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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die (Offiziere in den Händen der Mucherer.

der Herren zwei verschiedene Höhlen sein eigen nennt, aus denen heraus er die
Fliegen ins Garn lockt. Diese sämmtlichen Blutsauger unterhalten gegenseitige
Verbindung und tauschen ihre Erfahrungen ans der z. B, in Berlin abends in
der Passage unter den Linden abgehaltenen "Offiziers-Wechsel-Börse" aus.

In welcher Weise hier förmlich Buch über die Opfer geführt wird und wie
von einem Mittelpunkte aus viele solcher Angelegenheiten geleitet werden, tritt
klar zu Tage in folgenden authentische" Beispielen. Vor mehreren Jahren wollte
ein Offizier eine Summe Geldes borgen und wandte sich an eine Adresse, die
er dem Kladderadatsch entnahm. Der Inserent versprach bereitwillig das Geld
für den folgenden Tag -- ein beliebter Kunstgriff, um in der Zwischenzeit Er¬
kundigungen einzuziehen --, machte dann Schwierigkeiten und zeigte schließlich
ein Telegramm des "Geldgebers" vor: "Mit X. mache nicht, ist schon bei A.
engagirt." Ein früherer großer Viehhändler, welcher jetzt als sogenannter Rentier
in Berlin lebt und dessen Beziehungen zu solchen Kreisen niemand vermutet,
wurde einst von einem Herrn aus der Provinz, der ihn seiner bei früheren Kauf¬
geschäften bewiesenen Neellität wegen schätzen zu müssen glaubte, um seine Ver¬
mittlung zur Wiedererlangung gewisser Wechsel eines leichtsinnigen Verwandten er¬
sucht. Herr S. erklärte sich dazu bereit, teilte aber zu gleicher Zeit dem erstaunten
Provinzialen mit, daß sein Vetter noch andre Schulden habe. Er wußte sogar
genau, wie hoch die verschiedenen Wechsel sich beliefen, und in wessen Händen
sie sich befanden, und glaubte entschuldigend hinzusetzen zu sollen, daß sein "junger
Mann" einen andern "jungen Mann" kenne, der mit einer Wucherfirma in
Verbindung stünde. "

In den öffentlichen Ankündigungen findet sich seit Erlaß des Wnchergesetzes
hänfig die Zusicherung eines Zinsfußes von 5 bis 6 Prozent. Dies darf aber
nur als eine äußerliche Konzession an das Gesetz betrachtet werden, die schwerlich
jemals crust zu nehmen ist. Vielmehr ist man zu der Annahme berechtigt, daß
der Wucherer mit der Furcht vor den Folgen wahrscheinlich vorsichtiger, bestimmt
aber auch -- teurer geworden ist. Die Form der Verhandlung mag eine
andre geworden sein, wirklicher Zins vielleicht nur nach jenem Satze berechnet
und die andern Abgaben unter dem Titel von Provisionen, Courtage, Damno
erhoben werden, Worte, welche der unglückliche Borger kaum versteht, wie denn
das Verrechnen schlechter Papiere zu hohem Kurs in dieser Richtung eine be¬
deutende Rolle spielt. Der Kern der Sache aber, das Bestreben, aus dem Dar¬
leihen von Geld gewerbsmäßig einen unverhältnismäßig hohen Nutzen zu ziehen,
ist unverändert derselbe geblieben. Dieser Nutzen berechnet sich im Minimum,
unter welchem Namen und durch welche Winkelzüge man immer will, auf 2S
Prozent gegen Wechsel auf drei Monate. Diese Zinsen werden vorweg in Abzug
gebracht, so daß der Borger, indem er mittels "Valutenscheiues" über 400 Mark
quittirt, nur 300 Mark erhält. Häufig behält der Darleiher noch weitere be¬
deutende Prozente hinter sich, welche er sich schriftlich von dem "prompt" be-


Die (Offiziere in den Händen der Mucherer.

der Herren zwei verschiedene Höhlen sein eigen nennt, aus denen heraus er die
Fliegen ins Garn lockt. Diese sämmtlichen Blutsauger unterhalten gegenseitige
Verbindung und tauschen ihre Erfahrungen ans der z. B, in Berlin abends in
der Passage unter den Linden abgehaltenen „Offiziers-Wechsel-Börse" aus.

