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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit.

uns auch den alten Fehler der ewig ncgirenden und nörgelnden Streitsucht und
Oppvsitwnsmacherei abgewöhnen, wenn dieses neue Institut wahrhaft gedeihen
und zukunftkräftige Wurzeln im Leben der Nntivu schlagen soll.




Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit.
i.

mes der bedeutendsten Werke über Gegenstände der neueren Ge¬
schichte, welche in den letzten Jahren erschienen sind, ist H. Tnines
Buch 0rixinv8 alö la, Pr-nov eonwmporMno (Paris, Hachette.)
Gründliche Kenntnis des Details, zum großen Teil aus noch un¬
benützten Quellen geschöpft, ehrenhafte Gesinnung, die ihre Urteile
nur durch Thatsachen bestimmen und sich niemals durch eine Doktrin
oder eine Modephrase beeinflussen läßt, sondern immer die Wahrheit und nichts
als die Wahrheit zu finden und zu sagen bemüht ist, tiefe Blicke in das Wesen
der Zustände, Ereignisse und Persönlichkeiten, die uns geschildert werden, eine geist¬
volle, lebendige, reiche und klare Sprache und eine höchst anschauliche Darstellung
zeichnen es, wie wir schon bei Besprechung der ersten beiden Bände zu rühmen
hatten, in gleich vorteilhafter Weise aus. Schon vor Tanne haben deutsche Hi¬
storiker von ähnlichem Charakter die Legende, zu der die Geschichte der ersten fran¬
zösischen Revolution geworden war, teilweise enthüllt, Tnines Arbeit streift ihr
den letzten Rest des Nimbus, der ihr geblieben, gänzlich unbekümmert um das Ver¬
dikt der "öffentlichen Meinung," von Haupt und Schultern. Im zweiten Bande
entrollte er uns das erschreckende Bild der Anarchie, welche dein im ersten geschil¬
derten Zusamlncnbrnche des ^union livAimo folgte, in: dritten, der vor kurzem die
Presse verlassen hat, erzählt er uns die Geschichte der Jakobiner vom Ursprünge
der Partei bis zu deren Sturze. Teils der Bereicherung wegen, die unser Wissen
durch thu erfährt, teils weil Anfänge zu ähnlichen Erscheinungen, wie die von
ihm betrachteten, auch bei uns sich entwickelt haben, ähnliche Charaktere in unserm
politischen Leben, unsern Parteien und Parlamenten eine Rolle spielen, und ein
ähnliches Hinübergleiten nach links und dann tiefer und immer tiefer bis in den
blutigen Sumpf der Pöbelherrschaft zu befürchten stünde, wenn der roobor av drmiM
der Monarchie durch das Wühlen der steigenden Flut von Gelüsten nach Parla-
mentsregiernng unterwaschen und erschüttert würde, als Aufklärung und Warnung
also, geben wir in folgendem einige von den Ergebnissen der Taineschen Unter¬
suchungen.

Wo die Gesellschaft uuter einer schwachen Regierung sich auflöst, herrscht die
Partei, welche den Volksleidenschaften schmeichelt, um sie sich dienstbar zu machen,
und in demselben Maße, in welchem jene erlahmt und sich zersetzt, erstarkt und
organisirt sich diese, bis sie endlich, ihrerseits die gesetzliche Negierung geworden,
den Platz der ersteren einnimmt. Das ist in kurzem die Moral, welche die
Geschichte der Jakobiner lehrt. Der junge Freiheitsbaum, der 1789 gepflanzt


Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit.

uns auch den alten Fehler der ewig ncgirenden und nörgelnden Streitsucht und
Oppvsitwnsmacherei abgewöhnen, wenn dieses neue Institut wahrhaft gedeihen
und zukunftkräftige Wurzeln im Leben der Nntivu schlagen soll.




Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit.
i.

mes der bedeutendsten Werke über Gegenstände der neueren Ge¬
schichte, welche in den letzten Jahren erschienen sind, ist H. Tnines
Buch 0rixinv8 alö la, Pr-nov eonwmporMno (Paris, Hachette.)
Gründliche Kenntnis des Details, zum großen Teil aus noch un¬
benützten Quellen geschöpft, ehrenhafte Gesinnung, die ihre Urteile
nur durch Thatsachen bestimmen und sich niemals durch eine Doktrin
oder eine Modephrase beeinflussen läßt, sondern immer die Wahrheit und nichts
als die Wahrheit zu finden und zu sagen bemüht ist, tiefe Blicke in das Wesen
der Zustände, Ereignisse und Persönlichkeiten, die uns geschildert werden, eine geist¬
volle, lebendige, reiche und klare Sprache und eine höchst anschauliche Darstellung
zeichnen es, wie wir schon bei Besprechung der ersten beiden Bände zu rühmen
hatten, in gleich vorteilhafter Weise aus. Schon vor Tanne haben deutsche Hi¬
storiker von ähnlichem Charakter die Legende, zu der die Geschichte der ersten fran¬
zösischen Revolution geworden war, teilweise enthüllt, Tnines Arbeit streift ihr
den letzten Rest des Nimbus, der ihr geblieben, gänzlich unbekümmert um das Ver¬
dikt der „öffentlichen Meinung," von Haupt und Schultern. Im zweiten Bande
entrollte er uns das erschreckende Bild der Anarchie, welche dein im ersten geschil¬
derten Zusamlncnbrnche des ^union livAimo folgte, in: dritten, der vor kurzem die
Presse verlassen hat, erzählt er uns die Geschichte der Jakobiner vom Ursprünge
der Partei bis zu deren Sturze. Teils der Bereicherung wegen, die unser Wissen
durch thu erfährt, teils weil Anfänge zu ähnlichen Erscheinungen, wie die von
ihm betrachteten, auch bei uns sich entwickelt haben, ähnliche Charaktere in unserm
politischen Leben, unsern Parteien und Parlamenten eine Rolle spielen, und ein
ähnliches Hinübergleiten nach links und dann tiefer und immer tiefer bis in den
blutigen Sumpf der Pöbelherrschaft zu befürchten stünde, wenn der roobor av drmiM
der Monarchie durch das Wühlen der steigenden Flut von Gelüsten nach Parla-
mentsregiernng unterwaschen und erschüttert würde, als Aufklärung und Warnung
also, geben wir in folgendem einige von den Ergebnissen der Taineschen Unter¬
suchungen.

