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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

habe, etwas böses zu thun. Ach, und ich muß es Ihnen doch sagen, daß ich
mich, ach, so sehr darüber freue, daß Sie mich lieben.

Ephraim erhob mit flehender Geberde die Hände und dachte, sein Herz
müßte vor Glück und Bangigkeit zerspringen, als sie ihn mit zärtlichem Aus¬
druck ansah.

Ich kenne die Gefahren wohl, welche die Liebe bringt, fuhr Flörchen altklug
fort. Aber liegt es denn nicht in unsrer Macht, ihnen zu trotzen und sie zu
besiegen? Ich wundre mich, daß das mir, die ich doch so unwissend bin, nicht
schwierig vorkommt, während Sie, ein gelehrter Herr, wie alle sagen, so erschrocken
darüber zu sein scheinen. Sie sehen ganz blaß und krank aus, so daß ich Sie
nicht ohne Mitleid ansehen kann.

O, Fräulein Flörchen! rief Ephraim und drückte ihre Hand.

Ist das die Liebe, die Sie so krank macht? fragte Flörchen mit schelmischem
Blick. Ich wundre mich, denn die Liebe ist doch keine Krankheit, und auf mich
hat sie eine ganz andre Wirkung. Ich war so froh, als ich Sie kommen sah,
und ich hatte den ganzen Tag eine frohe Ahnung gehabt, ich würde Sie sehen,
obwohl ich keinen Grund hatte, es zu erwarten. Ja, soll ich es gestehen? Ich
hatte schon in der Nacht geträumt, ich sähe Sie. Ich wachte auf, und als ich
sah, daß es nur ein Traum war, suchte ich bald wieder einzuschlafen, um meinen
Traum wiederzufinden. Und wirklich gelang es mir. Das hatte mich so glücklich
gemacht. Ach mein lieber Herr Doktor, wenn für Sie die Liebe eine Qual ist,
so thut es mir ja herzlich leid, aber sollten Sie unter allen Menschen dazu
geboren sein, nicht zu lieben?

Flörchen, engelgutes Flörchen! sagte Ephraim, in Dankbarkeit zerschmelzend.

Ich will ja alles thun, was Sie mir befehlen, sagte Flörchen, die Hand
an die Augen drückend, mit traurigem Ton, ich will Sie nie wieder sehen, aber
ich werde niemals aufhören, an Sie zu denken, denn das ist mir nicht möglich.
Ich will mich Ihnen nie wieder zeigen, denn besser, Sie leben gesund ohne Liebe
als Sie werden krank.

O, mein Himmel! rief Ephraim, so war es ja nicht gemeint!

Nun denn, sagte sie, und zog die Hand von den Angen weg, dann wollen
wir doch zusehen, ob es nicht noch ein andres Mittel zur Genesung giebt. Das
von Ihnen angegebene betrübt uns zu sehr. Überlegen Sie, vielleicht ist es
doch nicht das einzige, und Sie könnten eines entdecken, das nicht so bitter
wäre. -- Schlagen Sie einmal ein andres vor und trauen Sie ein wenig Ihrem
Flörchen, setzte sie mit schalkhaftem Blick hinzu.

(Fortsetzung folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Maranart in Reudnitz-Leipzig.
Bakchen und Thyrsosträger.

habe, etwas böses zu thun. Ach, und ich muß es Ihnen doch sagen, daß ich
mich, ach, so sehr darüber freue, daß Sie mich lieben.

Ephraim erhob mit flehender Geberde die Hände und dachte, sein Herz
müßte vor Glück und Bangigkeit zerspringen, als sie ihn mit zärtlichem Aus¬
druck ansah.

Ich kenne die Gefahren wohl, welche die Liebe bringt, fuhr Flörchen altklug
fort. Aber liegt es denn nicht in unsrer Macht, ihnen zu trotzen und sie zu
besiegen? Ich wundre mich, daß das mir, die ich doch so unwissend bin, nicht
schwierig vorkommt, während Sie, ein gelehrter Herr, wie alle sagen, so erschrocken
darüber zu sein scheinen. Sie sehen ganz blaß und krank aus, so daß ich Sie
nicht ohne Mitleid ansehen kann.

O, Fräulein Flörchen! rief Ephraim und drückte ihre Hand.

Ist das die Liebe, die Sie so krank macht? fragte Flörchen mit schelmischem
Blick. Ich wundre mich, denn die Liebe ist doch keine Krankheit, und auf mich
hat sie eine ganz andre Wirkung. Ich war so froh, als ich Sie kommen sah,
und ich hatte den ganzen Tag eine frohe Ahnung gehabt, ich würde Sie sehen,
obwohl ich keinen Grund hatte, es zu erwarten. Ja, soll ich es gestehen? Ich
hatte schon in der Nacht geträumt, ich sähe Sie. Ich wachte auf, und als ich
sah, daß es nur ein Traum war, suchte ich bald wieder einzuschlafen, um meinen
Traum wiederzufinden. Und wirklich gelang es mir. Das hatte mich so glücklich
gemacht. Ach mein lieber Herr Doktor, wenn für Sie die Liebe eine Qual ist,
so thut es mir ja herzlich leid, aber sollten Sie unter allen Menschen dazu
geboren sein, nicht zu lieben?

