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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage.

le Fortschrittspartei hat es für zweckmäßig und unerläßlich erachtet,
den königlichen Erlaß, welcher die verfassnngvinäßige Stellung und
Befugnis der preußische,, Regeute" und deren Anspruch gegenüber
den Beamten definirt, im Reichstage zur Sprache ,in bringen.
Das Selbstgefühl ihres Wortführers aber bei diesem Unternehmen,
das Machtbewnßtsein der ganzen Genossenschaft hat dabei nichts davon getragen,
wozu mau ihr Glück wünschen konnte. Wir andern aber haben Ursache, uns
den Herren verpflichtet zu fühle", daß sie auf diese Weise zur Aufklärung über
eine Frage beigetragen haben, die zwar für den Kenner und Freund unsrer
Verfassung längst entschieden ist, bei der Begehrlichkeit der Parteien aber, welche
über diese hinausstreben und Herrschaft des Parlaments verlangen, trotzdem mehr
oder minder alle in der letzten Zeit verhandelten Spezialfrngeu beeinflußte, sich
in ihnen gewissermaßen abspiegelte und bei ihrer Entscheidung als Hintergedanke
mitwirkte.

Die große Debatte der lctztvcrgaugnen Woche war unstreitig die wichtigste
der diesmaligen Session. Herr Hänel eröffnete den Stnrmlnuf gegen den Erlaß,
gewaffnet mit dem Krebs der Gerechtigkeit und bedeckt rin dem Helm der un¬
verbrüchliche" Köuigstreue, welcher gegenwärtig das Hcmptrüstzeng seiner Partei
bildet und ihr so schön zu Gesichte steht. Er war nicht bloß, wie immer, pathetisch,
der Herr Professor, er wurde stellenweise geradezu überschwenglich. Er beklagte den
Erlaß im Interesse der wahren Macht und der höchsten Würde des Königtums,
das er sich als eine abstrakte, jenseits der Erdensphäre einsam und unnahbar
thronende Potenz konstruirt zu haben schien. Er fand es deshalb ungerecht¬
fertigt und verfassungswidrig, wenn die Minister durch Berufung auf den Willen
des Königs Deckung -- natürlich gegen den Willen des Redners und seiner
Genossen -- gesucht, und erblickte in der königlichen Kundgebung eine Gefährdung
nicht bloß der Konstitution, sondern des monarchischen Prinzips. Deal wolle
man die durch die Verfassung gezognen Grenzen niederreißen und die Person
des Königs in die leidenschaftlichen Erörterungen der Parteien hereinziehen, sie
mit irgend eiuer Negicruugsmaßregel, mit irgend einem Regiernugsshstein, mit
irgend einem Ministerium in eine unlösbare, eine der Zukunft vorgreifende, eine
ihrer wahren Machtstellung präjudizircude Verbindung bringen, so schädige man
das Königtum selbst, und die, welche dafür eingetreten seien, trügen daher eine
große, eine schwere Verantwortlichkeit. Der fortschrittliche Redner kam dann auf
den zweiten Teil des königlichen Erlasses zu sprechen und führte aus, daß die
Beamten aller Kategorien verpflichtet seien, sich von Wahlbeeinflnssnng mit amt-


Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage.

le Fortschrittspartei hat es für zweckmäßig und unerläßlich erachtet,
den königlichen Erlaß, welcher die verfassnngvinäßige Stellung und
Befugnis der preußische,, Regeute» und deren Anspruch gegenüber
den Beamten definirt, im Reichstage zur Sprache ,in bringen.
Das Selbstgefühl ihres Wortführers aber bei diesem Unternehmen,
das Machtbewnßtsein der ganzen Genossenschaft hat dabei nichts davon getragen,
wozu mau ihr Glück wünschen konnte. Wir andern aber haben Ursache, uns
den Herren verpflichtet zu fühle», daß sie auf diese Weise zur Aufklärung über
eine Frage beigetragen haben, die zwar für den Kenner und Freund unsrer
Verfassung längst entschieden ist, bei der Begehrlichkeit der Parteien aber, welche
über diese hinausstreben und Herrschaft des Parlaments verlangen, trotzdem mehr
oder minder alle in der letzten Zeit verhandelten Spezialfrngeu beeinflußte, sich
in ihnen gewissermaßen abspiegelte und bei ihrer Entscheidung als Hintergedanke
mitwirkte.

