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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Lrlaß vom vierten Januar im Reichstage.

lieben Mitteln fernzuhalten, daß es aber im übrigen unmöglich sei, sie an jeder
Wahlagitation zu hindern. Ihr Amt müsse ihnen hier die Grenze ziehen.

Herr Hamel war in seiner Würdigung des Königtums, wie mau zu sagen
pflegt, päpstlicher als der Papst gewesen. Er hatte offenbar gemeint, den Reichs¬
kanzler mit seiner Überschwenglichkeit überbieten und bewundernd vor derselben
verstummen machen zu können. Allein er hatte sich damit verrechnet, und seine
Angriffsmethode erwies sich als verfehlt. Fürst Msmarck ist ein nüchterner
Denker, er kennt keine Doktrin, er hält es mit dem Thatsächlichen, wie es in der
Geschichte und der Gegenwart vorliegt, ohne deshalb der Tiefe zu entbehren,
und so war auch die Rede, mit welcher er den Hämischen Angriff zurückwies,
in ihren staatsrechtlichen Teilen ein Muster realistischer Betrachtung und Schlu߬
folgerung, klar, einfach und für jeden, in dessen Gehirn zweimal zwei uicht fünf
giebt, durchweg überzeugend. Im folgenden geben wir die Quintessenz derselben
in kurzen aus dem Persönlichen und Polemischen ins Objektive übertragenen
Sätzen wieder. Zwar wird sie jedem, der an unserm politischen Leben Anteil
nimmt, noch in den Ohren klingen; aber sie sollte dauernd in der Erinnerung
bleiben, und da die Tagesblätter, welche sie uns vermittelt haben, rasch vom
Winde verweht werden, so werden unsre Leser es uns Dank wissen, wenn wir
ihre Hauptsätze hier fixiren. Mau sollte sie sich in seinen politischen Katechismus
mit roter Tinte s,et ins-rAinein schreiben. Sie verdienen es im vollen Maße;
denn sie können in Zukunft vor mancher Illusion und manchem Mißgriff behüten,
und sie zeigen, was wirklich monarchische Gesinnung ist und was nicht.

Der königliche Erlaß hatte nicht den Zweck, neues Recht zu schaffen, denn
das alte genügt, und er eröffnet keinerlei Aussicht auf einen Konflikt, denn der
König hat in vollem Maße Frieden mit seinem Volke. Auch wenn die fort¬
schrittlichen Liberalen einen Konflikt suchen, so werden sie ihn nicht finden, dafür
verbürgt sich der Reichskanzler. Der Zweck des Erlasses war, die Verdunkelung
des bestehenden Rechtes zu verhüten und die konstitutionellen Legenden zu be¬
kämpfen, die sich wie wucherische Schlingpflanzen um deu klaren Wortlaut der
preußischen Verfassungsurkunde legen und darauf Hinauslaufen, daß man sich
den König als eine Art Ehrenpräsidenten einer Republik denkt, welcher er ein
durch die Volksvertretung, d. h. durch die Liberale" eruauutes Exekutivkomitee,
das Kabinet oder Ministerium giebt. Man verlangt, kurz gesagt, ministerielle
statt königliche Negierung, und man will jene, weil sie die Regierung der Partei
ist. Die preußische Verfassung weiß davon nichts. Wenn sie vom Könige er¬
klärt, er sei unverletzlich, so bedeutet das auch, daß in allen Diskussionen mit
Ehrerbietigkeit von ihm gesprochen werden soll. Wenn sie die Minister als ver¬
antwortlich bezeichnet, so ändert das nichts an dem Rechte, nach welchem der
König regiert. Müssen Negierungsakte des Königs, um giltig zu sein, von
Ministern gegeugezeichuet sein, so werden sie dadurch nicht zu ministerielle" Akten.
Der König regiert vielmehr selbst, die Minister redigiren mir, was dieser be-


Der Lrlaß vom vierten Januar im Reichstage.

lieben Mitteln fernzuhalten, daß es aber im übrigen unmöglich sei, sie an jeder
Wahlagitation zu hindern. Ihr Amt müsse ihnen hier die Grenze ziehen.

Herr Hamel war in seiner Würdigung des Königtums, wie mau zu sagen
pflegt, päpstlicher als der Papst gewesen. Er hatte offenbar gemeint, den Reichs¬
kanzler mit seiner Überschwenglichkeit überbieten und bewundernd vor derselben
verstummen machen zu können. Allein er hatte sich damit verrechnet, und seine
Angriffsmethode erwies sich als verfehlt. Fürst Msmarck ist ein nüchterner
Denker, er kennt keine Doktrin, er hält es mit dem Thatsächlichen, wie es in der
Geschichte und der Gegenwart vorliegt, ohne deshalb der Tiefe zu entbehren,
und so war auch die Rede, mit welcher er den Hämischen Angriff zurückwies,
in ihren staatsrechtlichen Teilen ein Muster realistischer Betrachtung und Schlu߬
folgerung, klar, einfach und für jeden, in dessen Gehirn zweimal zwei uicht fünf
giebt, durchweg überzeugend. Im folgenden geben wir die Quintessenz derselben
in kurzen aus dem Persönlichen und Polemischen ins Objektive übertragenen
Sätzen wieder. Zwar wird sie jedem, der an unserm politischen Leben Anteil
nimmt, noch in den Ohren klingen; aber sie sollte dauernd in der Erinnerung
bleiben, und da die Tagesblätter, welche sie uns vermittelt haben, rasch vom
Winde verweht werden, so werden unsre Leser es uns Dank wissen, wenn wir
ihre Hauptsätze hier fixiren. Mau sollte sie sich in seinen politischen Katechismus
mit roter Tinte s,et ins-rAinein schreiben. Sie verdienen es im vollen Maße;
denn sie können in Zukunft vor mancher Illusion und manchem Mißgriff behüten,
und sie zeigen, was wirklich monarchische Gesinnung ist und was nicht.

