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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Gffiziere in den Händen der Wucherer.

Sorgfalt, dazu herrscht auch namentlich im Offizierkorps selbst zu hoher Sinn
für Ehre, wahre Ritterlichkeit und die hohen Aufgaben des Berufs, ein Sinn,
welche-r infolge der durchlebten großen Zeiten sich nnr hat kräftigen und ver¬
tiefen können.

Die Zahl der Opfer, welche genötigt sind, ihrer wucherischer Geldverpflich¬
tungen wegen den Dienst zu verlassen, ist indeß absolut genommen immer noch
groß genug, wenn sie als Prozentsatz des Ganzen mich gering erscheinen mag.
Das Wuchergesetz scheint den bisherigen Erfahrungen nach wenig Schutz zu bieten.
Dieser muß anderwärts gesucht werden, und vor allem dürfte er in der häus-
lichen Erziehung zu finden sein, welche von vornherein den Charakter des Sohnes
zu stärken, ihm bedingungslose Offenheit und wahres Vertrauen zur unverbrüch¬
lichen Lebensregel zu machen suchen muß. Charaktererziehuug ist es auch in der That
hauptsächlich, die den drohenden Gefahren des Wuchers im Offizierkorps bisher
den wirksamsten Damm entgegengesetzt hat. Daneben muß sich freilich die Frage
nach der Möglichkeit materieller Hilfe um so mehr aufdrängen, als erfahrungs-
mäßig die ersten Verlegenheiten eines Offiziers, aus denen sich nachher die ganze
Schuldenlast entwickelt, nur ganz niedrige Ziffern zu erreichen Pflegen.

In der österreichischen Armee hat im Jahre 1869 der Erzherzog Albrecht
aus seinem großen Vermögen einen Darlehnsfonds für Offiziere geschaffen,
"um bedrängte Offiziere vor Wucherern zu bewahren," welcher durch kaiserliche
Munificenz und andere Schenkungen zu einem Vermögensstande von nahezu
einer Million Gulden angewachsen ist, während der zwölfjährigen Dauer seines
Bestehens an 10 567 verschiedene Offiziere im ganzen die Summe von 1 757 933
Gulden ausgeliehen und damit nach Ausweis der jährlich veröffentlichten Rechen¬
schaftsberichte großen Segen gestiftet hat. In der Reichshauptstadt besteht ein
Allgemeiner Beamte"-Darlehns-Verein, und auch in der Armee ist im letzten
Jahrzehnt die Gründung eines ähnlichen Instituts zu verschiedenen Malen an¬
geregt worden. Welche Gründe bisher der Verwirklichung dieser Idee hindernd
in den Weg getreten sind, mag hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls dürften
die Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sein, wenn die Wohlthat einer solchen
Einrichtung erst allgemein erkannt wäre. Die Möglichkeit, bei eintretender
Geldverlegenheit unter bestimmten Bedingungen Hilfe zu legalem Zinsfuße zu
erhalten und die Schuld in Raten zurückzuzahlen, würde es manchem Offizier
erleichtern, eine Jugendthorheit durch Ordnung und Sparsamkeit zu überwinden,
und manche hochachtbare, aber von schwerer Last darniedergebeugte Familie
könnte nach wie vor mit Stolz auf deu Sohn in des Königs Rock blicken.
Hier hätte,? wir das wirksamste Mittel, dem Geier recht eigentlich die Krallen
zu beschneiden.




Die Gffiziere in den Händen der Wucherer.

Sorgfalt, dazu herrscht auch namentlich im Offizierkorps selbst zu hoher Sinn
für Ehre, wahre Ritterlichkeit und die hohen Aufgaben des Berufs, ein Sinn,
welche-r infolge der durchlebten großen Zeiten sich nnr hat kräftigen und ver¬
tiefen können.

Die Zahl der Opfer, welche genötigt sind, ihrer wucherischer Geldverpflich¬
tungen wegen den Dienst zu verlassen, ist indeß absolut genommen immer noch
groß genug, wenn sie als Prozentsatz des Ganzen mich gering erscheinen mag.
Das Wuchergesetz scheint den bisherigen Erfahrungen nach wenig Schutz zu bieten.
Dieser muß anderwärts gesucht werden, und vor allem dürfte er in der häus-
lichen Erziehung zu finden sein, welche von vornherein den Charakter des Sohnes
zu stärken, ihm bedingungslose Offenheit und wahres Vertrauen zur unverbrüch¬
lichen Lebensregel zu machen suchen muß. Charaktererziehuug ist es auch in der That
hauptsächlich, die den drohenden Gefahren des Wuchers im Offizierkorps bisher
den wirksamsten Damm entgegengesetzt hat. Daneben muß sich freilich die Frage
nach der Möglichkeit materieller Hilfe um so mehr aufdrängen, als erfahrungs-
mäßig die ersten Verlegenheiten eines Offiziers, aus denen sich nachher die ganze
Schuldenlast entwickelt, nur ganz niedrige Ziffern zu erreichen Pflegen.

In der österreichischen Armee hat im Jahre 1869 der Erzherzog Albrecht
aus seinem großen Vermögen einen Darlehnsfonds für Offiziere geschaffen,
„um bedrängte Offiziere vor Wucherern zu bewahren," welcher durch kaiserliche
Munificenz und andere Schenkungen zu einem Vermögensstande von nahezu
einer Million Gulden angewachsen ist, während der zwölfjährigen Dauer seines
Bestehens an 10 567 verschiedene Offiziere im ganzen die Summe von 1 757 933
Gulden ausgeliehen und damit nach Ausweis der jährlich veröffentlichten Rechen¬
schaftsberichte großen Segen gestiftet hat. In der Reichshauptstadt besteht ein
Allgemeiner Beamte»-Darlehns-Verein, und auch in der Armee ist im letzten
Jahrzehnt die Gründung eines ähnlichen Instituts zu verschiedenen Malen an¬
geregt worden. Welche Gründe bisher der Verwirklichung dieser Idee hindernd
in den Weg getreten sind, mag hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls dürften
die Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sein, wenn die Wohlthat einer solchen
Einrichtung erst allgemein erkannt wäre. Die Möglichkeit, bei eintretender
Geldverlegenheit unter bestimmten Bedingungen Hilfe zu legalem Zinsfuße zu
erhalten und die Schuld in Raten zurückzuzahlen, würde es manchem Offizier
erleichtern, eine Jugendthorheit durch Ordnung und Sparsamkeit zu überwinden,
und manche hochachtbare, aber von schwerer Last darniedergebeugte Familie
könnte nach wie vor mit Stolz auf deu Sohn in des Königs Rock blicken.
Hier hätte,? wir das wirksamste Mittel, dem Geier recht eigentlich die Krallen
zu beschneiden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/300>, abgerufen am 29.06.2024.