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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage.

Partei ausgelegt, seine Politik derjenigen der Majorität des Abgeordnetenhauses
untergeordnet und seine Minister nach den Ansichten und der Richtung dieser
Majorität gewählt, wäre mit andern Worten die Hänelsche Legende zur Wirk¬
lichkeit geworden, so hätte Preußen zunächst keine Arinecreorganisation gesehen,
und so wäre, da nur mit einem starken preußischen Heere die deutsche Einheit
herzustellen war, Deutschland noch heute, was es vor dem Sommer 1866 war.
Wäre es ferner 1863 nach dem Willen des preußischen Abgeordnetenhauses ge¬
gange", so hätte man die damalige polnische Insurrektion ermutigt, die schon
als Opposition, als Auflehnung, als Augriff auf eine Regierung sich der Sym¬
pathie der liberalen Majorität erfreute, während die königliche Politik auf
Schonung Rußlands für zukünftige Kriege, für große Zeiten gerichtet war.
Hätte 1864 die Majorität des preußischen Parlaments durch Minister aus
ihrer Mitte regiert, so hätte es in Schleswig-Holstein eine Bundesexekution mit
preußischen Mittel" gegeben, man hätte die gemeinsame Operation mit Öster¬
reich unterlassen und den kläglichen Deutschen Bund verewigt, man wäre ohne
Osterreich sehr wahrscheinlich von den übrigen europäischen Mächten gemaß-
regelt worden und hätte sich bnndesprotokollarisch darein ergeben, mau hätte
ein zweites Olmütz erlebt, ein deutsches Parlament aber wäre nicht vorhanden.
Wenn das geschaffen worden ist, so dankt man es dem Umstände, daß der König
national dachte und fühlte, daß er ein unerschrockenes, zur Ausführung seines
Willens bereites Ministerium fand, und daß er keine ministerielle Hausmeierei
sich bilden ließ, die, gestützt auf erdrückende Majoritäten, ihn von seinen Zielen
abgedrängt hätte.

Der direkte Verkehr des Königs mit dem Volke und seiner Vertretung kann
dem Ansehen der Monarchie nicht schaden, sondern nur nützen. Gerade dadurch
ist das Königtum in Preußen so groß und stark geworden, daß es leisten konnte,
was es geleistet hat. Und deshalb sollte man es fördern und pflegen und nicht
dahin wirken, es durch Nichtgebrauch obsolet und untauglich werden zu sehe".
Wenn man den starken, lebendigen, in unmittelbarer Beziehung zu seinem Volke
stehenden König der ruhmreichen preußischen Geschichte zersetzt und i" ein un¬
sichtbares Wolkenkuckucksheim verflüchtigt, so bringt man dem Staate das Chaos;
denn durch den Willen der Parlamentsmajorität ist er nicht zu ersetzen. Ist
ihm die Verpflichtung auferlegt, stets inoogiriw zu bleiben, hinter, dein Vor¬
hänge, mit der ministeriellen Maske vor dem Gesichte, so ist es viel leichter,
die Regierung anzugreifen und die Wahlen durch Verdächtigungen gegen sie zu
lenke".

Der Vorwurf, daß die Minister, wenn sie den König nennen, ihn persönlich
auftreten und eingreifen lassen, damit Deckung vor dem Parlamente suchen, sich
also feig hinter dem unverantwortliche" Monarchen verstecken, ist ein völlig un¬
begründeter und ungehöriger. Er beruht auf feiten derer, die ihn erheben, auf
Überschätzung ihrer Kraft und Bedeutung. Vor Parlamentsreden zurückzu-


Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage.

Partei ausgelegt, seine Politik derjenigen der Majorität des Abgeordnetenhauses
untergeordnet und seine Minister nach den Ansichten und der Richtung dieser
Majorität gewählt, wäre mit andern Worten die Hänelsche Legende zur Wirk¬
lichkeit geworden, so hätte Preußen zunächst keine Arinecreorganisation gesehen,
und so wäre, da nur mit einem starken preußischen Heere die deutsche Einheit
herzustellen war, Deutschland noch heute, was es vor dem Sommer 1866 war.
Wäre es ferner 1863 nach dem Willen des preußischen Abgeordnetenhauses ge¬
gange», so hätte man die damalige polnische Insurrektion ermutigt, die schon
als Opposition, als Auflehnung, als Augriff auf eine Regierung sich der Sym¬
pathie der liberalen Majorität erfreute, während die königliche Politik auf
Schonung Rußlands für zukünftige Kriege, für große Zeiten gerichtet war.
Hätte 1864 die Majorität des preußischen Parlaments durch Minister aus
ihrer Mitte regiert, so hätte es in Schleswig-Holstein eine Bundesexekution mit
preußischen Mittel» gegeben, man hätte die gemeinsame Operation mit Öster¬
reich unterlassen und den kläglichen Deutschen Bund verewigt, man wäre ohne
Osterreich sehr wahrscheinlich von den übrigen europäischen Mächten gemaß-
regelt worden und hätte sich bnndesprotokollarisch darein ergeben, mau hätte
ein zweites Olmütz erlebt, ein deutsches Parlament aber wäre nicht vorhanden.
Wenn das geschaffen worden ist, so dankt man es dem Umstände, daß der König
national dachte und fühlte, daß er ein unerschrockenes, zur Ausführung seines
Willens bereites Ministerium fand, und daß er keine ministerielle Hausmeierei
sich bilden ließ, die, gestützt auf erdrückende Majoritäten, ihn von seinen Zielen
abgedrängt hätte.