Wo die Gesellschaft uuter einer schwachen Regierung sich auflöst, herrscht die
Partei, welche den Volksleidenschaften schmeichelt, um sie sich dienstbar zu machen,
und in demselben Maße, in welchem jene erlahmt und sich zersetzt, erstarkt und
organisirt sich diese, bis sie endlich, ihrerseits die gesetzliche Negierung geworden,
den Platz der ersteren einnimmt. Das ist in kurzem die Moral, welche die
Geschichte der Jakobiner lehrt. Der junge Freiheitsbaum, der 1789 gepflanzt


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[0328] Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit. uns auch den alten Fehler der ewig ncgirenden und nörgelnden Streitsucht und Oppvsitwnsmacherei abgewöhnen, wenn dieses neue Institut wahrhaft gedeihen und zukunftkräftige Wurzeln im Leben der Nntivu schlagen soll. Die Jakobiner im Lichte der Wahrheit. i. mes der bedeutendsten Werke über Gegenstände der neueren Ge¬ schichte, welche in den letzten Jahren erschienen sind, ist H. Tnines Buch 0rixinv8 alö la, Pr-nov eonwmporMno (Paris, Hachette.) Gründliche Kenntnis des Details, zum großen Teil aus noch un¬ benützten Quellen geschöpft, ehrenhafte Gesinnung, die ihre Urteile nur durch Thatsachen bestimmen und sich niemals durch eine Doktrin oder eine Modephrase beeinflussen läßt, sondern immer die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu finden und zu sagen bemüht ist, tiefe Blicke in das Wesen der Zustände, Ereignisse und Persönlichkeiten, die uns geschildert werden, eine geist¬ volle, lebendige, reiche und klare Sprache und eine höchst anschauliche Darstellung zeichnen es, wie wir schon bei Besprechung der ersten beiden Bände zu rühmen hatten, in gleich vorteilhafter Weise aus. Schon vor Tanne haben deutsche Hi¬ storiker von ähnlichem Charakter die Legende, zu der die Geschichte der ersten fran¬ zösischen Revolution geworden war, teilweise enthüllt, Tnines Arbeit streift ihr den letzten Rest des Nimbus, der ihr geblieben, gänzlich unbekümmert um das Ver¬ dikt der „öffentlichen Meinung," von Haupt und Schultern. Im zweiten Bande entrollte er uns das erschreckende Bild der Anarchie, welche dein im ersten geschil¬ derten Zusamlncnbrnche des ^union livAimo folgte, in: dritten, der vor kurzem die Presse verlassen hat, erzählt er uns die Geschichte der Jakobiner vom Ursprünge der Partei bis zu deren Sturze. Teils der Bereicherung wegen, die unser Wissen durch thu erfährt, teils weil Anfänge zu ähnlichen Erscheinungen, wie die von ihm betrachteten, auch bei uns sich entwickelt haben, ähnliche Charaktere in unserm politischen Leben, unsern Parteien und Parlamenten eine Rolle spielen, und ein ähnliches Hinübergleiten nach links und dann tiefer und immer tiefer bis in den blutigen Sumpf der Pöbelherrschaft zu befürchten stünde, wenn der roobor av drmiM der Monarchie durch das Wühlen der steigenden Flut von Gelüsten nach Parla- mentsregiernng unterwaschen und erschüttert würde, als Aufklärung und Warnung also, geben wir in folgendem einige von den Ergebnissen der Taineschen Unter¬ suchungen. Wo die Gesellschaft uuter einer schwachen Regierung sich auflöst, herrscht die Partei, welche den Volksleidenschaften schmeichelt, um sie sich dienstbar zu machen, und in demselben Maße, in welchem jene erlahmt und sich zersetzt, erstarkt und organisirt sich diese, bis sie endlich, ihrerseits die gesetzliche Negierung geworden, den Platz der ersteren einnimmt. Das ist in kurzem die Moral, welche die Geschichte der Jakobiner lehrt. Der junge Freiheitsbaum, der 1789 gepflanzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/328>, abgerufen am 29.06.2024.