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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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verbotene Bücher.

Hochedelgebohrne Hochachtbare und
Hochgclahrte Herrn vommissarii,
Hochgeueigte Gönner,

Eurer Hochedelgebohruen sehe ich mich genöthiget eine neuherausgekommene
Schrift anzuzeigen, die meinem guten Namen so ehrenrührig, und überhaupt unsrer
Universität so nachtheilig ist, daß sie den Namen einer boshaften Pasquills un¬
streitig verdienet. Wann es nun deu weisesten Landesgesetzen gar nicht gemäß ist,
dergleichen '^ibvllo8 5g.mosos, wie wohl mehrmals geschehen in den Buchläden roulliieu
zu lassen; als ersuche Eure Hochedelgebohruen, denen die Aufsicht über das Bücher-
Wesen von Sr. Kön, Majestät allergnädigst anvertrauet worden, ergebenst, auch das
so betitelte:

Schreiben an Herrn oder Anmerkungen eines Freundes aus Leipzig,
über Hrn. Gottscheds Brief vom 1V. Sept. 1756. an Hr. Grimmen in Paris.
1757. in 8. 2. Bogen stark.

allenthalben eoubseirsu und wegnehmen zu lassen, auch auf den Drucker und Ur¬
heber, nach Vorschrift der Gesetze fleißigst zu my.nil'iren, damit beyde zu verdienter
Strafe gezogen werden können.

Für solche Gewogenheit und bezeigte Sorgfalt, den ehrlichen Namen, von
einem treuen Unterthan Seiner Königl. Majestät und Churf. Durchl. zu schützen,
der nun über die 30 Jahre dieser Hohen Schule eifrig und redlich gedienet, werde
ich jederzeit mit aller schuldigen Erkenntlichkeit und Ergebenheit beharren


Eurer Hochedelgebohruen
Meiner insonders Hochzuehreudeu Herrn
Leipzig
d. 17. Aug.
1757. gehorsamer
und
verbundener
Diener
Joh. Chr. Gottsched
x. 0.

Der Bücherinspektor begab sich auf diese Anzeige hin zu allen Buchhändlern Leipzigs,
erhielt aber bei den meisten den Bescheid, daß ihnen die angeführte Schrift zur
Zeit noch gänzlich unbekannt sei, und alle versicherten, daß sie nicht ein einziges
Exemplar derselben gehabt hätten, übrigens auch glaubten, daß die Schrift gar
nicht in Leipzig gedruckt sei.

Ich übergehe das nächste Jahrzehnt, um zum Schlüsse noch ein paar merk¬
würdige kurze Dokumente aus den siebziger Jahren mitzuteilen: das Verbot
von Goethes Werther und einen Angriff auf Lessings Nathan.

Daß der Werther in Leipzig verboten wurde, ist nicht unbekannt; über
die nähern Umstände des Verbotes aber war man bisher auf eine etwas frag¬
würdige Quelle angewiesen: auf das Spottgedicht Marcks "Palus und Arria
eine Künstlerromanze." Dort heißt es zu Anfange:


[Beginn Spaltensatz] In einer Stadt, wo alles frei
Wird aus- und eingeführet,
Und wo, wenn's den Transit bezahlt,
Auch wohl Genie passiret, [Spaltenumbruch] Da kam auch einst ein junger Mann
Aus die berühmte Messen,
Der hatt' an Kunst und an Gefühl
Den Gecken sich gefressen, [Ende Spaltensatz]

verbotene Bücher.

Hochedelgebohrne Hochachtbare und
Hochgclahrte Herrn vommissarii,
Hochgeueigte Gönner,

Eurer Hochedelgebohruen sehe ich mich genöthiget eine neuherausgekommene
Schrift anzuzeigen, die meinem guten Namen so ehrenrührig, und überhaupt unsrer
Universität so nachtheilig ist, daß sie den Namen einer boshaften Pasquills un¬
streitig verdienet. Wann es nun deu weisesten Landesgesetzen gar nicht gemäß ist,
dergleichen '^ibvllo8 5g.mosos, wie wohl mehrmals geschehen in den Buchläden roulliieu
zu lassen; als ersuche Eure Hochedelgebohruen, denen die Aufsicht über das Bücher-
Wesen von Sr. Kön, Majestät allergnädigst anvertrauet worden, ergebenst, auch das
so betitelte:

Schreiben an Herrn oder Anmerkungen eines Freundes aus Leipzig,
über Hrn. Gottscheds Brief vom 1V. Sept. 1756. an Hr. Grimmen in Paris.
1757. in 8. 2. Bogen stark.

allenthalben eoubseirsu und wegnehmen zu lassen, auch auf den Drucker und Ur¬
heber, nach Vorschrift der Gesetze fleißigst zu my.nil'iren, damit beyde zu verdienter
Strafe gezogen werden können.

Für solche Gewogenheit und bezeigte Sorgfalt, den ehrlichen Namen, von
einem treuen Unterthan Seiner Königl. Majestät und Churf. Durchl. zu schützen,
der nun über die 30 Jahre dieser Hohen Schule eifrig und redlich gedienet, werde
ich jederzeit mit aller schuldigen Erkenntlichkeit und Ergebenheit beharren


Eurer Hochedelgebohruen
Meiner insonders Hochzuehreudeu Herrn
Leipzig
d. 17. Aug.
1757. gehorsamer
und
verbundener
Diener
Joh. Chr. Gottsched
x. 0.

Der Bücherinspektor begab sich auf diese Anzeige hin zu allen Buchhändlern Leipzigs,
erhielt aber bei den meisten den Bescheid, daß ihnen die angeführte Schrift zur
Zeit noch gänzlich unbekannt sei, und alle versicherten, daß sie nicht ein einziges
Exemplar derselben gehabt hätten, übrigens auch glaubten, daß die Schrift gar
nicht in Leipzig gedruckt sei.

Ich übergehe das nächste Jahrzehnt, um zum Schlüsse noch ein paar merk¬
würdige kurze Dokumente aus den siebziger Jahren mitzuteilen: das Verbot
von Goethes Werther und einen Angriff auf Lessings Nathan.

Daß der Werther in Leipzig verboten wurde, ist nicht unbekannt; über
die nähern Umstände des Verbotes aber war man bisher auf eine etwas frag¬
würdige Quelle angewiesen: auf das Spottgedicht Marcks „Palus und Arria
eine Künstlerromanze." Dort heißt es zu Anfange:


[Beginn Spaltensatz] In einer Stadt, wo alles frei
Wird aus- und eingeführet,
Und wo, wenn's den Transit bezahlt,
Auch wohl Genie passiret, [Spaltenumbruch] Da kam auch einst ein junger Mann
Aus die berühmte Messen,
Der hatt' an Kunst und an Gefühl
Den Gecken sich gefressen, [Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/288>, abgerufen am 29.06.2024.