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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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B^kchvu und Thyrsosträ^'l,

strahlen zwischen den schattige,: Massen des Unterholzes, und die ganze Natur
lud den Menschen ein, ebenso klug zu sein wie die Tiere und einmal aufzu¬
hören mit Nachdenken,

So wenigstens kam es Ephraim vor, und er wußte nicht, was er besseres
thun könnte, als den Studenten und Herrn Gmelin zum Förster ans Einsiedel
zu begleiten.

Er strich mit den Gefährten lustig dahin ans Waldpfaden über Berg und
Thal, sah bald mit träumerischem, sehnsüchtigem Blick in die Tiefen der grünen
Schluchten hinab, wo tief unten das Wasser murmelte, oder in die blaue Ferne
der tiefer liegenden Landschaft, versuchte bald in einen fröhlichen Gesang der
Freunde einzustimmen und glaubte zuweilen sein Selbst ganz vergessen und ver¬
loren und ausgetnnscht zu haben gegen das eines glücklicheren Menschen,

So kamen sie nach einer guten Stunde in ein hochgelegenes kleines Thal,
das von niedrigen, runden Höhen ganz umschlossen war und in dessen einer Ecke,
gleichsam an den Berg gelehnt, die Försterei Einsiedel lag. Ein tiefes Gebell
empfing sie, als sie sich dem Hause näherten, und zwei große, schöne, langhaarige
Jagdhunde kamen ihnen entgegen, die alsbald, Herrn Gmelin erkennend, den
Besuch mit beifälligem Wedeln geleiteten.

Das Försterhaus war in einer Bauart aufgeführt, die der schweizerischen
ähnelte. Das Dach sprang um mehrere Ellen über das Gesims vor, ward draußen
von starken Balken gestützt, die aus deu Wänden herausragten, und überdeckte
so eine ans drei Seiten herumlaufende, ziemlich roh gezimmerte Galerie, Diese
Anordnung nun, oder vielleicht das Verhältnis, in welchem Höhe und Breite
und Tiefe oder die Verteilung von Fenstern und Thüren unter einander standen,
oder irgend eine andre nndcfinirbnre Eigenschaft verlieh dem Hause in Ephraims
Augen einen ganz besonders traulichen und anheimelnden Zug, Er sah mit
hoher Befriedigung die stillen, beschaulichen Plätze, die diese überschattete Galerie
im heißen Sommer gewähren mußte, wenn die Hitze in den Thälern brütete,
oder wenn der Regen auf den Fichtenwald gegenüber uiederriesclte, daß ein harziger
Duft im Nebel herüberwehte, oder wenn die Gewitterwolken sich an den Höhen
festhängten und der Donner von den Bergen widerhallte. Die Thür in der
Front des Försterhauses hatte einen ganz niedrigen, von vielen Füßen ausge¬
höhlten Schwellenstcin und stand halb offen, wie zum Nähertreten einladend.
Die Fenster, mit grünen Läden versehen, welche offen standen, gingen im Erd¬
geschoß tief herab auf den Boden, so das; ein Mann draußen sich bequem auf
die Brüstung lehnen konnte, um dem Förster in die Stube hinein etwas mitzu¬
teilen oder mit des Försters Töchterlein ein liebevolles kleines Geschwätz zu
führen, wenn er oder sie etwa wollten. Bor allem aber war es hübsch, daß
das ganze Haus mit allerhand fröhlichem unnützem Gewächs, wilden Rosen, Epheu
und unteren Klettergewinde so bewachsen war, daß man kaum das tiefe rötliche
Braun der hölzernen Bekleidung sah, und daß der Hirschkopf über der Thür


B^kchvu und Thyrsosträ^'l,

strahlen zwischen den schattige,: Massen des Unterholzes, und die ganze Natur
lud den Menschen ein, ebenso klug zu sein wie die Tiere und einmal aufzu¬
hören mit Nachdenken,

So wenigstens kam es Ephraim vor, und er wußte nicht, was er besseres
thun könnte, als den Studenten und Herrn Gmelin zum Förster ans Einsiedel
zu begleiten.

Er strich mit den Gefährten lustig dahin ans Waldpfaden über Berg und
Thal, sah bald mit träumerischem, sehnsüchtigem Blick in die Tiefen der grünen
Schluchten hinab, wo tief unten das Wasser murmelte, oder in die blaue Ferne
der tiefer liegenden Landschaft, versuchte bald in einen fröhlichen Gesang der
Freunde einzustimmen und glaubte zuweilen sein Selbst ganz vergessen und ver¬
loren und ausgetnnscht zu haben gegen das eines glücklicheren Menschen,

So kamen sie nach einer guten Stunde in ein hochgelegenes kleines Thal,
das von niedrigen, runden Höhen ganz umschlossen war und in dessen einer Ecke,
gleichsam an den Berg gelehnt, die Försterei Einsiedel lag. Ein tiefes Gebell
empfing sie, als sie sich dem Hause näherten, und zwei große, schöne, langhaarige
Jagdhunde kamen ihnen entgegen, die alsbald, Herrn Gmelin erkennend, den
Besuch mit beifälligem Wedeln geleiteten.

