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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Gffiziore in den Händen der Mncherer.

Privatkabmct wohl verschlossen gehaltene Sekretbnch aber würde merkwürdige
Dinge an den Tag bringen. In seiner bürgerlich gediegenen und anspruchslos
hergerichteten, von dem Geschäftslokale möglichst weit entfernten Wohnung em¬
pfängt er nämlich in den Mittagsstunden und nach Schluß des Geschäfts Be¬
suche, die seinen Laden kaum betreten würden, und von denen er auch nicht
wünscht, daß sie ihn betreten. Auch dieser solide Mann kann der Versuchung
nicht widerstehe", sein Geld zu höhere" als den bei reellen Geschäften gebräuch¬
lichen Zinsen "arbeiten" zu lassen. Er hat mit dem Schlepper- und Geld-
mänuertnm keine Gemeinschaft, und sein Name wird nur ganz heimlich von einem
Freunde den: andern ins Ohr geflüstert, wie er denn auch selbst bei jedem "Ge¬
schäft" den Charakter der Gefälligkeit zu betonen pflegt. Er nimmt nur 8 Pro¬
zent für drei Monate, muß dabei allerdings auf einem Ehrenscheine bestehen,
aber nicht, weil er um die Zurückerstattnng des Geldes Sorge trüge, sondern nur,
wie er verbindlich und bedauernd zugleich bemerkt, um sich nicht der Gefahr
auszusetzen, zum Danke für seine Uneigennützigkeit durch so manche böse und
schlechte Menschen als Wucherer an den Pranger gestellt zu werden. Dieser
Ehrenmann hatte im April 1874 einem Offizier unter den oben angedeuteten
Bedingungen 3009 Mark geborgt. Bei den mit großer Bereitwilligkeit zuge¬
standenen Prolongationen wurden die Zinsen stets baar erlegt -- denn
darauf muß der Herr bestehen, das Znschreiben der Zinsen zum Wechsel über¬
läßt er den Wucherern --, und endlich wurde das Kapital am 1. April
1876 zurückgezahlt. Eine zweite "Geschäftsverbindung" mit demselben Offizier
währte mit gleichem Erfolge vom Oktober 1876 bis zum Mai 1878, zu welchem
Zeitpunkte das Kapital in der Höhe wie das erstemal zurückgezahlt wurde.
Zum drittenmale borgte derselbe Offizier wiederum 3000 Mark im Oktober
1878, bezahlte abermals pünktlich die Zinsen, bis am 1. Juli 1880 mit dem
Inkrafttreten des Wnchergesetzes Herr T. die Entdeckung machte, daß er sein
Geld dringend zu einem Haushalt bedürfe. Diesmal wollte er sich weder auf
Prolongation, noch auf Abschlagszahlungen einlassen, drohte, obgleich er in der
Zwischenzeit sein Kapital zweimal zurückerhalten und etwa 168 Prozent an
Zinsen erzielt hatte, mit Klage, und der Offizier verließ den Dienst.

Wenn wir in vorstehenden Zeilen den Schleier gelüftet haben, der das ver¬
werfliche Treiben der Wucherer unter den Offizieren deckt, so soll damit keines¬
wegs eine Verteidigung oder anch nur eine Beschönigung des Thuns solcher
Offiziere beabsichtigt sein, welche dnrch ihre Verbindung mit jenen Vampyren
sich selbst ins Unglück stürzen und unsägliches Leid über ihre Angehörigen ver¬
hängen. Aus eingehender Kenntnis der Verhältnisse können wir der tiefinnerster
Überzeugung Ausdruck geben, daß der Wucher, wenn er auch die ernstesten Ge¬
fahren für einzelne Individuen in sich birgt, doch nicht imstande ist, die Integrität
des Offizierkorps als Gesammtheit auch nur zu tangiren. Dazu überwacht das
Vaterauge des greise" Monarchen sein geliebtes, treues Heer mit zu ernster


Die Gffiziore in den Händen der Mncherer.

