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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Erlaß vom vierton Januar im Reichstage.

und Verleumdung der Regicrnngspolitik aufzuklären. Auch bei dieser Klasse der
Beamten ist nicht darnach zu fragen, wen sie selbst auf ihren Wahlzettel schreiben,
es ist das Sache ihres Gewissens. Dagegen dürfen sie bei deu Wahlen nicht
gegen die Regierung agitiren, da der König regiert, ebensowenig aber durch
Amtshandlungen für dieselbe wirken. Der Erlaß erhebt nur eine Forderung
des Anstandes. Er befiehlt nicht, er droht nicht, er bringt den Beamten mir
ihren Eid in Erinnerung und überläßt es ihrem Takt, darnach den rechten Weg
zu finden. Der König aber war nach der Verfassung und andern preußischen
Gesetzen vollständig befugt, sich in der Art, wie es geschehen, zu äußern, und
der Reichskanzler war ebenso vollständig berechtigt, wenn er den ReichSbcamten
das mitteilte, was er als für sie interessant und nützlich zu lesen betrachtet.

Summa, Moral und Schluß des Ganze" geben wir mit den eignen Worten
des Kanzlers wieder, wie folgt: "Die Verfassung ist klar____Ich habe hier als
preußischer Bevollmächtigter (zum Bundesrate) im Namen des Königs zu er¬
klären, daß Seine Majestät sich seine verfassungsmäßigen Rechte weder nehmen
noch verkümmern, noch sich selbst so hoch in die Wolken schrauben läßt, daß
er sie nicht ausüben könnte, sondern daß er entschlossen ist, in dem durch seine Vor¬
fahren überkommenen und gewohnten, durch die Regentenpflicht ihm vorgeschriebenen
Wechselverkehre mit seinem Volke zu bleiben, und daß ich als Minister entschlossen
bin, dem Könige auch dabei kämpfend zur Seite zu stehen, aber als Diener und
nicht als Vormund."

Die übrigen Reden in der Angelegenheit waren neben dieser nicht von
Bedeutung. Was Treitschke sagte, war zutreffend, aber nicht neu. Bennigsen
äußerte sich maßvoll und so, daß mau ihm im gauzeu beipflichten konnte, der
Minister des Innern sprach in echt vornehmer Weise, die man auf der Folie
des Verhaltens der Fortschrittler noch wohlthuender empfand, die Rhetoren und
Sophisten der letzteren suchten die Wirkung der Worte des Kanzlers vergebens
abzuschwächen, und namentlich mißlang Herrn Virchow der Beweis, daß seine
Partei zu allen Zeiten eine nationalgesinnte gewesen. Ist sie's dennoch ge¬
wesen, so muß sie's sehr tief inwendig gehabt haben; Thaten hat man davon
nicht zu sehen bekommen.




Der Erlaß vom vierton Januar im Reichstage.

und Verleumdung der Regicrnngspolitik aufzuklären. Auch bei dieser Klasse der
Beamten ist nicht darnach zu fragen, wen sie selbst auf ihren Wahlzettel schreiben,
es ist das Sache ihres Gewissens. Dagegen dürfen sie bei deu Wahlen nicht
gegen die Regierung agitiren, da der König regiert, ebensowenig aber durch
Amtshandlungen für dieselbe wirken. Der Erlaß erhebt nur eine Forderung
des Anstandes. Er befiehlt nicht, er droht nicht, er bringt den Beamten mir
ihren Eid in Erinnerung und überläßt es ihrem Takt, darnach den rechten Weg
zu finden. Der König aber war nach der Verfassung und andern preußischen
Gesetzen vollständig befugt, sich in der Art, wie es geschehen, zu äußern, und
der Reichskanzler war ebenso vollständig berechtigt, wenn er den ReichSbcamten
das mitteilte, was er als für sie interessant und nützlich zu lesen betrachtet.