Das Försterhaus war in einer Bauart aufgeführt, die der schweizerischen
ähnelte. Das Dach sprang um mehrere Ellen über das Gesims vor, ward draußen
von starken Balken gestützt, die aus deu Wänden herausragten, und überdeckte
so eine ans drei Seiten herumlaufende, ziemlich roh gezimmerte Galerie, Diese
Anordnung nun, oder vielleicht das Verhältnis, in welchem Höhe und Breite
und Tiefe oder die Verteilung von Fenstern und Thüren unter einander standen,
oder irgend eine andre nndcfinirbnre Eigenschaft verlieh dem Hause in Ephraims
Augen einen ganz besonders traulichen und anheimelnden Zug, Er sah mit
hoher Befriedigung die stillen, beschaulichen Plätze, die diese überschattete Galerie
im heißen Sommer gewähren mußte, wenn die Hitze in den Thälern brütete,
oder wenn der Regen auf den Fichtenwald gegenüber uiederriesclte, daß ein harziger
Duft im Nebel herüberwehte, oder wenn die Gewitterwolken sich an den Höhen
festhängten und der Donner von den Bergen widerhallte. Die Thür in der
Front des Försterhauses hatte einen ganz niedrigen, von vielen Füßen ausge¬
höhlten Schwellenstcin und stand halb offen, wie zum Nähertreten einladend.
Die Fenster, mit grünen Läden versehen, welche offen standen, gingen im Erd¬
geschoß tief herab auf den Boden, so das; ein Mann draußen sich bequem auf
die Brüstung lehnen konnte, um dem Förster in die Stube hinein etwas mitzu¬
teilen oder mit des Försters Töchterlein ein liebevolles kleines Geschwätz zu
führen, wenn er oder sie etwa wollten. Bor allem aber war es hübsch, daß
das ganze Haus mit allerhand fröhlichem unnützem Gewächs, wilden Rosen, Epheu
und unteren Klettergewinde so bewachsen war, daß man kaum das tiefe rötliche
Braun der hölzernen Bekleidung sah, und daß der Hirschkopf über der Thür


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[0317] B^kchvu und Thyrsosträ^'l, strahlen zwischen den schattige,: Massen des Unterholzes, und die ganze Natur lud den Menschen ein, ebenso klug zu sein wie die Tiere und einmal aufzu¬ hören mit Nachdenken, So wenigstens kam es Ephraim vor, und er wußte nicht, was er besseres thun könnte, als den Studenten und Herrn Gmelin zum Förster ans Einsiedel zu begleiten. Er strich mit den Gefährten lustig dahin ans Waldpfaden über Berg und Thal, sah bald mit träumerischem, sehnsüchtigem Blick in die Tiefen der grünen Schluchten hinab, wo tief unten das Wasser murmelte, oder in die blaue Ferne der tiefer liegenden Landschaft, versuchte bald in einen fröhlichen Gesang der Freunde einzustimmen und glaubte zuweilen sein Selbst ganz vergessen und ver¬ loren und ausgetnnscht zu haben gegen das eines glücklicheren Menschen, So kamen sie nach einer guten Stunde in ein hochgelegenes kleines Thal, das von niedrigen, runden Höhen ganz umschlossen war und in dessen einer Ecke, gleichsam an den Berg gelehnt, die Försterei Einsiedel lag. Ein tiefes Gebell empfing sie, als sie sich dem Hause näherten, und zwei große, schöne, langhaarige Jagdhunde kamen ihnen entgegen, die alsbald, Herrn Gmelin erkennend, den Besuch mit beifälligem Wedeln geleiteten. Das Försterhaus war in einer Bauart aufgeführt, die der schweizerischen ähnelte. Das Dach sprang um mehrere Ellen über das Gesims vor, ward draußen von starken Balken gestützt, die aus deu Wänden herausragten, und überdeckte so eine ans drei Seiten herumlaufende, ziemlich roh gezimmerte Galerie, Diese Anordnung nun, oder vielleicht das Verhältnis, in welchem Höhe und Breite und Tiefe oder die Verteilung von Fenstern und Thüren unter einander standen, oder irgend eine andre nndcfinirbnre Eigenschaft verlieh dem Hause in Ephraims Augen einen ganz besonders traulichen und anheimelnden Zug, Er sah mit hoher Befriedigung die stillen, beschaulichen Plätze, die diese überschattete Galerie im heißen Sommer gewähren mußte, wenn die Hitze in den Thälern brütete, oder wenn der Regen auf den Fichtenwald gegenüber uiederriesclte, daß ein harziger Duft im Nebel herüberwehte, oder wenn die Gewitterwolken sich an den Höhen festhängten und der Donner von den Bergen widerhallte. Die Thür in der Front des Försterhauses hatte einen ganz niedrigen, von vielen Füßen ausge¬ höhlten Schwellenstcin und stand halb offen, wie zum Nähertreten einladend. Die Fenster, mit grünen Läden versehen, welche offen standen, gingen im Erd¬ geschoß tief herab auf den Boden, so das; ein Mann draußen sich bequem auf die Brüstung lehnen konnte, um dem Förster in die Stube hinein etwas mitzu¬ teilen oder mit des Försters Töchterlein ein liebevolles kleines Geschwätz zu führen, wenn er oder sie etwa wollten. Bor allem aber war es hübsch, daß das ganze Haus mit allerhand fröhlichem unnützem Gewächs, wilden Rosen, Epheu und unteren Klettergewinde so bewachsen war, daß man kaum das tiefe rötliche Braun der hölzernen Bekleidung sah, und daß der Hirschkopf über der Thür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/317>, abgerufen am 29.06.2024.