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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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verbotene Bücher.

Durchlauchtigster ;c.

Ew. Churfürst!, Durchl, Verhalten wir nicht, daß in angeschlossenen drama¬
tischen Gedicht, Gotthold Ephraim Lessings, bediente: Nathan der Weise, wir unter¬
schiedene, der christlichen Religion sehr anstößige Stellen angetroffen haben, welche,
ob sie gleich jüdischen und türkischen Personen in den Mund geleget sind, in den
Gemüthern vieler, dergleichen Schrifften lesender, sonderlich junger Leute, gar schäd¬
liche Eindrücke machen möchten. Vornemlich scheinen uns die Mg. 56. 33. 99.
117. 120. lin, mit" usq.. Mg', 126, 182, se 185. angebrachten Vergleich-und Be¬
urtheilungen sin der Absicht, um bey dem Leser und Zuschauer eine Gleichgültig¬
keit gegen alle, sowohl christliche als unchristliche Religionen zu bewürken, hin¬
geschrieben, mithin^ von der Beschaffenheit zu seyn, daß diesem Inivrosso der Umlauf
wohl nicht zu gestatten seyn dürffte. Nur das demselben, besage des Tituls, er¬
theilte gnädigste?i'ivilvg'wir hat uns mit der OonlisWi-lion noch anzustehen und zu¬
förderst Höchst Deroselben huldreichste üosolutivn dieserhalb treugehorsamst zu er¬
warten bewogen. Die wir in tiefster Devotion beharren

Sign. Leipzig, den 27, Mohr. 1779.


Ew, Churfürst!, Durchl.unterthänigst
gehorsamste
v. C. A. B.
D, RzL.

Das Schreiben ist kvnzipirt von dem damaligen Oberstadtschreiber Leipzigs
Simon Friedrich Olbrccht; die eingeklammerte Stelle ist am Rande hinzugesetzt,
und zwar, wie die mehrfach in den Akten jener Jahre wiederkehrende Hand¬
schrift zeigt, von dem damaligen Professor der Eloquenz, August Wilhelm
Ernesti, der 1782 Beis Nachfolger bei der Bücherkommissivn wurde, aber
schon in den letzten Jahren vorher ihn gelegentlich vertrat. Da ihm also das
Schreiben vor der Mundirung vorgelegt wurde, so ist es höchst wahrschein¬
lich, daß auch in diesem Falle der erste Schritt von der theologischen Fakultät
ausging, die sich ebenso wie bei dem Verbote des Werther an den Universitcits-
deputirten der Büchcrkommission wandte. Von den sieben als besonders an¬
stößig hervorgehobenen Stellen wird der Leser in der fünften, die über sechs
Seiten einnimmt, mit Recht die Erzählung von den drei Ringen vermuten.
Die übrigen Stellen sind folgende; ich setze sie her, weil die Originalausgabe
des Nathan wohl den wenigsten zur Hand sein wird:

S, 56. 11,1 Sittah: Du kennst die Christen nicht ze,
S. 83. 11,5 Nathan: Sind Christ und Jude eher Christ und Jude als Mensch?
S, 99. 111,1 Rachen Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott ze,
S. 117, 111,5 Saladin: Von diesen drei Religionen kann doch eine nnr ze,
S, 182. IV,7 Klosterbruder: Das ist die Sünde, die aller Sünden größte Sund'
uns gilt.
S. 135. IV,7 Klosterbruder: Und ist den" nicht das ganze Christenthum muss
Judenthum gebant?

Daß das Schreiben nicht etwa im Konzept liegen geblieben, sondern wirklich
an das Oberkonsistorium nach Dresden abgeschickt worden ist, unterliegt keinem


verbotene Bücher.

Durchlauchtigster ;c.

Ew. Churfürst!, Durchl, Verhalten wir nicht, daß in angeschlossenen drama¬
tischen Gedicht, Gotthold Ephraim Lessings, bediente: Nathan der Weise, wir unter¬
schiedene, der christlichen Religion sehr anstößige Stellen angetroffen haben, welche,
ob sie gleich jüdischen und türkischen Personen in den Mund geleget sind, in den
Gemüthern vieler, dergleichen Schrifften lesender, sonderlich junger Leute, gar schäd¬
liche Eindrücke machen möchten. Vornemlich scheinen uns die Mg. 56. 33. 99.
117. 120. lin, mit„ usq.. Mg', 126, 182, se 185. angebrachten Vergleich-und Be¬
urtheilungen sin der Absicht, um bey dem Leser und Zuschauer eine Gleichgültig¬
keit gegen alle, sowohl christliche als unchristliche Religionen zu bewürken, hin¬
geschrieben, mithin^ von der Beschaffenheit zu seyn, daß diesem Inivrosso der Umlauf
wohl nicht zu gestatten seyn dürffte. Nur das demselben, besage des Tituls, er¬
theilte gnädigste?i'ivilvg'wir hat uns mit der OonlisWi-lion noch anzustehen und zu¬
förderst Höchst Deroselben huldreichste üosolutivn dieserhalb treugehorsamst zu er¬
warten bewogen. Die wir in tiefster Devotion beharren

Sign. Leipzig, den 27, Mohr. 1779.


Ew, Churfürst!, Durchl.unterthänigst
gehorsamste
v. C. A. B.
D, RzL.