In welcher Weise hier förmlich Buch über die Opfer geführt wird und wie
von einem Mittelpunkte aus viele solcher Angelegenheiten geleitet werden, tritt
klar zu Tage in folgenden authentische» Beispielen. Vor mehreren Jahren wollte
ein Offizier eine Summe Geldes borgen und wandte sich an eine Adresse, die
er dem Kladderadatsch entnahm. Der Inserent versprach bereitwillig das Geld
für den folgenden Tag — ein beliebter Kunstgriff, um in der Zwischenzeit Er¬
kundigungen einzuziehen —, machte dann Schwierigkeiten und zeigte schließlich
ein Telegramm des „Geldgebers" vor: „Mit X. mache nicht, ist schon bei A.
engagirt." Ein früherer großer Viehhändler, welcher jetzt als sogenannter Rentier
in Berlin lebt und dessen Beziehungen zu solchen Kreisen niemand vermutet,
wurde einst von einem Herrn aus der Provinz, der ihn seiner bei früheren Kauf¬
geschäften bewiesenen Neellität wegen schätzen zu müssen glaubte, um seine Ver¬
mittlung zur Wiedererlangung gewisser Wechsel eines leichtsinnigen Verwandten er¬
sucht. Herr S. erklärte sich dazu bereit, teilte aber zu gleicher Zeit dem erstaunten
Provinzialen mit, daß sein Vetter noch andre Schulden habe. Er wußte sogar
genau, wie hoch die verschiedenen Wechsel sich beliefen, und in wessen Händen
sie sich befanden, und glaubte entschuldigend hinzusetzen zu sollen, daß sein „junger
Mann" einen andern „jungen Mann" kenne, der mit einer Wucherfirma in
Verbindung stünde. «

In den öffentlichen Ankündigungen findet sich seit Erlaß des Wnchergesetzes
hänfig die Zusicherung eines Zinsfußes von 5 bis 6 Prozent. Dies darf aber
nur als eine äußerliche Konzession an das Gesetz betrachtet werden, die schwerlich
jemals crust zu nehmen ist. Vielmehr ist man zu der Annahme berechtigt, daß
der Wucherer mit der Furcht vor den Folgen wahrscheinlich vorsichtiger, bestimmt
aber auch — teurer geworden ist. Die Form der Verhandlung mag eine
andre geworden sein, wirklicher Zins vielleicht nur nach jenem Satze berechnet
und die andern Abgaben unter dem Titel von Provisionen, Courtage, Damno
erhoben werden, Worte, welche der unglückliche Borger kaum versteht, wie denn
das Verrechnen schlechter Papiere zu hohem Kurs in dieser Richtung eine be¬
deutende Rolle spielt. Der Kern der Sache aber, das Bestreben, aus dem Dar¬
leihen von Geld gewerbsmäßig einen unverhältnismäßig hohen Nutzen zu ziehen,
ist unverändert derselbe geblieben. Dieser Nutzen berechnet sich im Minimum,
unter welchem Namen und durch welche Winkelzüge man immer will, auf 2S
Prozent gegen Wechsel auf drei Monate. Diese Zinsen werden vorweg in Abzug
gebracht, so daß der Borger, indem er mittels „Valutenscheiues" über 400 Mark
quittirt, nur 300 Mark erhält. Häufig behält der Darleiher noch weitere be¬
deutende Prozente hinter sich, welche er sich schriftlich von dem „prompt" be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/296>, abgerufen am 29.06.2024.