Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Bakchen und Thyrsosträger. Die Frauen sind in einer ganz andern Lage als wir, und wenn wir sie Er ging weiter und merkte, daß er hungrig und durstig war, und als er Der Blick von dem einsamen Wirtshaus ins Land war wunderschön. Unten So kam das Gespräch auch ans die Landpartie, die er und Gmelin zusammen Du bist wohl der rechte Vetter von meinem Freund Schaible? fragte Bakchen und Thyrsosträger. Die Frauen sind in einer ganz andern Lage als wir, und wenn wir sie Er ging weiter und merkte, daß er hungrig und durstig war, und als er Der Blick von dem einsamen Wirtshaus ins Land war wunderschön. Unten So kam das Gespräch auch ans die Landpartie, die er und Gmelin zusammen Du bist wohl der rechte Vetter von meinem Freund Schaible? fragte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86435"/> <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1299"> Die Frauen sind in einer ganz andern Lage als wir, und wenn wir sie<lb/> so beurteilen, wie wir Männer beurteilen müssen, so sind wir eben einfältig. Der<lb/> Mann kann das Weib aufsuchen, kann ihm seine Liebe erklären, aber die Frau<lb/> kann das nicht, Ihr Loos ist, ruhig dazusitzen und auf den Mann zu warte».<lb/> Unmöglich kann deshalb eine Frau entzückt sein von dem Manne, der nun auch<lb/> seinerseits ruhig dasitzt und wartet, der sich in seinen Mantel hüllt und kommen<lb/> läßt, was kommen mag. Das ist nicht seine Rolle gegenüber der Frau, Was<lb/> soll sie denken, wenn sie mit einem Manne zusammentrifft, der sich in sein Zimmer<lb/> verschließt und unsichtbar macht? Sie wird einfach denken, er bekümmere sich<lb/> nicht um sie, während er doch seinerseits vielleicht an innern? Drang nach ihr<lb/> vergeht. Der Mann ist also einfach albern, wenn er der Frau nachahmt und<lb/> sich zurückzieht und wartet — Flörchen hatte vollständig Recht,</p><lb/> <p xml:id="ID_1300"> Er ging weiter und merkte, daß er hungrig und durstig war, und als er<lb/> nach der Uhr sah, fand er zu seiner Verwunderung, daß es schon vier Uhr<lb/> Nachmittags sei, während er in aller Frühe von Hause fortgelaufen war. Zum<lb/> Glück entdeckte er, einen gebahnten Weg verfolgend, nach nicht gar zu langer<lb/> Zeit ein einzeln stehendes Hans, welches schon dnrch sein äußeres Ansehen gastlich<lb/> anlockte. Vor der Thür zog sich eine wcinumkränztc Verandah hin, und es<lb/> saßen dort zwei junge Leute bei einer Flasche Wein. Ephraim erkannte beim<lb/> Näherkommen in dem einen den Forstelcven Gmelin, der andre war ein Student.<lb/> Ephraim setzte sich zu ihnen und bestellte einen Imbiß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1301"> Der Blick von dem einsamen Wirtshaus ins Land war wunderschön. Unten<lb/> zog der Neckar seinen stillen, glänzenden Weg, drüben schimmerten die Hügel in<lb/> wechselnden Farben, als die Wolken darüber hinzogen, in der fernsten Ferne<lb/> verschwamm die Welt in Lila-Tinten und man konnte nicht erkennen, wo es noch<lb/> Erde war und wo Himmel. In nächster Nähe aber umgab das frische Grün,<lb/> von der Nnchmittagssonne durchstrahlt, mit strotzender Fülle den Tisch, an dem<lb/> die Zecher saßen. Wie diese beiden deutschen Jünglinge das Leben genießen!<lb/> dachte Ephraim. Gebräunt von der Luft und Sonue, rosig und mit leuchtenden<lb/> Augen vom genossenen Wein saßen sie da, die Arme aufgestemmt, lachten über<lb/> die einfältigsten Geschichten und dünkten sich Beherrscher der Welt zu sein. Ephraim<lb/> gewann sie beinahe lieb wegen ihrer Natürlichkeit, er betrachtete sie mit wahrem<lb/> Genuß. Sie waren ihm so unähnlich und kamen ihm so gesund und ungekünstelt<lb/> vor, daß er sie mit derselben Freude ansehen konnte wie etwa ein Paar schöner<lb/> Pferde oder schwerwandelnder trefflicher Stiere. Er aß und trank und führte<lb/> ein vergnügliches Gespräch mit den beiden. Für eine kurze Stunde konnte er<lb/> sich einbilden, auch ein junger Mensch zu sein, der mit zur Welt gehöre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1302"> So kam das Gespräch auch ans die Landpartie, die er und Gmelin zusammen<lb/> und in Familie gemacht hatten, und wo sie Brüderschaft getrunken hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1303"> Du bist wohl der rechte Vetter von meinem Freund Schaible? fragte<lb/> Ephraim.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0314]
Bakchen und Thyrsosträger.
