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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Nun, so eigentlich nicht, sagte jener, die Verwandtschaft ist ein bischen
weitläufig, und ich kann sie nicht genau nachrechnen, weil ich einmal kein Ge¬
dächtnis habe für Oheime von Großvaters-Basen und so weiter.

Aber es hieß doch immer "Tante Lotte" und "Tante Line?" sagte Ephraim.

Ja, wir haben schon von klein aus mit einander gespielt, Adolf und Flörchen
und ich und meine Schwestern, erwiederte Gmelin.

Auch wohl schon früh euch an das Küssen gewöhnt, du und Flörchen, warf
Ephraim schnell ein, dem plötzlich ein peinigendes Gefühl durch die Brust zog.

Ach, sagte Gmelin, indem er seine Pfeife aufklopfte und den Tabaksbeutel
hervorzog, da werde ich wohl nicht der einzige gewesen sein.

Das glaube ich auch, sagte der Student, Flörchen Schaible ist ja ein ganz
gemütliches Mädchen.

Sie kennen sie auch? fragte Ephraim.

Ich habe sie ein paar Mal gesehen, erwiederte der Student, auch einmal
mit ihr getanzt. -

Sie auch einmal geküßt! rief Ephraim gezwungen lachend.

Nein, das nicht, entgegnete der Student, ich mache mir nicht viel mehr aus
den Weibern. Das sind tsmpi p-Wg-ti.

Herr Gmelin hob die große grüne Flasche auf, hielt sie gegen das Licht
und betrachtete seufzend den kleinen Rest von Wein, der sich darin schaukelte.

Das weiß der Teufel, sagte er, wir haben heute neue Heringe gegessen, und
die müssen wohl nicht ordentlich ailsgewässert gewesen sein. Ich habe einen
Durst, der groß ist in seinem Zorn.

Gegen den Durst giebts nichts besseres als Trinken, sagte der Student und
pochte auf den Tisch.

Das freundliche Schenkmädchen erschien, ließ sich mit Vergnügen von dem
Studenten in die runden Arme kneifen und ging eine frische Flasche holen.

Bei uns auf der Kneipe, sagte der Student , ists auch immer sehr salzig,
und ich sage: nichts zieht den Wein so um wie Schwcinsknöchel mit Meerrettig
oder wie so ein richtig gesalzener Schinken mit Senfsauce.

Er trank mit Genuß sein Glas leer und sang:


Salzig, salzig, salzig ist das Meer.
Warum folles nicht salzig sein?
's sind ja viele Härung drein.

Was ist der Unterschied zwischen einem Schinken und einer Faßschleife?
fragte er dann mit listigen Augenzwinkern.

Herr Gmelin konnte es nicht sagen, und Ephraims Gehirn schien auch nicht
stark genug zu sein, um es zu erraten.

Paßt ans, sagte der Student: Auf der Faßschleife zieht man den Wein in
den Keller, und auf dem Schinken zieht man den Weil, in den Magen.


Bakchen und Thyrsosträger.

Nun, so eigentlich nicht, sagte jener, die Verwandtschaft ist ein bischen
weitläufig, und ich kann sie nicht genau nachrechnen, weil ich einmal kein Ge¬
dächtnis habe für Oheime von Großvaters-Basen und so weiter.

Aber es hieß doch immer „Tante Lotte" und „Tante Line?" sagte Ephraim.

Ja, wir haben schon von klein aus mit einander gespielt, Adolf und Flörchen
und ich und meine Schwestern, erwiederte Gmelin.

Auch wohl schon früh euch an das Küssen gewöhnt, du und Flörchen, warf
Ephraim schnell ein, dem plötzlich ein peinigendes Gefühl durch die Brust zog.

Ach, sagte Gmelin, indem er seine Pfeife aufklopfte und den Tabaksbeutel
hervorzog, da werde ich wohl nicht der einzige gewesen sein.

Das glaube ich auch, sagte der Student, Flörchen Schaible ist ja ein ganz
gemütliches Mädchen.

Sie kennen sie auch? fragte Ephraim.

Ich habe sie ein paar Mal gesehen, erwiederte der Student, auch einmal
mit ihr getanzt. -

Sie auch einmal geküßt! rief Ephraim gezwungen lachend.

Nein, das nicht, entgegnete der Student, ich mache mir nicht viel mehr aus
den Weibern. Das sind tsmpi p-Wg-ti.

