Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Bakchen und Thyrsosträger. Augen, die langen, dunkeln Wimpern, ein krauses Löckchen, das auf die Stirn Er vergaß die hoffnungsvolle Sicherheit, die er auf dem Wege gehabt hatte, Fräulein Schaible, ich wußte nicht, daß Sie allein waren, sagte er, sonst Er wollte nach diesen Worten davoneilen, aber Flörchen sah ihn mit einem Da ergriff sie seine Hand, und er setzte sich ihr dicht gegenüber wieder hin. Alles was Sie da reden, sagte sie leise und mit niedergeschlagnen Augen, O, Fräulein Schaible, sagte Ephraim errötend. Und Sie wollen mich aus Ihrer Gegenwart verbannen, weil Ihre Liebe Bakchen und Thyrsosträger. Augen, die langen, dunkeln Wimpern, ein krauses Löckchen, das auf die Stirn Er vergaß die hoffnungsvolle Sicherheit, die er auf dem Wege gehabt hatte, Fräulein Schaible, ich wußte nicht, daß Sie allein waren, sagte er, sonst Er wollte nach diesen Worten davoneilen, aber Flörchen sah ihn mit einem Da ergriff sie seine Hand, und er setzte sich ihr dicht gegenüber wieder hin. Alles was Sie da reden, sagte sie leise und mit niedergeschlagnen Augen, O, Fräulein Schaible, sagte Ephraim errötend. Und Sie wollen mich aus Ihrer Gegenwart verbannen, weil Ihre Liebe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86440"/> <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1349" prev="#ID_1348"> Augen, die langen, dunkeln Wimpern, ein krauses Löckchen, das auf die Stirn<lb/> herabrollen, alles das hatte etwas verwirrendes für Ephraim und brachte ihn<lb/> ganz aus der Fassung,</p><lb/> <p xml:id="ID_1350"> Er vergaß die hoffnungsvolle Sicherheit, die er auf dem Wege gehabt hatte,<lb/> betrachtete seine freudige Spannung, Flörchen wiederzusehen, als einen unbegreif¬<lb/> lichen Leichtsinn und fühlte mit Schrecken, in welche Gefahr er sich begeben hatte.<lb/> So sehr verlor er seine Ruhe, daß er nicht einmal schweigend sitzen bleiben oder<lb/> sich mit unbedeutenden Worten helfen konnte, sondern getrieben ward, seinen Ge¬<lb/> fühlen in bewegtem Tone Ausdruck zu geben,</p><lb/> <p xml:id="ID_1351"> Fräulein Schaible, ich wußte nicht, daß Sie allein waren, sagte er, sonst<lb/> wäre ich nicht heraufgekommen, — Ich meine, fuhr er uoch verwirrter fort, als<lb/> sie ihn befremdet anblickte, daß Sie schöner sind als für mich gut ist und daß<lb/> ich besser thäte, Sie zu meiden. Mir wird ängstlich in Ihrer Nähe. — Ich<lb/> rede wohl recht unartig und konfus, aber es ist nicht meine Schuld, Es muß<lb/> ein Dämon sein, der mich beherrscht, wenn ich Sie sehe. Denn ich verliere völlig<lb/> die Besinnung und bin wie von einem starken Strome getrieben. Ich freute<lb/> mich so sehr darauf, Sie wiederzusehen — wirklich, ich freute mich darauf, und<lb/> um ist es mir, als stünde ich vor einen: Abgrunde. Verzeihen Sie, daß ich so<lb/> unsinnig rede, ich wollte nur erklären, warum ich nicht hier bleiben kann und<lb/> warum ich Sie nie wieder sehen darf. Ich hatte nicht geglaubt, daß Sie eine<lb/> solche Gewalt über mich hätten. Ich muß Abschied von Ihnen nehmen. Ver¬<lb/> zeihen Sie mir und leben Sie Wohl!</p><lb/> <p xml:id="ID_1352"> Er wollte nach diesen Worten davoneilen, aber Flörchen sah ihn mit einem<lb/> so reizenden Lächeln und so mitleidig an, daß er vor Erstaunen stehen blieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_1353"> Da ergriff sie seine Hand, und er setzte sich ihr dicht gegenüber wieder hin.<lb/> Flörchen hatte seine Worte ganz und gar anders aufgefaßt, als er sich das gedacht<lb/> hatte. Sie hatte von ihrem Bruder gehört, Ephraim sei der gelehrteste Mensch<lb/> auf der ganzen Universität, und sie hatte auf der einen Seite einen gewaltigen<lb/> Respekt vor ihm, hegte aber auf der andern Seite die Überzeugung, gelehrte<lb/> Leute müßten immer etwas verrückt sein, und fühlte instinktiv die Pflicht des<lb/> Weibes, die schützende Hand über solch einen Nachtwandler zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1354"> Alles was Sie da reden, sagte sie leise und mit niedergeschlagnen Augen,<lb/> alles das beweist mir, daß Sie mich lieben. Nur kann ich nicht begreifen,<lb/> warum Sie darüber so erschrocken sind. Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß<lb/> mir Ihre Liebe eine unaussprechliche Freude bereitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1355"> O, Fräulein Schaible, sagte Ephraim errötend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Und Sie wollen mich aus Ihrer Gegenwart verbannen, weil Ihre Liebe<lb/> Ihnen Furcht bereitet? fuhr Flörchen fort. Aber was konnten Sie mir den<lb/> schlimmeres zufügen, wenn Sie mich haßten? Ist es meine Schuld, daß ich Ihnen<lb/> gefallen habe? Und wenn wirklich die Liebe, welche ich Ihnen eingeflößt habe,<lb/> ein Verbrechen ist, so kann ich Ihnen versichern, daß ich nicht die Absicht gehabt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Bakchen und Thyrsosträger.
