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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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verbotene Bücher,

würdigen Personen desto eiffriger anzuflehen, und nächst meiner gehorsamsten Em¬
pfehlung mich zu unterschreiben als


EuerMeiner Hochgeachten, HochEdelgclwhrnen
Hochweisen, HochgelehrtenHerren Herren
Zürich d, 3t, Hornung, 1751. dcemüthig-gehorsamsten Diener,
Johann Jacob Breitinger,
?rot. lluss. "rasv. und des Stiffts
zum Grossen Münster,

Diesem Briefe beigefügt war ein Exemplar des "Freudigen Zuruffs"*) und ein
Ausschnitt aus den bei Heidegger u, Co. erschienene" Züricher Nachrichten, worauf
das durch die Züricher Büchcrcensur am 14. Januar 1751 ausgesprochene Ver¬
bot der Schrift abgedruckt war. Das Pasquill selbst ist eine bittre, aber, wie
es scheint, nicht unverdiente Verspottung Breitingers als Philosophen und als
neutestamentlichen Textkritikers und kehrt sich namentlich gegen zwei Schriften
von ihm, eine Abhandlung, in der Breitinger "die Stärke des Grundes, den
man von der Übereinstimmung der Menge herzuleiten pflegt, vernichtet" zu haben
meinte, und eine andre, in der er "die Gründe, mit denen gewöhnlich die Echt¬
heit des Schlusses im Vaterunser verteidigt wird, bescheiden erwog." Von der
ersten Abhandlung wird nachzuweisen gesucht, daß sie zum guten Teil aus Bayle
abgeschrieben sei.

Breitingers Brief langte am 15, Februar in Leipzig an. Acht Tage später,
am 23, Februar, citirte die Bücherkommission den Chef der Großischen Buch¬
handlung, welcher einräumte, den Titel der fraglichen Schrift wohl zu kennen,
ihn auch auf Antrag des Leipziger Buchhändlers Löwe in den Meßkatalog
aufgenommen zu haben. Den Katalog habe der Dekan der philosophischen
Fakultät, Herr Professor Gottsched, censirt und nichts dagegen zu erinnern ge¬
habt. Noch an demselben Tage wurde der Buchhändler Löwe vernommen und
sagte aus: Er hätte die Schrift von einem ihm unbekannten Studenten erhalten,
an den sie geschickt worden sei, und weil er sie hier drucken zu lassen willens
gewesen, so habe er sie von Herrn Professor Gottsched gehörig censiren lassen.
Da er sie aber vor der Michaelismesse nicht mehr habe gedruckt bekommen
können, so habe er sie in Halle drucken lassen, nachdem sie dort nochmals cen¬
sirt worden sei. Wer der Autor sei, wisse er nicht. Ebensowenig könne er den




*) Auf der Leipziger Swdtbibliothck,
**) 1) Dissortirtinnö In^iea vim ."u-Aiimsnti, <M<xi g. vonssrisu irmltitullinis duoi Solve,
sxxloiUt hev. -- 2) vlssorwiiio Lxistvlio", paw"rKumvnt", qmbiw ol"us"l"o orntwms Dominicas
"vA-^re" vulxo xropu^uirri 8viol, irwclssto oxponäuntur.
verbotene Bücher,

würdigen Personen desto eiffriger anzuflehen, und nächst meiner gehorsamsten Em¬
pfehlung mich zu unterschreiben als


EuerMeiner Hochgeachten, HochEdelgclwhrnen
Hochweisen, HochgelehrtenHerren Herren
Zürich d, 3t, Hornung, 1751. dcemüthig-gehorsamsten Diener,
Johann Jacob Breitinger,
?rot. lluss. «rasv. und des Stiffts
zum Grossen Münster,

Diesem Briefe beigefügt war ein Exemplar des „Freudigen Zuruffs"*) und ein
Ausschnitt aus den bei Heidegger u, Co. erschienene» Züricher Nachrichten, worauf
das durch die Züricher Büchcrcensur am 14. Januar 1751 ausgesprochene Ver¬
bot der Schrift abgedruckt war. Das Pasquill selbst ist eine bittre, aber, wie
es scheint, nicht unverdiente Verspottung Breitingers als Philosophen und als
neutestamentlichen Textkritikers und kehrt sich namentlich gegen zwei Schriften
von ihm, eine Abhandlung, in der Breitinger „die Stärke des Grundes, den
man von der Übereinstimmung der Menge herzuleiten pflegt, vernichtet" zu haben
meinte, und eine andre, in der er „die Gründe, mit denen gewöhnlich die Echt¬
heit des Schlusses im Vaterunser verteidigt wird, bescheiden erwog." Von der
ersten Abhandlung wird nachzuweisen gesucht, daß sie zum guten Teil aus Bayle
abgeschrieben sei.