Herr Gmelin hob die große grüne Flasche auf, hielt sie gegen das Licht
und betrachtete seufzend den kleinen Rest von Wein, der sich darin schaukelte.

Das weiß der Teufel, sagte er, wir haben heute neue Heringe gegessen, und
die müssen wohl nicht ordentlich ailsgewässert gewesen sein. Ich habe einen
Durst, der groß ist in seinem Zorn.

Gegen den Durst giebts nichts besseres als Trinken, sagte der Student und
pochte auf den Tisch.

Das freundliche Schenkmädchen erschien, ließ sich mit Vergnügen von dem
Studenten in die runden Arme kneifen und ging eine frische Flasche holen.

Bei uns auf der Kneipe, sagte der Student , ists auch immer sehr salzig,
und ich sage: nichts zieht den Wein so um wie Schwcinsknöchel mit Meerrettig
oder wie so ein richtig gesalzener Schinken mit Senfsauce.

Er trank mit Genuß sein Glas leer und sang:


Salzig, salzig, salzig ist das Meer.
Warum folles nicht salzig sein?
's sind ja viele Härung drein.

Was ist der Unterschied zwischen einem Schinken und einer Faßschleife?
fragte er dann mit listigen Augenzwinkern.

Herr Gmelin konnte es nicht sagen, und Ephraims Gehirn schien auch nicht
stark genug zu sein, um es zu erraten.

Paßt ans, sagte der Student: Auf der Faßschleife zieht man den Wein in
den Keller, und auf dem Schinken zieht man den Weil, in den Magen.


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[0315] Bakchen und Thyrsosträger. Nun, so eigentlich nicht, sagte jener, die Verwandtschaft ist ein bischen weitläufig, und ich kann sie nicht genau nachrechnen, weil ich einmal kein Ge¬ dächtnis habe für Oheime von Großvaters-Basen und so weiter. Aber es hieß doch immer „Tante Lotte" und „Tante Line?" sagte Ephraim. Ja, wir haben schon von klein aus mit einander gespielt, Adolf und Flörchen und ich und meine Schwestern, erwiederte Gmelin. Auch wohl schon früh euch an das Küssen gewöhnt, du und Flörchen, warf Ephraim schnell ein, dem plötzlich ein peinigendes Gefühl durch die Brust zog. Ach, sagte Gmelin, indem er seine Pfeife aufklopfte und den Tabaksbeutel hervorzog, da werde ich wohl nicht der einzige gewesen sein. Das glaube ich auch, sagte der Student, Flörchen Schaible ist ja ein ganz gemütliches Mädchen. Sie kennen sie auch? fragte Ephraim. Ich habe sie ein paar Mal gesehen, erwiederte der Student, auch einmal mit ihr getanzt. - Sie auch einmal geküßt! rief Ephraim gezwungen lachend. Nein, das nicht, entgegnete der Student, ich mache mir nicht viel mehr aus den Weibern. Das sind tsmpi p-Wg-ti. Herr Gmelin hob die große grüne Flasche auf, hielt sie gegen das Licht und betrachtete seufzend den kleinen Rest von Wein, der sich darin schaukelte. Das weiß der Teufel, sagte er, wir haben heute neue Heringe gegessen, und die müssen wohl nicht ordentlich ailsgewässert gewesen sein. Ich habe einen Durst, der groß ist in seinem Zorn. Gegen den Durst giebts nichts besseres als Trinken, sagte der Student und pochte auf den Tisch. Das freundliche Schenkmädchen erschien, ließ sich mit Vergnügen von dem Studenten in die runden Arme kneifen und ging eine frische Flasche holen. Bei uns auf der Kneipe, sagte der Student , ists auch immer sehr salzig, und ich sage: nichts zieht den Wein so um wie Schwcinsknöchel mit Meerrettig oder wie so ein richtig gesalzener Schinken mit Senfsauce. Er trank mit Genuß sein Glas leer und sang: Salzig, salzig, salzig ist das Meer. Warum folles nicht salzig sein? 's sind ja viele Härung drein. Was ist der Unterschied zwischen einem Schinken und einer Faßschleife? fragte er dann mit listigen Augenzwinkern. Herr Gmelin konnte es nicht sagen, und Ephraims Gehirn schien auch nicht stark genug zu sein, um es zu erraten. Paßt ans, sagte der Student: Auf der Faßschleife zieht man den Wein in den Keller, und auf dem Schinken zieht man den Weil, in den Magen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/315>, abgerufen am 29.06.2024.