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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

kauln sein zackiges Geweih durch das Gewirr der Ranken und die Flut der Blüten
und Blätter hindurchstecken konnte.

Dieses dichte GeWucher schlang sich auch mit zähen Zweigen um die Pfosten
herum, welche die Galerie trugen, umgab die Galerie selbst, welche vor den
Fenstern des obern Stockwerks hinlief, mit grünem Schleier und stieg bis zum
Dach empor, den zahlreichen Schwalben, die mit scharfem Fluge sich ab und zu
schwangen, eine unzähliche Menge von Verstecken bietend.

Endlich aber bildete es auch jetzt, wo Ephraim seinen Blick behaglich um
das Haus herum spazieren führte, den schönsten Rahmen für ein blühendes Ge¬
sicht mit strahlenden blauen Augen, das von goldigen Locken geziert, reizender
und frischer noch als alle die wilden Rosen umher, von der Galerie hernieder
schaute und das süßeste Lächeln einladend auf den guten Jüngling hernieder-
saudtc.

Das war so lieblich, das war so entzückend, daß Ephraim die Augen schloß
lind sie dann neugierig wieder öffnete, um zu sehen, ob er wirklich wach sei, oder
ob es nur ein spottender Traum sei, der Flörchen Schaible dort vor seine suchende
Seele hinstelle. Aber es war wirklich so, und er zog ganz verwirrt seinen Hut
zu einem artigen Gruße, den sie mit langsamen Nicken, wie in tiefe Betrachtung
verloren, erwiederte. Mit allerhand sanften Empfindungen bedachte Ephraim dieses
freundliche Neigen des blonden Kopfes, und es überkam ihn eine starke Neigung,
hinaufzusteigen auf die Galerie und ein so holdes Gespräch, wie damals im Walde,
wieder mit dem lieben Mädchen anzuknüpfen.

Die beiden Begleiter, Herr Gmelin und der Student, hatten viel damit zu
thun, den Herrn Förster zu begrüßen, nach dem Schicksal des schwarzen Bruicke,
eines tapfern Jagdgcscllen und Forstlänfers zu fragen, der im Kampfe mit Wild¬
dieben verwundet worden war, die Hunde zu loben, ein Jagdgewehr neuer Kon¬
struktion zu bewundern und dann einen Fuchs zu necken, den der Förster vor
einem der Hintergebäude an der Kette liegen hatte; Ephraim dagegen verschmähte
diese Unterhaltung und ging mit klopfendem Herzen die Stiege hinauf. Wie
von einem unsichtbaren Genius geleitet fand er ohne vieles Suchen die Thüre,
welche zur Galerie führte und fand sich in wenig Augenblicken Flörchen gegen¬
über, welche nun mit anmutig verschämter Haltung in grünem Halblicht wie in
einer Laube saß und ganz allein war. Ihre Basen waren den Jünglingen ent¬
gegen gesprungen und neckten jetzt, wie man an dem Knurren und Bellen im
Hofe, sowie an Hellem Lachen vernahm, mit jenen in Gemeinschaft den gefesselten
schlauen Raubritter.

Ephraim ging jetzt aber, da er Flörchen allein fand, recht befangen auf sie
zu, machte eine Verbeugung und setzte sich ihr gegenüber in den Schatten der Rosen.

Flörchen stützte ihren weißen Arm auf die Brüstung, den Kopf auf die Hand
und blickte ihn lächelnd und wie mit leichtem Spott über seine Verwirrung an.
Ihr Haar war leuchtender als je, die schöne Farbe des kecken Gesichts, die blauen


Bakchen und Thyrsosträger.

kauln sein zackiges Geweih durch das Gewirr der Ranken und die Flut der Blüten
und Blätter hindurchstecken konnte.

Dieses dichte GeWucher schlang sich auch mit zähen Zweigen um die Pfosten
herum, welche die Galerie trugen, umgab die Galerie selbst, welche vor den
Fenstern des obern Stockwerks hinlief, mit grünem Schleier und stieg bis zum
Dach empor, den zahlreichen Schwalben, die mit scharfem Fluge sich ab und zu
schwangen, eine unzähliche Menge von Verstecken bietend.

Endlich aber bildete es auch jetzt, wo Ephraim seinen Blick behaglich um
das Haus herum spazieren führte, den schönsten Rahmen für ein blühendes Ge¬
sicht mit strahlenden blauen Augen, das von goldigen Locken geziert, reizender
und frischer noch als alle die wilden Rosen umher, von der Galerie hernieder
schaute und das süßeste Lächeln einladend auf den guten Jüngling hernieder-
saudtc.

Das war so lieblich, das war so entzückend, daß Ephraim die Augen schloß
lind sie dann neugierig wieder öffnete, um zu sehen, ob er wirklich wach sei, oder
ob es nur ein spottender Traum sei, der Flörchen Schaible dort vor seine suchende
Seele hinstelle. Aber es war wirklich so, und er zog ganz verwirrt seinen Hut
zu einem artigen Gruße, den sie mit langsamen Nicken, wie in tiefe Betrachtung
verloren, erwiederte. Mit allerhand sanften Empfindungen bedachte Ephraim dieses
freundliche Neigen des blonden Kopfes, und es überkam ihn eine starke Neigung,
hinaufzusteigen auf die Galerie und ein so holdes Gespräch, wie damals im Walde,
wieder mit dem lieben Mädchen anzuknüpfen.