Der direkte Verkehr des Königs mit dem Volke und seiner Vertretung kann
dem Ansehen der Monarchie nicht schaden, sondern nur nützen. Gerade dadurch
ist das Königtum in Preußen so groß und stark geworden, daß es leisten konnte,
was es geleistet hat. Und deshalb sollte man es fördern und pflegen und nicht
dahin wirken, es durch Nichtgebrauch obsolet und untauglich werden zu sehe».
Wenn man den starken, lebendigen, in unmittelbarer Beziehung zu seinem Volke
stehenden König der ruhmreichen preußischen Geschichte zersetzt und i» ein un¬
sichtbares Wolkenkuckucksheim verflüchtigt, so bringt man dem Staate das Chaos;
denn durch den Willen der Parlamentsmajorität ist er nicht zu ersetzen. Ist
ihm die Verpflichtung auferlegt, stets inoogiriw zu bleiben, hinter, dein Vor¬
hänge, mit der ministeriellen Maske vor dem Gesichte, so ist es viel leichter,
die Regierung anzugreifen und die Wahlen durch Verdächtigungen gegen sie zu
lenke».

Der Vorwurf, daß die Minister, wenn sie den König nennen, ihn persönlich
auftreten und eingreifen lassen, damit Deckung vor dem Parlamente suchen, sich
also feig hinter dem unverantwortliche» Monarchen verstecken, ist ein völlig un¬
begründeter und ungehöriger. Er beruht auf feiten derer, die ihn erheben, auf
Überschätzung ihrer Kraft und Bedeutung. Vor Parlamentsreden zurückzu-


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[0304] Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage. Partei ausgelegt, seine Politik derjenigen der Majorität des Abgeordnetenhauses untergeordnet und seine Minister nach den Ansichten und der Richtung dieser Majorität gewählt, wäre mit andern Worten die Hänelsche Legende zur Wirk¬ lichkeit geworden, so hätte Preußen zunächst keine Arinecreorganisation gesehen, und so wäre, da nur mit einem starken preußischen Heere die deutsche Einheit herzustellen war, Deutschland noch heute, was es vor dem Sommer 1866 war. Wäre es ferner 1863 nach dem Willen des preußischen Abgeordnetenhauses ge¬ gange», so hätte man die damalige polnische Insurrektion ermutigt, die schon als Opposition, als Auflehnung, als Augriff auf eine Regierung sich der Sym¬ pathie der liberalen Majorität erfreute, während die königliche Politik auf Schonung Rußlands für zukünftige Kriege, für große Zeiten gerichtet war. Hätte 1864 die Majorität des preußischen Parlaments durch Minister aus ihrer Mitte regiert, so hätte es in Schleswig-Holstein eine Bundesexekution mit preußischen Mittel» gegeben, man hätte die gemeinsame Operation mit Öster¬ reich unterlassen und den kläglichen Deutschen Bund verewigt, man wäre ohne Osterreich sehr wahrscheinlich von den übrigen europäischen Mächten gemaß- regelt worden und hätte sich bnndesprotokollarisch darein ergeben, mau hätte ein zweites Olmütz erlebt, ein deutsches Parlament aber wäre nicht vorhanden. Wenn das geschaffen worden ist, so dankt man es dem Umstände, daß der König national dachte und fühlte, daß er ein unerschrockenes, zur Ausführung seines Willens bereites Ministerium fand, und daß er keine ministerielle Hausmeierei sich bilden ließ, die, gestützt auf erdrückende Majoritäten, ihn von seinen Zielen abgedrängt hätte. Der direkte Verkehr des Königs mit dem Volke und seiner Vertretung kann dem Ansehen der Monarchie nicht schaden, sondern nur nützen. Gerade dadurch ist das Königtum in Preußen so groß und stark geworden, daß es leisten konnte, was es geleistet hat. Und deshalb sollte man es fördern und pflegen und nicht dahin wirken, es durch Nichtgebrauch obsolet und untauglich werden zu sehe». Wenn man den starken, lebendigen, in unmittelbarer Beziehung zu seinem Volke stehenden König der ruhmreichen preußischen Geschichte zersetzt und i» ein un¬ sichtbares Wolkenkuckucksheim verflüchtigt, so bringt man dem Staate das Chaos; denn durch den Willen der Parlamentsmajorität ist er nicht zu ersetzen. Ist ihm die Verpflichtung auferlegt, stets inoogiriw zu bleiben, hinter, dein Vor¬ hänge, mit der ministeriellen Maske vor dem Gesichte, so ist es viel leichter, die Regierung anzugreifen und die Wahlen durch Verdächtigungen gegen sie zu lenke». Der Vorwurf, daß die Minister, wenn sie den König nennen, ihn persönlich auftreten und eingreifen lassen, damit Deckung vor dem Parlamente suchen, sich also feig hinter dem unverantwortliche» Monarchen verstecken, ist ein völlig un¬ begründeter und ungehöriger. Er beruht auf feiten derer, die ihn erheben, auf Überschätzung ihrer Kraft und Bedeutung. Vor Parlamentsreden zurückzu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/304>, abgerufen am 28.09.2024.