Flörchen, engelgutes Flörchen! sagte Ephraim, in Dankbarkeit zerschmelzend.

Ich will ja alles thun, was Sie mir befehlen, sagte Flörchen, die Hand
an die Augen drückend, mit traurigem Ton, ich will Sie nie wieder sehen, aber
ich werde niemals aufhören, an Sie zu denken, denn das ist mir nicht möglich.
Ich will mich Ihnen nie wieder zeigen, denn besser, Sie leben gesund ohne Liebe
als Sie werden krank.

O, mein Himmel! rief Ephraim, so war es ja nicht gemeint!

Nun denn, sagte sie, und zog die Hand von den Angen weg, dann wollen
wir doch zusehen, ob es nicht noch ein andres Mittel zur Genesung giebt. Das
von Ihnen angegebene betrübt uns zu sehr. Überlegen Sie, vielleicht ist es
doch nicht das einzige, und Sie könnten eines entdecken, das nicht so bitter
wäre. — Schlagen Sie einmal ein andres vor und trauen Sie ein wenig Ihrem
Flörchen, setzte sie mit schalkhaftem Blick hinzu.

(Fortsetzung folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Maranart in Reudnitz-Leipzig.
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[0320] Bakchen und Thyrsosträger. habe, etwas böses zu thun. Ach, und ich muß es Ihnen doch sagen, daß ich mich, ach, so sehr darüber freue, daß Sie mich lieben. Ephraim erhob mit flehender Geberde die Hände und dachte, sein Herz müßte vor Glück und Bangigkeit zerspringen, als sie ihn mit zärtlichem Aus¬ druck ansah. Ich kenne die Gefahren wohl, welche die Liebe bringt, fuhr Flörchen altklug fort. Aber liegt es denn nicht in unsrer Macht, ihnen zu trotzen und sie zu besiegen? Ich wundre mich, daß das mir, die ich doch so unwissend bin, nicht schwierig vorkommt, während Sie, ein gelehrter Herr, wie alle sagen, so erschrocken darüber zu sein scheinen. Sie sehen ganz blaß und krank aus, so daß ich Sie nicht ohne Mitleid ansehen kann. O, Fräulein Flörchen! rief Ephraim und drückte ihre Hand. Ist das die Liebe, die Sie so krank macht? fragte Flörchen mit schelmischem Blick. Ich wundre mich, denn die Liebe ist doch keine Krankheit, und auf mich hat sie eine ganz andre Wirkung. Ich war so froh, als ich Sie kommen sah, und ich hatte den ganzen Tag eine frohe Ahnung gehabt, ich würde Sie sehen, obwohl ich keinen Grund hatte, es zu erwarten. Ja, soll ich es gestehen? Ich hatte schon in der Nacht geträumt, ich sähe Sie. Ich wachte auf, und als ich sah, daß es nur ein Traum war, suchte ich bald wieder einzuschlafen, um meinen Traum wiederzufinden. Und wirklich gelang es mir. Das hatte mich so glücklich gemacht. Ach mein lieber Herr Doktor, wenn für Sie die Liebe eine Qual ist, so thut es mir ja herzlich leid, aber sollten Sie unter allen Menschen dazu geboren sein, nicht zu lieben? Flörchen, engelgutes Flörchen! sagte Ephraim, in Dankbarkeit zerschmelzend. Ich will ja alles thun, was Sie mir befehlen, sagte Flörchen, die Hand an die Augen drückend, mit traurigem Ton, ich will Sie nie wieder sehen, aber ich werde niemals aufhören, an Sie zu denken, denn das ist mir nicht möglich. Ich will mich Ihnen nie wieder zeigen, denn besser, Sie leben gesund ohne Liebe als Sie werden krank. O, mein Himmel! rief Ephraim, so war es ja nicht gemeint! Nun denn, sagte sie, und zog die Hand von den Angen weg, dann wollen wir doch zusehen, ob es nicht noch ein andres Mittel zur Genesung giebt. Das von Ihnen angegebene betrübt uns zu sehr. Überlegen Sie, vielleicht ist es doch nicht das einzige, und Sie könnten eines entdecken, das nicht so bitter wäre. — Schlagen Sie einmal ein andres vor und trauen Sie ein wenig Ihrem Flörchen, setzte sie mit schalkhaftem Blick hinzu. (Fortsetzung folgt.) Für die Redaktion verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Maranart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/320>, abgerufen am 29.06.2024.