Augen, die langen, dunkeln Wimpern, ein krauses Löckchen, das auf die Stirn
herabrollen, alles das hatte etwas verwirrendes für Ephraim und brachte ihn
ganz aus der Fassung,
Er vergaß die hoffnungsvolle Sicherheit, die er auf dem Wege gehabt hatte,
betrachtete seine freudige Spannung, Flörchen wiederzusehen, als einen unbegreif¬
lichen Leichtsinn und fühlte mit Schrecken, in welche Gefahr er sich begeben hatte.
So sehr verlor er seine Ruhe, daß er nicht einmal schweigend sitzen bleiben oder
sich mit unbedeutenden Worten helfen konnte, sondern getrieben ward, seinen Ge¬
fühlen in bewegtem Tone Ausdruck zu geben,
Fräulein Schaible, ich wußte nicht, daß Sie allein waren, sagte er, sonst
wäre ich nicht heraufgekommen, — Ich meine, fuhr er uoch verwirrter fort, als
sie ihn befremdet anblickte, daß Sie schöner sind als für mich gut ist und daß
ich besser thäte, Sie zu meiden. Mir wird ängstlich in Ihrer Nähe. — Ich
rede wohl recht unartig und konfus, aber es ist nicht meine Schuld, Es muß
ein Dämon sein, der mich beherrscht, wenn ich Sie sehe. Denn ich verliere völlig
die Besinnung und bin wie von einem starken Strome getrieben. Ich freute
mich so sehr darauf, Sie wiederzusehen — wirklich, ich freute mich darauf, und
um ist es mir, als stünde ich vor einen: Abgrunde. Verzeihen Sie, daß ich so
unsinnig rede, ich wollte nur erklären, warum ich nicht hier bleiben kann und
warum ich Sie nie wieder sehen darf. Ich hatte nicht geglaubt, daß Sie eine
solche Gewalt über mich hätten. Ich muß Abschied von Ihnen nehmen. Ver¬
zeihen Sie mir und leben Sie Wohl!
Er wollte nach diesen Worten davoneilen, aber Flörchen sah ihn mit einem
so reizenden Lächeln und so mitleidig an, daß er vor Erstaunen stehen blieb.
Da ergriff sie seine Hand, und er setzte sich ihr dicht gegenüber wieder hin.
Flörchen hatte seine Worte ganz und gar anders aufgefaßt, als er sich das gedacht
hatte. Sie hatte von ihrem Bruder gehört, Ephraim sei der gelehrteste Mensch
auf der ganzen Universität, und sie hatte auf der einen Seite einen gewaltigen
Respekt vor ihm, hegte aber auf der andern Seite die Überzeugung, gelehrte
Leute müßten immer etwas verrückt sein, und fühlte instinktiv die Pflicht des
Weibes, die schützende Hand über solch einen Nachtwandler zu halten.
Alles was Sie da reden, sagte sie leise und mit niedergeschlagnen Augen,
alles das beweist mir, daß Sie mich lieben. Nur kann ich nicht begreifen,
warum Sie darüber so erschrocken sind. Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß
mir Ihre Liebe eine unaussprechliche Freude bereitet.
O, Fräulein Schaible, sagte Ephraim errötend.
Und Sie wollen mich aus Ihrer Gegenwart verbannen, weil Ihre Liebe
Ihnen Furcht bereitet? fuhr Flörchen fort. Aber was konnten Sie mir den
schlimmeres zufügen, wenn Sie mich haßten? Ist es meine Schuld, daß ich Ihnen
gefallen habe? Und wenn wirklich die Liebe, welche ich Ihnen eingeflößt habe,
ein Verbrechen ist, so kann ich Ihnen versichern, daß ich nicht die Absicht gehabt
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