Der königliche Erlaß hatte nicht den Zweck, neues Recht zu schaffen, denn
das alte genügt, und er eröffnet keinerlei Aussicht auf einen Konflikt, denn der
König hat in vollem Maße Frieden mit seinem Volke. Auch wenn die fort¬
schrittlichen Liberalen einen Konflikt suchen, so werden sie ihn nicht finden, dafür
verbürgt sich der Reichskanzler. Der Zweck des Erlasses war, die Verdunkelung
des bestehenden Rechtes zu verhüten und die konstitutionellen Legenden zu be¬
kämpfen, die sich wie wucherische Schlingpflanzen um deu klaren Wortlaut der
preußischen Verfassungsurkunde legen und darauf Hinauslaufen, daß man sich
den König als eine Art Ehrenpräsidenten einer Republik denkt, welcher er ein
durch die Volksvertretung, d. h. durch die Liberale» eruauutes Exekutivkomitee,
das Kabinet oder Ministerium giebt. Man verlangt, kurz gesagt, ministerielle
statt königliche Negierung, und man will jene, weil sie die Regierung der Partei
ist. Die preußische Verfassung weiß davon nichts. Wenn sie vom Könige er¬
klärt, er sei unverletzlich, so bedeutet das auch, daß in allen Diskussionen mit
Ehrerbietigkeit von ihm gesprochen werden soll. Wenn sie die Minister als ver¬
antwortlich bezeichnet, so ändert das nichts an dem Rechte, nach welchem der
König regiert. Müssen Negierungsakte des Königs, um giltig zu sein, von
Ministern gegeugezeichuet sein, so werden sie dadurch nicht zu ministerielle» Akten.
Der König regiert vielmehr selbst, die Minister redigiren mir, was dieser be-


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[0302] Der Lrlaß vom vierten Januar im Reichstage. lieben Mitteln fernzuhalten, daß es aber im übrigen unmöglich sei, sie an jeder Wahlagitation zu hindern. Ihr Amt müsse ihnen hier die Grenze ziehen. Herr Hamel war in seiner Würdigung des Königtums, wie mau zu sagen pflegt, päpstlicher als der Papst gewesen. Er hatte offenbar gemeint, den Reichs¬ kanzler mit seiner Überschwenglichkeit überbieten und bewundernd vor derselben verstummen machen zu können. Allein er hatte sich damit verrechnet, und seine Angriffsmethode erwies sich als verfehlt. Fürst Msmarck ist ein nüchterner Denker, er kennt keine Doktrin, er hält es mit dem Thatsächlichen, wie es in der Geschichte und der Gegenwart vorliegt, ohne deshalb der Tiefe zu entbehren, und so war auch die Rede, mit welcher er den Hämischen Angriff zurückwies, in ihren staatsrechtlichen Teilen ein Muster realistischer Betrachtung und Schlu߬ folgerung, klar, einfach und für jeden, in dessen Gehirn zweimal zwei uicht fünf giebt, durchweg überzeugend. Im folgenden geben wir die Quintessenz derselben in kurzen aus dem Persönlichen und Polemischen ins Objektive übertragenen Sätzen wieder. Zwar wird sie jedem, der an unserm politischen Leben Anteil nimmt, noch in den Ohren klingen; aber sie sollte dauernd in der Erinnerung bleiben, und da die Tagesblätter, welche sie uns vermittelt haben, rasch vom Winde verweht werden, so werden unsre Leser es uns Dank wissen, wenn wir ihre Hauptsätze hier fixiren. Mau sollte sie sich in seinen politischen Katechismus mit roter Tinte s,et ins-rAinein schreiben. Sie verdienen es im vollen Maße; denn sie können in Zukunft vor mancher Illusion und manchem Mißgriff behüten, und sie zeigen, was wirklich monarchische Gesinnung ist und was nicht. Der königliche Erlaß hatte nicht den Zweck, neues Recht zu schaffen, denn das alte genügt, und er eröffnet keinerlei Aussicht auf einen Konflikt, denn der König hat in vollem Maße Frieden mit seinem Volke. Auch wenn die fort¬ schrittlichen Liberalen einen Konflikt suchen, so werden sie ihn nicht finden, dafür verbürgt sich der Reichskanzler. Der Zweck des Erlasses war, die Verdunkelung des bestehenden Rechtes zu verhüten und die konstitutionellen Legenden zu be¬ kämpfen, die sich wie wucherische Schlingpflanzen um deu klaren Wortlaut der preußischen Verfassungsurkunde legen und darauf Hinauslaufen, daß man sich den König als eine Art Ehrenpräsidenten einer Republik denkt, welcher er ein durch die Volksvertretung, d. h. durch die Liberale» eruauutes Exekutivkomitee, das Kabinet oder Ministerium giebt. Man verlangt, kurz gesagt, ministerielle statt königliche Negierung, und man will jene, weil sie die Regierung der Partei ist. Die preußische Verfassung weiß davon nichts. Wenn sie vom Könige er¬ klärt, er sei unverletzlich, so bedeutet das auch, daß in allen Diskussionen mit Ehrerbietigkeit von ihm gesprochen werden soll. Wenn sie die Minister als ver¬ antwortlich bezeichnet, so ändert das nichts an dem Rechte, nach welchem der König regiert. Müssen Negierungsakte des Königs, um giltig zu sein, von Ministern gegeugezeichuet sein, so werden sie dadurch nicht zu ministerielle» Akten. Der König regiert vielmehr selbst, die Minister redigiren mir, was dieser be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/302>, abgerufen am 29.06.2024.