Die große Debatte der lctztvcrgaugnen Woche war unstreitig die wichtigste
der diesmaligen Session. Herr Hänel eröffnete den Stnrmlnuf gegen den Erlaß,
gewaffnet mit dem Krebs der Gerechtigkeit und bedeckt rin dem Helm der un¬
verbrüchliche» Köuigstreue, welcher gegenwärtig das Hcmptrüstzeng seiner Partei
bildet und ihr so schön zu Gesichte steht. Er war nicht bloß, wie immer, pathetisch,
der Herr Professor, er wurde stellenweise geradezu überschwenglich. Er beklagte den
Erlaß im Interesse der wahren Macht und der höchsten Würde des Königtums,
das er sich als eine abstrakte, jenseits der Erdensphäre einsam und unnahbar
thronende Potenz konstruirt zu haben schien. Er fand es deshalb ungerecht¬
fertigt und verfassungswidrig, wenn die Minister durch Berufung auf den Willen
des Königs Deckung — natürlich gegen den Willen des Redners und seiner
Genossen — gesucht, und erblickte in der königlichen Kundgebung eine Gefährdung
nicht bloß der Konstitution, sondern des monarchischen Prinzips. Deal wolle
man die durch die Verfassung gezognen Grenzen niederreißen und die Person
des Königs in die leidenschaftlichen Erörterungen der Parteien hereinziehen, sie
mit irgend eiuer Negicruugsmaßregel, mit irgend einem Regiernugsshstein, mit
irgend einem Ministerium in eine unlösbare, eine der Zukunft vorgreifende, eine
ihrer wahren Machtstellung präjudizircude Verbindung bringen, so schädige man
das Königtum selbst, und die, welche dafür eingetreten seien, trügen daher eine
große, eine schwere Verantwortlichkeit. Der fortschrittliche Redner kam dann auf
den zweiten Teil des königlichen Erlasses zu sprechen und führte aus, daß die
Beamten aller Kategorien verpflichtet seien, sich von Wahlbeeinflnssnng mit amt-


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[0301] Der Erlaß vom vierten Januar im Reichstage. le Fortschrittspartei hat es für zweckmäßig und unerläßlich erachtet, den königlichen Erlaß, welcher die verfassnngvinäßige Stellung und Befugnis der preußische,, Regeute» und deren Anspruch gegenüber den Beamten definirt, im Reichstage zur Sprache ,in bringen. Das Selbstgefühl ihres Wortführers aber bei diesem Unternehmen, das Machtbewnßtsein der ganzen Genossenschaft hat dabei nichts davon getragen, wozu mau ihr Glück wünschen konnte. Wir andern aber haben Ursache, uns den Herren verpflichtet zu fühle», daß sie auf diese Weise zur Aufklärung über eine Frage beigetragen haben, die zwar für den Kenner und Freund unsrer Verfassung längst entschieden ist, bei der Begehrlichkeit der Parteien aber, welche über diese hinausstreben und Herrschaft des Parlaments verlangen, trotzdem mehr oder minder alle in der letzten Zeit verhandelten Spezialfrngeu beeinflußte, sich in ihnen gewissermaßen abspiegelte und bei ihrer Entscheidung als Hintergedanke mitwirkte. Die große Debatte der lctztvcrgaugnen Woche war unstreitig die wichtigste der diesmaligen Session. Herr Hänel eröffnete den Stnrmlnuf gegen den Erlaß, gewaffnet mit dem Krebs der Gerechtigkeit und bedeckt rin dem Helm der un¬ verbrüchliche» Köuigstreue, welcher gegenwärtig das Hcmptrüstzeng seiner Partei bildet und ihr so schön zu Gesichte steht. Er war nicht bloß, wie immer, pathetisch, der Herr Professor, er wurde stellenweise geradezu überschwenglich. Er beklagte den Erlaß im Interesse der wahren Macht und der höchsten Würde des Königtums, das er sich als eine abstrakte, jenseits der Erdensphäre einsam und unnahbar thronende Potenz konstruirt zu haben schien. Er fand es deshalb ungerecht¬ fertigt und verfassungswidrig, wenn die Minister durch Berufung auf den Willen des Königs Deckung — natürlich gegen den Willen des Redners und seiner Genossen — gesucht, und erblickte in der königlichen Kundgebung eine Gefährdung nicht bloß der Konstitution, sondern des monarchischen Prinzips. Deal wolle man die durch die Verfassung gezognen Grenzen niederreißen und die Person des Königs in die leidenschaftlichen Erörterungen der Parteien hereinziehen, sie mit irgend eiuer Negicruugsmaßregel, mit irgend einem Regiernugsshstein, mit irgend einem Ministerium in eine unlösbare, eine der Zukunft vorgreifende, eine ihrer wahren Machtstellung präjudizircude Verbindung bringen, so schädige man das Königtum selbst, und die, welche dafür eingetreten seien, trügen daher eine große, eine schwere Verantwortlichkeit. Der fortschrittliche Redner kam dann auf den zweiten Teil des königlichen Erlasses zu sprechen und führte aus, daß die Beamten aller Kategorien verpflichtet seien, sich von Wahlbeeinflnssnng mit amt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/301>, abgerufen am 29.06.2024.