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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Verbotene Bücher.

wegzunehmen und die fernere Kontinuation der Zeitschrift zu verbieten. Braun
lieferte auch die Exemplare des laufenden Jahrganges aus, behielt sich aber vor,
bei der Bücherkommission "mit seiner Notdurft darwider einzukommen." Tags
darauf machte er eine schriftliche Eingabe bei der Kommisston, in der er er¬
klärte, daß er die Exemplare "mehr aus röMrä und rssxsvt, als es ihm bei
einem osnÄrten Werckchen würde haben können zugemuthet werden, sxtraäiret
habe"; er sei außer aller Verantwortung, da alle Stücke der Zeitschrift ge¬
bührend censirt worden seien, und wolle der Bücherkommission zur Erwägung
geben, ob, wenn in den angezogenen Stücken sich einige Anzüglichkeiten einge-
schlichen hätten, deshalb anch andre Stücke, "deren jedes a part, ÄistrMret
wird," mit abzufordern möchten gewesen sein. Schließlich beantragte er, daß
ihm die unbeanstandeten Nummern zurückgegeben und ihm verstattet würde,
dieses moralische Werkchen nach vorausgegangener gehöriger Censur auch in
Zukunft ungehindert zum Druck zu befördern.

Die Bücherkommission berichtete daraufhin an den Rektor der Universität,
überließ diesem das weitere Verfahren gegen Mgr, Gottsched, stellte auch einige
Tage später dem Buchhändler die konfiszirte Zeitschrift mit Ausnahme des 25.
und 28. Stückes wieder zu und referirte am 4. Oktober über den bisherigen
Verlauf der Sache an die Regierung. Diese forderte die Universität zur Be¬
richterstattung auf und erhielt von dieser die Erklärung, daß Mgr. Gottsched
sich zwar zu solchen Piecen bekannt, daneben aber vorgewendet, daß er die
darin befindlichen Briefe nicht gefertigt habe, sondern daß selbige dem Verleger
8ud notis noinimdus zugeschickt würden, auch dabei zwei Studenten, Juncker und
Mgr. Frick, namhaft gemacht habe. Die Regierung sandte diese Erklärung
an den Rat und forderte, indem sie alle Schuld dem Verleger zuschob, der hätte
wissen müssen -- was schon zu verschiedenen Malen anbefohlen worden sei --,
daß unter erdichteten Namen nichts veröffentlicht werden solle, den Rat auf,
den Buchhändler nochmals umständlich zu vernehmen und ihn dabei zu er¬
nähren, daß er seine Aussagen so einrichten solle, daß er sie allenfalls eidlich
bestärken könne.

Darauf wurde Braun am 18. November nochmals vorgefordert, bestätigte
zunächst, daß Gottsched die in den "Tadlerinnen" stehenden Briefe nicht selbst
fertige; sie würden vielmehr ihm, dem Verleger, teils auf der Post, ohne Namen
und Ort zugeschickt, teils in seinen Buchladen gegeben. So hätten ihm z. B.
Ernst von Cypressenwald und Francisci solche Briefe geschickt; ferner wären ihm
dergleichen von Dresden, Jena, Halle, Straßburg und Darmstadt unter fingirten
Namen oder ganz ohne Namen zugesandt worden. Wer unter den Pseudonhmen
zu verstehen sei, insbesondre ob Francisci Mgr. Frick und Cypressenwald Juncker
sei, wisse er nicht. Er korrespvndire mit niemand deswegen, spreche anch niemand
darum an. Auf den Einsendungen stünde gewöhnlich außen: "An Brauns
Erben," inwendig: "An die Tadlerinnen." Auf die Frage, warum er gegen


Verbotene Bücher.

wegzunehmen und die fernere Kontinuation der Zeitschrift zu verbieten. Braun
lieferte auch die Exemplare des laufenden Jahrganges aus, behielt sich aber vor,
bei der Bücherkommission „mit seiner Notdurft darwider einzukommen." Tags
darauf machte er eine schriftliche Eingabe bei der Kommisston, in der er er¬
klärte, daß er die Exemplare „mehr aus röMrä und rssxsvt, als es ihm bei
einem osnÄrten Werckchen würde haben können zugemuthet werden, sxtraäiret
habe"; er sei außer aller Verantwortung, da alle Stücke der Zeitschrift ge¬
bührend censirt worden seien, und wolle der Bücherkommission zur Erwägung
geben, ob, wenn in den angezogenen Stücken sich einige Anzüglichkeiten einge-
schlichen hätten, deshalb anch andre Stücke, „deren jedes a part, ÄistrMret
wird," mit abzufordern möchten gewesen sein. Schließlich beantragte er, daß
ihm die unbeanstandeten Nummern zurückgegeben und ihm verstattet würde,
dieses moralische Werkchen nach vorausgegangener gehöriger Censur auch in
Zukunft ungehindert zum Druck zu befördern.

