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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Offiziere in den HÄnden der Ivucherer,

natürlich etwas derartiges von selbst an, manches Wuchergeschäft zerschlägt sich
gottlob an diesen Zumutungen, und immer bleibt es ein schweres Geschäft, das
Zögern und die Weigerung des jungeu, unerfahrenen Mannes zu überwinden,
welcher mit dem vollzogenen Federstrich ein gutes Stück seines bessern Selbst,
seine Ehre, den Händen eines Schurken überantwortet und sich so fortwährend
am Rande des moralischen und materiellen Ruins sieht, da die That des leicht¬
sinnig verpfändeten Ehrenwortes weder vor der Stimme in der eignen Brust
noch vor dem Richterstuhle der Standesgenossen durch die rechtzeitige Einlösung
ungeschehen gemacht werden kann.

Aus dem ersten "Gefälligkeitsaccept" entwickelt sich nur zu oft im Laufe
der Zeit ein ganzes System von gegenseitig girirten Wechseln, deren Höhe dann
solche Summen zu erreiche" pflegt, um neben dem Untergange junger, hoffnungs¬
voller Existenzen ganze Familien in schwere finanzielle Bedrängnis zu stürzen.
Drei Brüder waren auf solche Weise vor mehreren Jahren an den Rand des
Abgrunds geraten. Der Vater war anßer Stande, zu helfen. Da erklärte sich
der Schwiegervater des einen zur Hilfe für seiner Tochtermann bereit. Aber
nur mit ganz unverhältnismäßig großen Opfern wurde es möglich, diesen aus
den gemeinsamen Verbindlichkeiten zu lösen, da die Wucherer hoffen mochten,
die ganze zu imaginärer Höhe angewachsene Schuld erpressen zu können.

Neben solcher "Geschäftsroutine," die nur in seltnen Füllen von der strafenden
Hand des Richters erreicht wird, wenn sie auch vom Standpunkte der Moral
nicht scharf genug verurteilt werden kann, sind direkte Betrügereien keine Selten¬
heit, mögen diese nun darin bestehen, daß ein unter allerlei Vorspiegelungen er¬
langter Blanco-Wechsel mit einer bedeutenden Zahl ausgefüllt, oder indem ein
Brief auf die vereinbarte Summe deklarirt wird, während der Inhalt eine nicht
unwesentliche Kürzung erweist. Fast immer scheut der Betrogene die Öffent¬
lichkeit, und der Gauner hat richtig spekulirt, wenn er hofft, daß die Ange¬
legenheit vertuscht bleiben würde.

Ungleich gefährlicher aber noch als die Geschilderte", deren Namen und
Wirken wenigstens bekannt und von Presse und öffentlicher Mmumg genugsam
gebrandmarkt sind, erscheint eine Gattung von Geschäftsleuten, welche ganz im
Geheimen und ziemlich unerkannt ihr Wesen treiben.

Als Inhaber eines gut gehenden offenen Geschäfts in einer belebten Straße
der Königstadt und Besitzer mehrerer, zu den Zeiten des Krachs unter günstigen
Bedingungen erstandenen Zinshäuser, genießt Herr F. allgemein das Ansehen
eines soliden Kaufmanns und Bürgers. In den fortschrittlichen Versammlungen
seines Stadtteils spielt er eine Rolle, und wenn der politische Ring in den kom¬
munalen Angelegenheiten sich erhält, so wird er gewiß noch seinen Platz in der
Stadtverordnetenversammlung erobern. Seine Geschäftsbücher, welche jedermann
einsehen könnte, werden aufs peinlichste geführt und weisen den stetig wachsenden
Wohlstand des trefflichen Mannes nach. Das von ihm selbst geführte und im


Die Offiziere in den HÄnden der Ivucherer,

natürlich etwas derartiges von selbst an, manches Wuchergeschäft zerschlägt sich
gottlob an diesen Zumutungen, und immer bleibt es ein schweres Geschäft, das
Zögern und die Weigerung des jungeu, unerfahrenen Mannes zu überwinden,
welcher mit dem vollzogenen Federstrich ein gutes Stück seines bessern Selbst,
seine Ehre, den Händen eines Schurken überantwortet und sich so fortwährend
am Rande des moralischen und materiellen Ruins sieht, da die That des leicht¬
sinnig verpfändeten Ehrenwortes weder vor der Stimme in der eignen Brust
noch vor dem Richterstuhle der Standesgenossen durch die rechtzeitige Einlösung
ungeschehen gemacht werden kann.

Aus dem ersten „Gefälligkeitsaccept" entwickelt sich nur zu oft im Laufe
der Zeit ein ganzes System von gegenseitig girirten Wechseln, deren Höhe dann
solche Summen zu erreiche» pflegt, um neben dem Untergange junger, hoffnungs¬
voller Existenzen ganze Familien in schwere finanzielle Bedrängnis zu stürzen.
Drei Brüder waren auf solche Weise vor mehreren Jahren an den Rand des
Abgrunds geraten. Der Vater war anßer Stande, zu helfen. Da erklärte sich
der Schwiegervater des einen zur Hilfe für seiner Tochtermann bereit. Aber
nur mit ganz unverhältnismäßig großen Opfern wurde es möglich, diesen aus
den gemeinsamen Verbindlichkeiten zu lösen, da die Wucherer hoffen mochten,
die ganze zu imaginärer Höhe angewachsene Schuld erpressen zu können.