Privatkabmct wohl verschlossen gehaltene Sekretbnch aber würde merkwürdige
Dinge an den Tag bringen. In seiner bürgerlich gediegenen und anspruchslos
hergerichteten, von dem Geschäftslokale möglichst weit entfernten Wohnung em¬
pfängt er nämlich in den Mittagsstunden und nach Schluß des Geschäfts Be¬
suche, die seinen Laden kaum betreten würden, und von denen er auch nicht
wünscht, daß sie ihn betreten. Auch dieser solide Mann kann der Versuchung
nicht widerstehe», sein Geld zu höhere» als den bei reellen Geschäften gebräuch¬
lichen Zinsen „arbeiten" zu lassen. Er hat mit dem Schlepper- und Geld-
mänuertnm keine Gemeinschaft, und sein Name wird nur ganz heimlich von einem
Freunde den: andern ins Ohr geflüstert, wie er denn auch selbst bei jedem „Ge¬
schäft" den Charakter der Gefälligkeit zu betonen pflegt. Er nimmt nur 8 Pro¬
zent für drei Monate, muß dabei allerdings auf einem Ehrenscheine bestehen,
aber nicht, weil er um die Zurückerstattnng des Geldes Sorge trüge, sondern nur,
wie er verbindlich und bedauernd zugleich bemerkt, um sich nicht der Gefahr
auszusetzen, zum Danke für seine Uneigennützigkeit durch so manche böse und
schlechte Menschen als Wucherer an den Pranger gestellt zu werden. Dieser
Ehrenmann hatte im April 1874 einem Offizier unter den oben angedeuteten
Bedingungen 3009 Mark geborgt. Bei den mit großer Bereitwilligkeit zuge¬
standenen Prolongationen wurden die Zinsen stets baar erlegt — denn
darauf muß der Herr bestehen, das Znschreiben der Zinsen zum Wechsel über¬
läßt er den Wucherern —, und endlich wurde das Kapital am 1. April
1876 zurückgezahlt. Eine zweite „Geschäftsverbindung" mit demselben Offizier
währte mit gleichem Erfolge vom Oktober 1876 bis zum Mai 1878, zu welchem
Zeitpunkte das Kapital in der Höhe wie das erstemal zurückgezahlt wurde.
Zum drittenmale borgte derselbe Offizier wiederum 3000 Mark im Oktober
1878, bezahlte abermals pünktlich die Zinsen, bis am 1. Juli 1880 mit dem
Inkrafttreten des Wnchergesetzes Herr T. die Entdeckung machte, daß er sein
Geld dringend zu einem Haushalt bedürfe. Diesmal wollte er sich weder auf
Prolongation, noch auf Abschlagszahlungen einlassen, drohte, obgleich er in der
Zwischenzeit sein Kapital zweimal zurückerhalten und etwa 168 Prozent an
Zinsen erzielt hatte, mit Klage, und der Offizier verließ den Dienst.

Wenn wir in vorstehenden Zeilen den Schleier gelüftet haben, der das ver¬
werfliche Treiben der Wucherer unter den Offizieren deckt, so soll damit keines¬
wegs eine Verteidigung oder anch nur eine Beschönigung des Thuns solcher
Offiziere beabsichtigt sein, welche dnrch ihre Verbindung mit jenen Vampyren
sich selbst ins Unglück stürzen und unsägliches Leid über ihre Angehörigen ver¬
hängen. Aus eingehender Kenntnis der Verhältnisse können wir der tiefinnerster
Überzeugung Ausdruck geben, daß der Wucher, wenn er auch die ernstesten Ge¬
fahren für einzelne Individuen in sich birgt, doch nicht imstande ist, die Integrität
des Offizierkorps als Gesammtheit auch nur zu tangiren. Dazu überwacht das
Vaterauge des greise» Monarchen sein geliebtes, treues Heer mit zu ernster


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/299>, abgerufen am 29.06.2024.