Die beiden Begleiter, Herr Gmelin und der Student, hatten viel damit zu
thun, den Herrn Förster zu begrüßen, nach dem Schicksal des schwarzen Bruicke,
eines tapfern Jagdgcscllen und Forstlänfers zu fragen, der im Kampfe mit Wild¬
dieben verwundet worden war, die Hunde zu loben, ein Jagdgewehr neuer Kon¬
struktion zu bewundern und dann einen Fuchs zu necken, den der Förster vor
einem der Hintergebäude an der Kette liegen hatte; Ephraim dagegen verschmähte
diese Unterhaltung und ging mit klopfendem Herzen die Stiege hinauf. Wie
von einem unsichtbaren Genius geleitet fand er ohne vieles Suchen die Thüre,
welche zur Galerie führte und fand sich in wenig Augenblicken Flörchen gegen¬
über, welche nun mit anmutig verschämter Haltung in grünem Halblicht wie in
einer Laube saß und ganz allein war. Ihre Basen waren den Jünglingen ent¬
gegen gesprungen und neckten jetzt, wie man an dem Knurren und Bellen im
Hofe, sowie an Hellem Lachen vernahm, mit jenen in Gemeinschaft den gefesselten
schlauen Raubritter.

Ephraim ging jetzt aber, da er Flörchen allein fand, recht befangen auf sie
zu, machte eine Verbeugung und setzte sich ihr gegenüber in den Schatten der Rosen.

Flörchen stützte ihren weißen Arm auf die Brüstung, den Kopf auf die Hand
und blickte ihn lächelnd und wie mit leichtem Spott über seine Verwirrung an.
Ihr Haar war leuchtender als je, die schöne Farbe des kecken Gesichts, die blauen


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[0318] Bakchen und Thyrsosträger. kauln sein zackiges Geweih durch das Gewirr der Ranken und die Flut der Blüten und Blätter hindurchstecken konnte. Dieses dichte GeWucher schlang sich auch mit zähen Zweigen um die Pfosten herum, welche die Galerie trugen, umgab die Galerie selbst, welche vor den Fenstern des obern Stockwerks hinlief, mit grünem Schleier und stieg bis zum Dach empor, den zahlreichen Schwalben, die mit scharfem Fluge sich ab und zu schwangen, eine unzähliche Menge von Verstecken bietend. Endlich aber bildete es auch jetzt, wo Ephraim seinen Blick behaglich um das Haus herum spazieren führte, den schönsten Rahmen für ein blühendes Ge¬ sicht mit strahlenden blauen Augen, das von goldigen Locken geziert, reizender und frischer noch als alle die wilden Rosen umher, von der Galerie hernieder schaute und das süßeste Lächeln einladend auf den guten Jüngling hernieder- saudtc. Das war so lieblich, das war so entzückend, daß Ephraim die Augen schloß lind sie dann neugierig wieder öffnete, um zu sehen, ob er wirklich wach sei, oder ob es nur ein spottender Traum sei, der Flörchen Schaible dort vor seine suchende Seele hinstelle. Aber es war wirklich so, und er zog ganz verwirrt seinen Hut zu einem artigen Gruße, den sie mit langsamen Nicken, wie in tiefe Betrachtung verloren, erwiederte. Mit allerhand sanften Empfindungen bedachte Ephraim dieses freundliche Neigen des blonden Kopfes, und es überkam ihn eine starke Neigung, hinaufzusteigen auf die Galerie und ein so holdes Gespräch, wie damals im Walde, wieder mit dem lieben Mädchen anzuknüpfen. Die beiden Begleiter, Herr Gmelin und der Student, hatten viel damit zu thun, den Herrn Förster zu begrüßen, nach dem Schicksal des schwarzen Bruicke, eines tapfern Jagdgcscllen und Forstlänfers zu fragen, der im Kampfe mit Wild¬ dieben verwundet worden war, die Hunde zu loben, ein Jagdgewehr neuer Kon¬ struktion zu bewundern und dann einen Fuchs zu necken, den der Förster vor einem der Hintergebäude an der Kette liegen hatte; Ephraim dagegen verschmähte diese Unterhaltung und ging mit klopfendem Herzen die Stiege hinauf. Wie von einem unsichtbaren Genius geleitet fand er ohne vieles Suchen die Thüre, welche zur Galerie führte und fand sich in wenig Augenblicken Flörchen gegen¬ über, welche nun mit anmutig verschämter Haltung in grünem Halblicht wie in einer Laube saß und ganz allein war. Ihre Basen waren den Jünglingen ent¬ gegen gesprungen und neckten jetzt, wie man an dem Knurren und Bellen im Hofe, sowie an Hellem Lachen vernahm, mit jenen in Gemeinschaft den gefesselten schlauen Raubritter. Ephraim ging jetzt aber, da er Flörchen allein fand, recht befangen auf sie zu, machte eine Verbeugung und setzte sich ihr gegenüber in den Schatten der Rosen. Flörchen stützte ihren weißen Arm auf die Brüstung, den Kopf auf die Hand und blickte ihn lächelnd und wie mit leichtem Spott über seine Verwirrung an. Ihr Haar war leuchtender als je, die schöne Farbe des kecken Gesichts, die blauen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/318>, abgerufen am 29.06.2024.