eines Architekten her¬
vorgehen könnte, fehlt uns noch immer.

Was die antike Plastik anlangt, so müssen wir hier hinweisen auf die seit
etwas über einen: Jahre im Erscheinen begriffene dritte Auflage von I. Over-
becks "Geschichte der griechischen Plastik" (Leipzig, Hinrichs), von der nur noch
der vierte, den Schluß bildende Halbhart aussteht. Overbccks weitverbreitetes


Die Fortschritte in der antiken Annstgcschichte während des letzten Jahrzehnts.

zösisches Werk, in welchem die Geschichte der Kunst bei allen Völkern des Alter¬
tums in eingehendster Weise und durch reichliche Abbildungen erläutert zur
Behandlung kommen soll: Li8toirs as 1's.re Äg,us 1'g,ntiaiiM von Georges
Perrot und Charles Chipiez (Paris, Hachette). Was bis jetzt davon er¬
schienen, behandelt nur Ägypten; indessen läßt die Sorgfalt und Gründlichkeit,
mit der in diesem ersten Bande zu Werke gegangen wird, sowie der Name des
wohlberufenen Verfassers Perrot (Chipiez hat als Architekt die technische und
artistische Seite des Werkes zu vertreten), uns much für die folgenden Bände,
in denen Assyrien, Persien, Kleinasien, Griechenland, Etrurien und Rom be¬
handelt werden sollen, das beste erwarten. Da bereits jetzt von dem ersten
Bande eine deutsche Ausgabe veranstaltet wird, so darf man mit Bestimmtheit
annehmen, daß auch für die übrigen Teile eine Übertragung ins Deutsche in
Aussicht genommen ist.

Wenn es demnach an einer ausführlichen, sämmtliche Gebiete der antiken
Kunst umfassenden Darstellung bisher noch fehlt, so sind dafür die einzelnen
Künste neuerdings mehrfach in ihrer historischen Entwicklung dargestellt worden.
Von den zahlreichen, die antike Baukunst behandelnden Werken kann ich hier
freilich die meisten übergehen, weil sie, wie Böttichers nunmehr in zweiter
Auflage vorliegende „Tektonik der Hellenen," weniger den historischen, als den
tektonischen und technischen Gesichtspunkt im Auge haben; doch will ich nicht
unterlassen, hier aufmerksam zu machen auf das Werk vou Josef Durm in
Karlsruhe: „Die Baukunst der Griechen" (Darmstadt, Dicht, 1881), welches einen
Teil des wahrhaft grandios angelegten Handbuches der Architektur von Durm,
Ende, Schmitt und Wagner bildet. Allerdings ist auch hier die historisch-
archäologische Seite etwas stiefmütterlich behandelt, und namentlich die Art, wie
die antike Quellenliteratur benutzt ist, wird dem Philologen wenig einleuchten;
was fängt man mit Zitaten, wie „Pausanias erwähnt", „vgl. Herodot" n.s. w.
an? Hingegen ist die historische Entwicklung des stilistischen, insbesondre die
Darlegung der Technik vortrefflich und die erläuternden, fast durchweg aus
Originalzeichnungen beruhenden Abbildungen außerordentlich deutlich und in¬
struktiv. In dieser Hinsicht wird auch dem Archäologen das Studium des Buches
gewinnbringend sein, während derselbe allerdings für den antiquarischen Teil
immer noch genötigt sein wird, auf die obschon größtenteils antiquirten Werke
Hirts über die alte Baukunst zurückzugehen. Eine Darstellung der antiken Bau¬
kunst, die beiden Anforderungen in vollem Maße gerecht würde und allerdings
nur aus der vereinten Thätigkeit eines Archäologen und eines Architekten her¬
vorgehen könnte, fehlt uns noch immer.

Was die antike Plastik anlangt, so müssen wir hier hinweisen auf die seit
etwas über einen: Jahre im Erscheinen begriffene dritte Auflage von I. Over-
becks „Geschichte der griechischen Plastik" (Leipzig, Hinrichs), von der nur noch
der vierte, den Schluß bildende Halbhart aussteht. Overbccks weitverbreitetes


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[0341] Die Fortschritte in der antiken Annstgcschichte während des letzten Jahrzehnts. zösisches Werk, in welchem die Geschichte der Kunst bei allen Völkern des Alter¬ tums in eingehendster Weise und durch reichliche Abbildungen erläutert zur Behandlung kommen soll: Li8toirs as 1's.re Äg,us 1'g,ntiaiiM von Georges Perrot und Charles Chipiez (Paris, Hachette). Was bis jetzt davon er¬ schienen, behandelt nur Ägypten; indessen läßt die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der in diesem ersten Bande zu Werke gegangen wird, sowie der Name des wohlberufenen Verfassers Perrot (Chipiez hat als Architekt die technische und artistische Seite des Werkes zu vertreten), uns much für die folgenden Bände, in denen Assyrien, Persien, Kleinasien, Griechenland, Etrurien und Rom be¬ handelt werden sollen, das beste erwarten. Da bereits jetzt von dem ersten Bande eine deutsche Ausgabe veranstaltet wird, so darf man mit Bestimmtheit annehmen, daß auch für die übrigen Teile eine Übertragung ins Deutsche in Aussicht genommen ist. Wenn es demnach an einer ausführlichen, sämmtliche Gebiete der antiken Kunst umfassenden Darstellung bisher noch fehlt, so sind dafür die einzelnen Künste neuerdings mehrfach in ihrer historischen Entwicklung dargestellt worden. Von den zahlreichen, die antike Baukunst behandelnden Werken kann ich hier freilich die meisten übergehen, weil sie, wie Böttichers nunmehr in zweiter Auflage vorliegende „Tektonik der Hellenen," weniger den historischen, als den tektonischen und technischen Gesichtspunkt im Auge haben; doch will ich nicht unterlassen, hier aufmerksam zu machen auf das Werk vou Josef Durm in Karlsruhe: „Die Baukunst der Griechen" (Darmstadt, Dicht, 1881), welches einen Teil des wahrhaft grandios angelegten Handbuches der Architektur von Durm, Ende, Schmitt und Wagner bildet. Allerdings ist auch hier die historisch- archäologische Seite etwas stiefmütterlich behandelt, und namentlich die Art, wie die antike Quellenliteratur benutzt ist, wird dem Philologen wenig einleuchten; was fängt man mit Zitaten, wie „Pausanias erwähnt", „vgl. Herodot" n.s. w. an? Hingegen ist die historische Entwicklung des stilistischen, insbesondre die Darlegung der Technik vortrefflich und die erläuternden, fast durchweg aus Originalzeichnungen beruhenden Abbildungen außerordentlich deutlich und in¬ struktiv. In dieser Hinsicht wird auch dem Archäologen das Studium des Buches gewinnbringend sein, während derselbe allerdings für den antiquarischen Teil immer noch genötigt sein wird, auf die obschon größtenteils antiquirten Werke Hirts über die alte Baukunst zurückzugehen. Eine Darstellung der antiken Bau¬ kunst, die beiden Anforderungen in vollem Maße gerecht würde und allerdings nur aus der vereinten Thätigkeit eines Archäologen und eines Architekten her¬ vorgehen könnte, fehlt uns noch immer. Was die antike Plastik anlangt, so müssen wir hier hinweisen auf die seit etwas über einen: Jahre im Erscheinen begriffene dritte Auflage von I. Over- becks „Geschichte der griechischen Plastik" (Leipzig, Hinrichs), von der nur noch der vierte, den Schluß bildende Halbhart aussteht. Overbccks weitverbreitetes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/341>, abgerufen am 29.06.2024.