Das Schreiben ist kvnzipirt von dem damaligen Oberstadtschreiber Leipzigs
Simon Friedrich Olbrccht; die eingeklammerte Stelle ist am Rande hinzugesetzt,
und zwar, wie die mehrfach in den Akten jener Jahre wiederkehrende Hand¬
schrift zeigt, von dem damaligen Professor der Eloquenz, August Wilhelm
Ernesti, der 1782 Beis Nachfolger bei der Bücherkommissivn wurde, aber
schon in den letzten Jahren vorher ihn gelegentlich vertrat. Da ihm also das
Schreiben vor der Mundirung vorgelegt wurde, so ist es höchst wahrschein¬
lich, daß auch in diesem Falle der erste Schritt von der theologischen Fakultät
ausging, die sich ebenso wie bei dem Verbote des Werther an den Universitcits-
deputirten der Büchcrkommission wandte. Von den sieben als besonders an¬
stößig hervorgehobenen Stellen wird der Leser in der fünften, die über sechs
Seiten einnimmt, mit Recht die Erzählung von den drei Ringen vermuten.
Die übrigen Stellen sind folgende; ich setze sie her, weil die Originalausgabe
des Nathan wohl den wenigsten zur Hand sein wird:

S, 56. 11,1 Sittah: Du kennst die Christen nicht ze,
S. 83. 11,5 Nathan: Sind Christ und Jude eher Christ und Jude als Mensch?
S, 99. 111,1 Rachen Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott ze,
S. 117, 111,5 Saladin: Von diesen drei Religionen kann doch eine nnr ze,
S, 182. IV,7 Klosterbruder: Das ist die Sünde, die aller Sünden größte Sund'
uns gilt.
S. 135. IV,7 Klosterbruder: Und ist den» nicht das ganze Christenthum muss
Judenthum gebant?

Daß das Schreiben nicht etwa im Konzept liegen geblieben, sondern wirklich
an das Oberkonsistorium nach Dresden abgeschickt worden ist, unterliegt keinem


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[0292] verbotene Bücher. Durchlauchtigster ;c. Ew. Churfürst!, Durchl, Verhalten wir nicht, daß in angeschlossenen drama¬ tischen Gedicht, Gotthold Ephraim Lessings, bediente: Nathan der Weise, wir unter¬ schiedene, der christlichen Religion sehr anstößige Stellen angetroffen haben, welche, ob sie gleich jüdischen und türkischen Personen in den Mund geleget sind, in den Gemüthern vieler, dergleichen Schrifften lesender, sonderlich junger Leute, gar schäd¬ liche Eindrücke machen möchten. Vornemlich scheinen uns die Mg. 56. 33. 99. 117. 120. lin, mit„ usq.. Mg', 126, 182, se 185. angebrachten Vergleich-und Be¬ urtheilungen sin der Absicht, um bey dem Leser und Zuschauer eine Gleichgültig¬ keit gegen alle, sowohl christliche als unchristliche Religionen zu bewürken, hin¬ geschrieben, mithin^ von der Beschaffenheit zu seyn, daß diesem Inivrosso der Umlauf wohl nicht zu gestatten seyn dürffte. Nur das demselben, besage des Tituls, er¬ theilte gnädigste?i'ivilvg'wir hat uns mit der OonlisWi-lion noch anzustehen und zu¬ förderst Höchst Deroselben huldreichste üosolutivn dieserhalb treugehorsamst zu er¬ warten bewogen. Die wir in tiefster Devotion beharren Sign. Leipzig, den 27, Mohr. 1779. Ew, Churfürst!, Durchl.unterthänigst gehorsamste v. C. A. B. D, RzL. Das Schreiben ist kvnzipirt von dem damaligen Oberstadtschreiber Leipzigs Simon Friedrich Olbrccht; die eingeklammerte Stelle ist am Rande hinzugesetzt, und zwar, wie die mehrfach in den Akten jener Jahre wiederkehrende Hand¬ schrift zeigt, von dem damaligen Professor der Eloquenz, August Wilhelm Ernesti, der 1782 Beis Nachfolger bei der Bücherkommissivn wurde, aber schon in den letzten Jahren vorher ihn gelegentlich vertrat. Da ihm also das Schreiben vor der Mundirung vorgelegt wurde, so ist es höchst wahrschein¬ lich, daß auch in diesem Falle der erste Schritt von der theologischen Fakultät ausging, die sich ebenso wie bei dem Verbote des Werther an den Universitcits- deputirten der Büchcrkommission wandte. Von den sieben als besonders an¬ stößig hervorgehobenen Stellen wird der Leser in der fünften, die über sechs Seiten einnimmt, mit Recht die Erzählung von den drei Ringen vermuten. Die übrigen Stellen sind folgende; ich setze sie her, weil die Originalausgabe des Nathan wohl den wenigsten zur Hand sein wird: S, 56. 11,1 Sittah: Du kennst die Christen nicht ze, S. 83. 11,5 Nathan: Sind Christ und Jude eher Christ und Jude als Mensch? S, 99. 111,1 Rachen Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott ze, S. 117, 111,5 Saladin: Von diesen drei Religionen kann doch eine nnr ze, S, 182. IV,7 Klosterbruder: Das ist die Sünde, die aller Sünden größte Sund' uns gilt. S. 135. IV,7 Klosterbruder: Und ist den» nicht das ganze Christenthum muss Judenthum gebant? Daß das Schreiben nicht etwa im Konzept liegen geblieben, sondern wirklich an das Oberkonsistorium nach Dresden abgeschickt worden ist, unterliegt keinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/292>, abgerufen am 29.06.2024.