Neben solcher „Geschäftsroutine," die nur in seltnen Füllen von der strafenden
Hand des Richters erreicht wird, wenn sie auch vom Standpunkte der Moral
nicht scharf genug verurteilt werden kann, sind direkte Betrügereien keine Selten¬
heit, mögen diese nun darin bestehen, daß ein unter allerlei Vorspiegelungen er¬
langter Blanco-Wechsel mit einer bedeutenden Zahl ausgefüllt, oder indem ein
Brief auf die vereinbarte Summe deklarirt wird, während der Inhalt eine nicht
unwesentliche Kürzung erweist. Fast immer scheut der Betrogene die Öffent¬
lichkeit, und der Gauner hat richtig spekulirt, wenn er hofft, daß die Ange¬
legenheit vertuscht bleiben würde.

Ungleich gefährlicher aber noch als die Geschilderte», deren Namen und
Wirken wenigstens bekannt und von Presse und öffentlicher Mmumg genugsam
gebrandmarkt sind, erscheint eine Gattung von Geschäftsleuten, welche ganz im
Geheimen und ziemlich unerkannt ihr Wesen treiben.

Als Inhaber eines gut gehenden offenen Geschäfts in einer belebten Straße
der Königstadt und Besitzer mehrerer, zu den Zeiten des Krachs unter günstigen
Bedingungen erstandenen Zinshäuser, genießt Herr F. allgemein das Ansehen
eines soliden Kaufmanns und Bürgers. In den fortschrittlichen Versammlungen
seines Stadtteils spielt er eine Rolle, und wenn der politische Ring in den kom¬
munalen Angelegenheiten sich erhält, so wird er gewiß noch seinen Platz in der
Stadtverordnetenversammlung erobern. Seine Geschäftsbücher, welche jedermann
einsehen könnte, werden aufs peinlichste geführt und weisen den stetig wachsenden
Wohlstand des trefflichen Mannes nach. Das von ihm selbst geführte und im


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[0298] Die Offiziere in den HÄnden der Ivucherer, natürlich etwas derartiges von selbst an, manches Wuchergeschäft zerschlägt sich gottlob an diesen Zumutungen, und immer bleibt es ein schweres Geschäft, das Zögern und die Weigerung des jungeu, unerfahrenen Mannes zu überwinden, welcher mit dem vollzogenen Federstrich ein gutes Stück seines bessern Selbst, seine Ehre, den Händen eines Schurken überantwortet und sich so fortwährend am Rande des moralischen und materiellen Ruins sieht, da die That des leicht¬ sinnig verpfändeten Ehrenwortes weder vor der Stimme in der eignen Brust noch vor dem Richterstuhle der Standesgenossen durch die rechtzeitige Einlösung ungeschehen gemacht werden kann. Aus dem ersten „Gefälligkeitsaccept" entwickelt sich nur zu oft im Laufe der Zeit ein ganzes System von gegenseitig girirten Wechseln, deren Höhe dann solche Summen zu erreiche» pflegt, um neben dem Untergange junger, hoffnungs¬ voller Existenzen ganze Familien in schwere finanzielle Bedrängnis zu stürzen. Drei Brüder waren auf solche Weise vor mehreren Jahren an den Rand des Abgrunds geraten. Der Vater war anßer Stande, zu helfen. Da erklärte sich der Schwiegervater des einen zur Hilfe für seiner Tochtermann bereit. Aber nur mit ganz unverhältnismäßig großen Opfern wurde es möglich, diesen aus den gemeinsamen Verbindlichkeiten zu lösen, da die Wucherer hoffen mochten, die ganze zu imaginärer Höhe angewachsene Schuld erpressen zu können. Neben solcher „Geschäftsroutine," die nur in seltnen Füllen von der strafenden Hand des Richters erreicht wird, wenn sie auch vom Standpunkte der Moral nicht scharf genug verurteilt werden kann, sind direkte Betrügereien keine Selten¬ heit, mögen diese nun darin bestehen, daß ein unter allerlei Vorspiegelungen er¬ langter Blanco-Wechsel mit einer bedeutenden Zahl ausgefüllt, oder indem ein Brief auf die vereinbarte Summe deklarirt wird, während der Inhalt eine nicht unwesentliche Kürzung erweist. Fast immer scheut der Betrogene die Öffent¬ lichkeit, und der Gauner hat richtig spekulirt, wenn er hofft, daß die Ange¬ legenheit vertuscht bleiben würde. Ungleich gefährlicher aber noch als die Geschilderte», deren Namen und Wirken wenigstens bekannt und von Presse und öffentlicher Mmumg genugsam gebrandmarkt sind, erscheint eine Gattung von Geschäftsleuten, welche ganz im Geheimen und ziemlich unerkannt ihr Wesen treiben. Als Inhaber eines gut gehenden offenen Geschäfts in einer belebten Straße der Königstadt und Besitzer mehrerer, zu den Zeiten des Krachs unter günstigen Bedingungen erstandenen Zinshäuser, genießt Herr F. allgemein das Ansehen eines soliden Kaufmanns und Bürgers. In den fortschrittlichen Versammlungen seines Stadtteils spielt er eine Rolle, und wenn der politische Ring in den kom¬ munalen Angelegenheiten sich erhält, so wird er gewiß noch seinen Platz in der Stadtverordnetenversammlung erobern. Seine Geschäftsbücher, welche jedermann einsehen könnte, werden aufs peinlichste geführt und weisen den stetig wachsenden Wohlstand des trefflichen Mannes nach. Das von ihm selbst geführte und im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/298>, abgerufen am 29.06.2024.