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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsvstrcigel',

Aber weißt du, fragte Herr Gmelin, wie du es macheu mußt, um niemals
Durst zu bekommen?

Nein, und wenn ich es wüßte, thäte ich es doch nicht, denn der Durst ist
die schönste Eigenschaft der Gattung lloinu Wpivns.

Das ist die Frage, höre mir zu. Das Mittel, nie Durst zu bekommen,
ist gerade das Gegenteil von dem Mittel, nie von einen: tollen Hunde gebissen
zu werden. Du mußt nämlich immer hinter dem Hunde herlaufen, dann kann
er dich nicht beißen, und du mußt immer vor den: Durst herlaufen, dann kann
er dich nicht packen.

Wie kann ich denn vor dem Durst herlaufen? fragte der Student,

Das ist sehr einfach, sagte Gmelin, dn mußt immer schon trinken, ehe dn
durstig bist.

Von der Theorie verstehe ich nichts, von der Praxis ein wenig, erwiederte
der Student und schenkte sich aus der frischen Flasche den hohen Römer voll.

Und dann trauten sie noch so ein zwei- bis zwölfnull, bemerkte Gmelin,
seinem Beispiel folgend.

Ja, sagte der Student, und damit nützten sie ihrer Seele, dem heiligen
Augustinus folgend, welcher sagt: ^.niinÄ oörts, Hum Spiritus <z"t>, in siooo tiMtars
iron presst.

Das ist gewiß, sagte Gmelin, wer immer trinkt, stirbt nie. Man muß nur
ordentlich ziehen, denn mit den kleinen Schlucken ruinirt man sich den Brustkasten.

Ich trage Gummisohlen, sagte der Student, und höre immer erst dann auf,
wenn ich merke, daß die anfangen von der Feuchtigkeit aufzuquellen -- es sei
denn, daß das Getränk versiege.

Ja, ja, sagte Gmelin, zu viel kann man wohl trinken, doch trinkt man nie genug.

Der Asnius looi Heidelbergs ist feucht, bemerkte Ephraim, um doch auch
etwas zu sagen.

Inzwischen und indem die neue Flasche geleert ward, entdeckte Gmelin, daß
es Zeit sei zu gehen, und erklärte auf Ephraims Frage, daß er nebst seinem
Freunde, dem Studenten, ans dem Wege zu seinem Onkel, dem Förster auf Ein¬
siedel sei und daß sie beide hier nur einen kleinen Halt zum Ausruhen gemacht
hätten. Zugleich forderte er Ephraim auf, sie zu begleiten, da der Tag doch
einmal angebrochen sei und er nicht mehr ins Kolleg gehen, auch schwerlich noch
arbeiten könne, nachdem er von dem guten Neckarwcin getrunken habe. Er fügte
als Verstärkung seiner Argumente noch an, daß Flörchen Schaible mit den Basen
beim Förster sei und daß die jungen Mädchen nicht allein nach Hause gehen
könnten durch den langen, dunkeln Wald.

Der Nachmittag war schön. Die Sonne schien in ihrem reinsten Licht, eine
milde, frische Luft bewegte die Wipfel der Bäume, die kleinen Waldvögel zwitscherten
und saugen, hüpften von Zweig zu Zweig und freuten sich des Lebens, die Bienen
summten um die Blüten, Käfer und Schmetterlinge wiegten sich auf den Licht-


Bakchen und Thyrsvstrcigel',

Aber weißt du, fragte Herr Gmelin, wie du es macheu mußt, um niemals
Durst zu bekommen?

Nein, und wenn ich es wüßte, thäte ich es doch nicht, denn der Durst ist
die schönste Eigenschaft der Gattung lloinu Wpivns.

Das ist die Frage, höre mir zu. Das Mittel, nie Durst zu bekommen,
ist gerade das Gegenteil von dem Mittel, nie von einen: tollen Hunde gebissen
zu werden. Du mußt nämlich immer hinter dem Hunde herlaufen, dann kann
er dich nicht beißen, und du mußt immer vor den: Durst herlaufen, dann kann
er dich nicht packen.

Wie kann ich denn vor dem Durst herlaufen? fragte der Student,

Das ist sehr einfach, sagte Gmelin, dn mußt immer schon trinken, ehe dn
durstig bist.

Von der Theorie verstehe ich nichts, von der Praxis ein wenig, erwiederte
der Student und schenkte sich aus der frischen Flasche den hohen Römer voll.

Und dann trauten sie noch so ein zwei- bis zwölfnull, bemerkte Gmelin,
seinem Beispiel folgend.

Ja, sagte der Student, und damit nützten sie ihrer Seele, dem heiligen
Augustinus folgend, welcher sagt: ^.niinÄ oörts, Hum Spiritus <z»t>, in siooo tiMtars
iron presst.

Das ist gewiß, sagte Gmelin, wer immer trinkt, stirbt nie. Man muß nur
ordentlich ziehen, denn mit den kleinen Schlucken ruinirt man sich den Brustkasten.