Die Frauen sind in einer ganz andern Lage als wir, und wenn wir sie
so beurteilen, wie wir Männer beurteilen müssen, so sind wir eben einfältig. Der
Mann kann das Weib aufsuchen, kann ihm seine Liebe erklären, aber die Frau
kann das nicht, Ihr Loos ist, ruhig dazusitzen und auf den Mann zu warte».
Unmöglich kann deshalb eine Frau entzückt sein von dem Manne, der nun auch
seinerseits ruhig dasitzt und wartet, der sich in seinen Mantel hüllt und kommen
läßt, was kommen mag. Das ist nicht seine Rolle gegenüber der Frau, Was
soll sie denken, wenn sie mit einem Manne zusammentrifft, der sich in sein Zimmer
verschließt und unsichtbar macht? Sie wird einfach denken, er bekümmere sich
nicht um sie, während er doch seinerseits vielleicht an innern? Drang nach ihr
vergeht. Der Mann ist also einfach albern, wenn er der Frau nachahmt und
sich zurückzieht und wartet — Flörchen hatte vollständig Recht,
Er ging weiter und merkte, daß er hungrig und durstig war, und als er
nach der Uhr sah, fand er zu seiner Verwunderung, daß es schon vier Uhr
Nachmittags sei, während er in aller Frühe von Hause fortgelaufen war. Zum
Glück entdeckte er, einen gebahnten Weg verfolgend, nach nicht gar zu langer
Zeit ein einzeln stehendes Hans, welches schon dnrch sein äußeres Ansehen gastlich
anlockte. Vor der Thür zog sich eine wcinumkränztc Verandah hin, und es
saßen dort zwei junge Leute bei einer Flasche Wein. Ephraim erkannte beim
Näherkommen in dem einen den Forstelcven Gmelin, der andre war ein Student.
Ephraim setzte sich zu ihnen und bestellte einen Imbiß.
Der Blick von dem einsamen Wirtshaus ins Land war wunderschön. Unten
zog der Neckar seinen stillen, glänzenden Weg, drüben schimmerten die Hügel in
wechselnden Farben, als die Wolken darüber hinzogen, in der fernsten Ferne
verschwamm die Welt in Lila-Tinten und man konnte nicht erkennen, wo es noch
Erde war und wo Himmel. In nächster Nähe aber umgab das frische Grün,
von der Nnchmittagssonne durchstrahlt, mit strotzender Fülle den Tisch, an dem
die Zecher saßen. Wie diese beiden deutschen Jünglinge das Leben genießen!
dachte Ephraim. Gebräunt von der Luft und Sonue, rosig und mit leuchtenden
Augen vom genossenen Wein saßen sie da, die Arme aufgestemmt, lachten über
die einfältigsten Geschichten und dünkten sich Beherrscher der Welt zu sein. Ephraim
gewann sie beinahe lieb wegen ihrer Natürlichkeit, er betrachtete sie mit wahrem
Genuß. Sie waren ihm so unähnlich und kamen ihm so gesund und ungekünstelt
vor, daß er sie mit derselben Freude ansehen konnte wie etwa ein Paar schöner
Pferde oder schwerwandelnder trefflicher Stiere. Er aß und trank und führte
ein vergnügliches Gespräch mit den beiden. Für eine kurze Stunde konnte er
sich einbilden, auch ein junger Mensch zu sein, der mit zur Welt gehöre.
So kam das Gespräch auch ans die Landpartie, die er und Gmelin zusammen
und in Familie gemacht hatten, und wo sie Brüderschaft getrunken hatten.
Du bist wohl der rechte Vetter von meinem Freund Schaible? fragte
Ephraim.
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