Summa, Moral und Schluß des Ganze» geben wir mit den eignen Worten
des Kanzlers wieder, wie folgt: „Die Verfassung ist klar____Ich habe hier als
preußischer Bevollmächtigter (zum Bundesrate) im Namen des Königs zu er¬
klären, daß Seine Majestät sich seine verfassungsmäßigen Rechte weder nehmen
noch verkümmern, noch sich selbst so hoch in die Wolken schrauben läßt, daß
er sie nicht ausüben könnte, sondern daß er entschlossen ist, in dem durch seine Vor¬
fahren überkommenen und gewohnten, durch die Regentenpflicht ihm vorgeschriebenen
Wechselverkehre mit seinem Volke zu bleiben, und daß ich als Minister entschlossen
bin, dem Könige auch dabei kämpfend zur Seite zu stehen, aber als Diener und
nicht als Vormund."

Die übrigen Reden in der Angelegenheit waren neben dieser nicht von
Bedeutung. Was Treitschke sagte, war zutreffend, aber nicht neu. Bennigsen
äußerte sich maßvoll und so, daß mau ihm im gauzeu beipflichten konnte, der
Minister des Innern sprach in echt vornehmer Weise, die man auf der Folie
des Verhaltens der Fortschrittler noch wohlthuender empfand, die Rhetoren und
Sophisten der letzteren suchten die Wirkung der Worte des Kanzlers vergebens
abzuschwächen, und namentlich mißlang Herrn Virchow der Beweis, daß seine
Partei zu allen Zeiten eine nationalgesinnte gewesen. Ist sie's dennoch ge¬
wesen, so muß sie's sehr tief inwendig gehabt haben; Thaten hat man davon
nicht zu sehen bekommen.




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[0306] Der Erlaß vom vierton Januar im Reichstage. und Verleumdung der Regicrnngspolitik aufzuklären. Auch bei dieser Klasse der Beamten ist nicht darnach zu fragen, wen sie selbst auf ihren Wahlzettel schreiben, es ist das Sache ihres Gewissens. Dagegen dürfen sie bei deu Wahlen nicht gegen die Regierung agitiren, da der König regiert, ebensowenig aber durch Amtshandlungen für dieselbe wirken. Der Erlaß erhebt nur eine Forderung des Anstandes. Er befiehlt nicht, er droht nicht, er bringt den Beamten mir ihren Eid in Erinnerung und überläßt es ihrem Takt, darnach den rechten Weg zu finden. Der König aber war nach der Verfassung und andern preußischen Gesetzen vollständig befugt, sich in der Art, wie es geschehen, zu äußern, und der Reichskanzler war ebenso vollständig berechtigt, wenn er den ReichSbcamten das mitteilte, was er als für sie interessant und nützlich zu lesen betrachtet. Summa, Moral und Schluß des Ganze» geben wir mit den eignen Worten des Kanzlers wieder, wie folgt: „Die Verfassung ist klar____Ich habe hier als preußischer Bevollmächtigter (zum Bundesrate) im Namen des Königs zu er¬ klären, daß Seine Majestät sich seine verfassungsmäßigen Rechte weder nehmen noch verkümmern, noch sich selbst so hoch in die Wolken schrauben läßt, daß er sie nicht ausüben könnte, sondern daß er entschlossen ist, in dem durch seine Vor¬ fahren überkommenen und gewohnten, durch die Regentenpflicht ihm vorgeschriebenen Wechselverkehre mit seinem Volke zu bleiben, und daß ich als Minister entschlossen bin, dem Könige auch dabei kämpfend zur Seite zu stehen, aber als Diener und nicht als Vormund." Die übrigen Reden in der Angelegenheit waren neben dieser nicht von Bedeutung. Was Treitschke sagte, war zutreffend, aber nicht neu. Bennigsen äußerte sich maßvoll und so, daß mau ihm im gauzeu beipflichten konnte, der Minister des Innern sprach in echt vornehmer Weise, die man auf der Folie des Verhaltens der Fortschrittler noch wohlthuender empfand, die Rhetoren und Sophisten der letzteren suchten die Wirkung der Worte des Kanzlers vergebens abzuschwächen, und namentlich mißlang Herrn Virchow der Beweis, daß seine Partei zu allen Zeiten eine nationalgesinnte gewesen. Ist sie's dennoch ge¬ wesen, so muß sie's sehr tief inwendig gehabt haben; Thaten hat man davon nicht zu sehen bekommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/306>, abgerufen am 29.06.2024.