Ich trage Gummisohlen, sagte der Student, und höre immer erst dann auf,
wenn ich merke, daß die anfangen von der Feuchtigkeit aufzuquellen — es sei
denn, daß das Getränk versiege.

Ja, ja, sagte Gmelin, zu viel kann man wohl trinken, doch trinkt man nie genug.

Der Asnius looi Heidelbergs ist feucht, bemerkte Ephraim, um doch auch
etwas zu sagen.

Inzwischen und indem die neue Flasche geleert ward, entdeckte Gmelin, daß
es Zeit sei zu gehen, und erklärte auf Ephraims Frage, daß er nebst seinem
Freunde, dem Studenten, ans dem Wege zu seinem Onkel, dem Förster auf Ein¬
siedel sei und daß sie beide hier nur einen kleinen Halt zum Ausruhen gemacht
hätten. Zugleich forderte er Ephraim auf, sie zu begleiten, da der Tag doch
einmal angebrochen sei und er nicht mehr ins Kolleg gehen, auch schwerlich noch
arbeiten könne, nachdem er von dem guten Neckarwcin getrunken habe. Er fügte
als Verstärkung seiner Argumente noch an, daß Flörchen Schaible mit den Basen
beim Förster sei und daß die jungen Mädchen nicht allein nach Hause gehen
könnten durch den langen, dunkeln Wald.

Der Nachmittag war schön. Die Sonne schien in ihrem reinsten Licht, eine
milde, frische Luft bewegte die Wipfel der Bäume, die kleinen Waldvögel zwitscherten
und saugen, hüpften von Zweig zu Zweig und freuten sich des Lebens, die Bienen
summten um die Blüten, Käfer und Schmetterlinge wiegten sich auf den Licht-


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[0316] Bakchen und Thyrsvstrcigel', Aber weißt du, fragte Herr Gmelin, wie du es macheu mußt, um niemals Durst zu bekommen? Nein, und wenn ich es wüßte, thäte ich es doch nicht, denn der Durst ist die schönste Eigenschaft der Gattung lloinu Wpivns. Das ist die Frage, höre mir zu. Das Mittel, nie Durst zu bekommen, ist gerade das Gegenteil von dem Mittel, nie von einen: tollen Hunde gebissen zu werden. Du mußt nämlich immer hinter dem Hunde herlaufen, dann kann er dich nicht beißen, und du mußt immer vor den: Durst herlaufen, dann kann er dich nicht packen. Wie kann ich denn vor dem Durst herlaufen? fragte der Student, Das ist sehr einfach, sagte Gmelin, dn mußt immer schon trinken, ehe dn durstig bist. Von der Theorie verstehe ich nichts, von der Praxis ein wenig, erwiederte der Student und schenkte sich aus der frischen Flasche den hohen Römer voll. Und dann trauten sie noch so ein zwei- bis zwölfnull, bemerkte Gmelin, seinem Beispiel folgend. Ja, sagte der Student, und damit nützten sie ihrer Seele, dem heiligen Augustinus folgend, welcher sagt: ^.niinÄ oörts, Hum Spiritus <z»t>, in siooo tiMtars iron presst. Das ist gewiß, sagte Gmelin, wer immer trinkt, stirbt nie. Man muß nur ordentlich ziehen, denn mit den kleinen Schlucken ruinirt man sich den Brustkasten. Ich trage Gummisohlen, sagte der Student, und höre immer erst dann auf, wenn ich merke, daß die anfangen von der Feuchtigkeit aufzuquellen — es sei denn, daß das Getränk versiege. Ja, ja, sagte Gmelin, zu viel kann man wohl trinken, doch trinkt man nie genug. Der Asnius looi Heidelbergs ist feucht, bemerkte Ephraim, um doch auch etwas zu sagen. Inzwischen und indem die neue Flasche geleert ward, entdeckte Gmelin, daß es Zeit sei zu gehen, und erklärte auf Ephraims Frage, daß er nebst seinem Freunde, dem Studenten, ans dem Wege zu seinem Onkel, dem Förster auf Ein¬ siedel sei und daß sie beide hier nur einen kleinen Halt zum Ausruhen gemacht hätten. Zugleich forderte er Ephraim auf, sie zu begleiten, da der Tag doch einmal angebrochen sei und er nicht mehr ins Kolleg gehen, auch schwerlich noch arbeiten könne, nachdem er von dem guten Neckarwcin getrunken habe. Er fügte als Verstärkung seiner Argumente noch an, daß Flörchen Schaible mit den Basen beim Förster sei und daß die jungen Mädchen nicht allein nach Hause gehen könnten durch den langen, dunkeln Wald. Der Nachmittag war schön. Die Sonne schien in ihrem reinsten Licht, eine milde, frische Luft bewegte die Wipfel der Bäume, die kleinen Waldvögel zwitscherten und saugen, hüpften von Zweig zu Zweig und freuten sich des Lebens, die Bienen summten um die Blüten, Käfer und Schmetterlinge wiegten sich auf den Licht-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/316>, abgerufen am 28.09.2024.