Breitingers Brief langte am 15, Februar in Leipzig an. Acht Tage später,
am 23, Februar, citirte die Bücherkommission den Chef der Großischen Buch¬
handlung, welcher einräumte, den Titel der fraglichen Schrift wohl zu kennen,
ihn auch auf Antrag des Leipziger Buchhändlers Löwe in den Meßkatalog
aufgenommen zu haben. Den Katalog habe der Dekan der philosophischen
Fakultät, Herr Professor Gottsched, censirt und nichts dagegen zu erinnern ge¬
habt. Noch an demselben Tage wurde der Buchhändler Löwe vernommen und
sagte aus: Er hätte die Schrift von einem ihm unbekannten Studenten erhalten,
an den sie geschickt worden sei, und weil er sie hier drucken zu lassen willens
gewesen, so habe er sie von Herrn Professor Gottsched gehörig censiren lassen.
Da er sie aber vor der Michaelismesse nicht mehr habe gedruckt bekommen
können, so habe er sie in Halle drucken lassen, nachdem sie dort nochmals cen¬
sirt worden sei. Wer der Autor sei, wisse er nicht. Ebensowenig könne er den




*) Auf der Leipziger Swdtbibliothck,
**) 1) Dissortirtinnö In^iea vim ."u-Aiimsnti, <M<xi g. vonssrisu irmltitullinis duoi Solve,
sxxloiUt hev. — 2) vlssorwiiio Lxistvlio», paw»rKumvnt», qmbiw ol»us»l»o orntwms Dominicas
«vA-^re« vulxo xropu^uirri 8viol, irwclssto oxponäuntur.
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[0286] verbotene Bücher, würdigen Personen desto eiffriger anzuflehen, und nächst meiner gehorsamsten Em¬ pfehlung mich zu unterschreiben als EuerMeiner Hochgeachten, HochEdelgclwhrnen Hochweisen, HochgelehrtenHerren Herren Zürich d, 3t, Hornung, 1751. dcemüthig-gehorsamsten Diener, Johann Jacob Breitinger, ?rot. lluss. «rasv. und des Stiffts zum Grossen Münster, Diesem Briefe beigefügt war ein Exemplar des „Freudigen Zuruffs"*) und ein Ausschnitt aus den bei Heidegger u, Co. erschienene» Züricher Nachrichten, worauf das durch die Züricher Büchcrcensur am 14. Januar 1751 ausgesprochene Ver¬ bot der Schrift abgedruckt war. Das Pasquill selbst ist eine bittre, aber, wie es scheint, nicht unverdiente Verspottung Breitingers als Philosophen und als neutestamentlichen Textkritikers und kehrt sich namentlich gegen zwei Schriften von ihm, eine Abhandlung, in der Breitinger „die Stärke des Grundes, den man von der Übereinstimmung der Menge herzuleiten pflegt, vernichtet" zu haben meinte, und eine andre, in der er „die Gründe, mit denen gewöhnlich die Echt¬ heit des Schlusses im Vaterunser verteidigt wird, bescheiden erwog." Von der ersten Abhandlung wird nachzuweisen gesucht, daß sie zum guten Teil aus Bayle abgeschrieben sei. Breitingers Brief langte am 15, Februar in Leipzig an. Acht Tage später, am 23, Februar, citirte die Bücherkommission den Chef der Großischen Buch¬ handlung, welcher einräumte, den Titel der fraglichen Schrift wohl zu kennen, ihn auch auf Antrag des Leipziger Buchhändlers Löwe in den Meßkatalog aufgenommen zu haben. Den Katalog habe der Dekan der philosophischen Fakultät, Herr Professor Gottsched, censirt und nichts dagegen zu erinnern ge¬ habt. Noch an demselben Tage wurde der Buchhändler Löwe vernommen und sagte aus: Er hätte die Schrift von einem ihm unbekannten Studenten erhalten, an den sie geschickt worden sei, und weil er sie hier drucken zu lassen willens gewesen, so habe er sie von Herrn Professor Gottsched gehörig censiren lassen. Da er sie aber vor der Michaelismesse nicht mehr habe gedruckt bekommen können, so habe er sie in Halle drucken lassen, nachdem sie dort nochmals cen¬ sirt worden sei. Wer der Autor sei, wisse er nicht. Ebensowenig könne er den *) Auf der Leipziger Swdtbibliothck, **) 1) Dissortirtinnö In^iea vim ."u-Aiimsnti, <M<xi g. vonssrisu irmltitullinis duoi Solve, sxxloiUt hev. — 2) vlssorwiiio Lxistvlio», paw»rKumvnt», qmbiw ol»us»l»o orntwms Dominicas «vA-^re« vulxo xropu^uirri 8viol, irwclssto oxponäuntur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/286>, abgerufen am 28.09.2024.