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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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verbotene Bücher.

das Verbot die Zeitschrift unter fingirten Nomen habe drucken lassen, berief er
sich darauf, daß er die Sachen habe censiren lassen, der Herr Censor müsse das
verstehen. Übrigens würden die meisten Journale ohne Namen oder unter fin¬
girten Namen gedruckt, und wenn solches verboten werden sollte, dürste der
Buchhandel großen Abbruch erleiden.

Der Rat berichtete diese Aussagen wieder getreulich an das Konsistorium
und erhielt von diesem den Auftrag, dem Verleger sein Vergehen zu ver¬
weisen und ihm allen Ernstes aufzuerlegen, daß er dergleichen Briefe, wo er
des Autors nicht genugsam versichert sei, uicht weiter annehmen, sondern ent¬
weder remittiren oder der Bücherkommission zur ferneren Einsendung an das
Konsistorium zustellen, die übrigen Briefe aber und besonders was Mgr. Gott¬
sched selbst schreibe, jedesmal gehörigen Orts zur Censur einreichen solle, wes¬
wegen anch der Universität noch besondrer Befehl zugegangen sei. Damit hatte
dieser Handel glücklich sei" Ende erreicht.

Es ist nicht zu verwundern, daß die Gestalt Gottscheds uns im Laufe der
"ächsteu Jahrzehnte noch öfter in den Akten begegnet. Aber selbst seine "fleißige
Gehilfin" setzte die Federn der hohen Censurbehörde in Bewegung. In der
Michaelismesse 1736 fahndete die Kommission auf eine "ärgerliche Schrift,"
betitelt: "Die Pietisterei im Fischbeinrocke." Die Buchhändler Richter und König
hatten sie ans Hamburg mitgebracht, wohin sie wieder von Rostock aus geschickt
worden war; König hatte gleich in der ersten Meßwoche 150 Exemplare davon
verkauft. Ob man damals wohl geahnt haben mag, aus welcher Feder diese
"ärgerliche Schrift" geflossen? "Die Pietisterei im Fischbeinrocke oder die doktor¬
mäßige Frau" war ein Lustspiel, welches die frömmelnden, mit theologischen Gezänk
sich befassenden Frauenkonventikel jener Zeit verspottete, und die Verfasserin lebte
seit anderthalb Jahren in Leipzig; es war die witzige junge Frau Gottschedin,
die mit diesem Stück ihre erste dichterische Leistung gegeben hatte; in Rostock
war es "auf Kosten guter Freunde," wie es auf dem Titelblatte heißt, zum
Druck befördert worden."-)

Auf einen besonders interessanten Fall stoßen wir in einem Aktenstücke aus
dem Februar 1751. Dauzel führt in seinem Buche über Gottsched (S. 241) als
beweis dafür, bis zu welcher Leidenschaftlichkeit sich das feindselige Verhältnis
^visclM Gottsched und den Schweizern schließlich steigerte und wie Gottsched
jede Gelegenheit benutzte, welche ihm Waffen gegen die Schweizer in die Hände
gab, folgenden Brief an Gottsched ans Schaffhausen vom 28. Dezember 1750
'Me der Pseudonymen Unterschrift Sanonvmotuski an.

Der freudige Zurufs an das Schweitzerlcmd ist endlich in Zürich angelanget
"ud hat die Vermuthete Würkung gehabt. Breitiuger ist seinen Mitbürgern zum



Ein Exemplar mit dem Drnctjahre 1737 aus der Leipziger Stadtbibliothek. Goedcke
Grundriß, II, S. S4S) giebt 173S an.
verbotene Bücher.

das Verbot die Zeitschrift unter fingirten Nomen habe drucken lassen, berief er
sich darauf, daß er die Sachen habe censiren lassen, der Herr Censor müsse das
verstehen. Übrigens würden die meisten Journale ohne Namen oder unter fin¬
girten Namen gedruckt, und wenn solches verboten werden sollte, dürste der
Buchhandel großen Abbruch erleiden.

Der Rat berichtete diese Aussagen wieder getreulich an das Konsistorium
und erhielt von diesem den Auftrag, dem Verleger sein Vergehen zu ver¬
weisen und ihm allen Ernstes aufzuerlegen, daß er dergleichen Briefe, wo er
des Autors nicht genugsam versichert sei, uicht weiter annehmen, sondern ent¬
weder remittiren oder der Bücherkommission zur ferneren Einsendung an das
Konsistorium zustellen, die übrigen Briefe aber und besonders was Mgr. Gott¬
sched selbst schreibe, jedesmal gehörigen Orts zur Censur einreichen solle, wes¬
wegen anch der Universität noch besondrer Befehl zugegangen sei. Damit hatte
dieser Handel glücklich sei» Ende erreicht.

Es ist nicht zu verwundern, daß die Gestalt Gottscheds uns im Laufe der
»ächsteu Jahrzehnte noch öfter in den Akten begegnet. Aber selbst seine „fleißige
Gehilfin" setzte die Federn der hohen Censurbehörde in Bewegung. In der
Michaelismesse 1736 fahndete die Kommission auf eine „ärgerliche Schrift,"
betitelt: „Die Pietisterei im Fischbeinrocke." Die Buchhändler Richter und König
hatten sie ans Hamburg mitgebracht, wohin sie wieder von Rostock aus geschickt
worden war; König hatte gleich in der ersten Meßwoche 150 Exemplare davon
verkauft. Ob man damals wohl geahnt haben mag, aus welcher Feder diese
«ärgerliche Schrift" geflossen? „Die Pietisterei im Fischbeinrocke oder die doktor¬
mäßige Frau" war ein Lustspiel, welches die frömmelnden, mit theologischen Gezänk
sich befassenden Frauenkonventikel jener Zeit verspottete, und die Verfasserin lebte
seit anderthalb Jahren in Leipzig; es war die witzige junge Frau Gottschedin,
die mit diesem Stück ihre erste dichterische Leistung gegeben hatte; in Rostock
war es „auf Kosten guter Freunde," wie es auf dem Titelblatte heißt, zum
Druck befördert worden."-)

Auf einen besonders interessanten Fall stoßen wir in einem Aktenstücke aus
dem Februar 1751. Dauzel führt in seinem Buche über Gottsched (S. 241) als
beweis dafür, bis zu welcher Leidenschaftlichkeit sich das feindselige Verhältnis
^visclM Gottsched und den Schweizern schließlich steigerte und wie Gottsched
jede Gelegenheit benutzte, welche ihm Waffen gegen die Schweizer in die Hände
gab, folgenden Brief an Gottsched ans Schaffhausen vom 28. Dezember 1750
'Me der Pseudonymen Unterschrift Sanonvmotuski an.

Der freudige Zurufs an das Schweitzerlcmd ist endlich in Zürich angelanget
"ud hat die Vermuthete Würkung gehabt. Breitiuger ist seinen Mitbürgern zum



Ein Exemplar mit dem Drnctjahre 1737 aus der Leipziger Stadtbibliothek. Goedcke
Grundriß, II, S. S4S) giebt 173S an.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/283>, abgerufen am 29.06.2024.