Die Bücherkommission berichtete daraufhin an den Rektor der Universität,
überließ diesem das weitere Verfahren gegen Mgr, Gottsched, stellte auch einige
Tage später dem Buchhändler die konfiszirte Zeitschrift mit Ausnahme des 25.
und 28. Stückes wieder zu und referirte am 4. Oktober über den bisherigen
Verlauf der Sache an die Regierung. Diese forderte die Universität zur Be¬
richterstattung auf und erhielt von dieser die Erklärung, daß Mgr. Gottsched
sich zwar zu solchen Piecen bekannt, daneben aber vorgewendet, daß er die
darin befindlichen Briefe nicht gefertigt habe, sondern daß selbige dem Verleger
8ud notis noinimdus zugeschickt würden, auch dabei zwei Studenten, Juncker und
Mgr. Frick, namhaft gemacht habe. Die Regierung sandte diese Erklärung
an den Rat und forderte, indem sie alle Schuld dem Verleger zuschob, der hätte
wissen müssen — was schon zu verschiedenen Malen anbefohlen worden sei —,
daß unter erdichteten Namen nichts veröffentlicht werden solle, den Rat auf,
den Buchhändler nochmals umständlich zu vernehmen und ihn dabei zu er¬
nähren, daß er seine Aussagen so einrichten solle, daß er sie allenfalls eidlich
bestärken könne.

Darauf wurde Braun am 18. November nochmals vorgefordert, bestätigte
zunächst, daß Gottsched die in den „Tadlerinnen" stehenden Briefe nicht selbst
fertige; sie würden vielmehr ihm, dem Verleger, teils auf der Post, ohne Namen
und Ort zugeschickt, teils in seinen Buchladen gegeben. So hätten ihm z. B.
Ernst von Cypressenwald und Francisci solche Briefe geschickt; ferner wären ihm
dergleichen von Dresden, Jena, Halle, Straßburg und Darmstadt unter fingirten
Namen oder ganz ohne Namen zugesandt worden. Wer unter den Pseudonhmen
zu verstehen sei, insbesondre ob Francisci Mgr. Frick und Cypressenwald Juncker
sei, wisse er nicht. Er korrespvndire mit niemand deswegen, spreche anch niemand
darum an. Auf den Einsendungen stünde gewöhnlich außen: „An Brauns
Erben," inwendig: „An die Tadlerinnen." Auf die Frage, warum er gegen


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[0282] Verbotene Bücher. wegzunehmen und die fernere Kontinuation der Zeitschrift zu verbieten. Braun lieferte auch die Exemplare des laufenden Jahrganges aus, behielt sich aber vor, bei der Bücherkommission „mit seiner Notdurft darwider einzukommen." Tags darauf machte er eine schriftliche Eingabe bei der Kommisston, in der er er¬ klärte, daß er die Exemplare „mehr aus röMrä und rssxsvt, als es ihm bei einem osnÄrten Werckchen würde haben können zugemuthet werden, sxtraäiret habe"; er sei außer aller Verantwortung, da alle Stücke der Zeitschrift ge¬ bührend censirt worden seien, und wolle der Bücherkommission zur Erwägung geben, ob, wenn in den angezogenen Stücken sich einige Anzüglichkeiten einge- schlichen hätten, deshalb anch andre Stücke, „deren jedes a part, ÄistrMret wird," mit abzufordern möchten gewesen sein. Schließlich beantragte er, daß ihm die unbeanstandeten Nummern zurückgegeben und ihm verstattet würde, dieses moralische Werkchen nach vorausgegangener gehöriger Censur auch in Zukunft ungehindert zum Druck zu befördern. Die Bücherkommission berichtete daraufhin an den Rektor der Universität, überließ diesem das weitere Verfahren gegen Mgr, Gottsched, stellte auch einige Tage später dem Buchhändler die konfiszirte Zeitschrift mit Ausnahme des 25. und 28. Stückes wieder zu und referirte am 4. Oktober über den bisherigen Verlauf der Sache an die Regierung. Diese forderte die Universität zur Be¬ richterstattung auf und erhielt von dieser die Erklärung, daß Mgr. Gottsched sich zwar zu solchen Piecen bekannt, daneben aber vorgewendet, daß er die darin befindlichen Briefe nicht gefertigt habe, sondern daß selbige dem Verleger 8ud notis noinimdus zugeschickt würden, auch dabei zwei Studenten, Juncker und Mgr. Frick, namhaft gemacht habe. Die Regierung sandte diese Erklärung an den Rat und forderte, indem sie alle Schuld dem Verleger zuschob, der hätte wissen müssen — was schon zu verschiedenen Malen anbefohlen worden sei —, daß unter erdichteten Namen nichts veröffentlicht werden solle, den Rat auf, den Buchhändler nochmals umständlich zu vernehmen und ihn dabei zu er¬ nähren, daß er seine Aussagen so einrichten solle, daß er sie allenfalls eidlich bestärken könne. Darauf wurde Braun am 18. November nochmals vorgefordert, bestätigte zunächst, daß Gottsched die in den „Tadlerinnen" stehenden Briefe nicht selbst fertige; sie würden vielmehr ihm, dem Verleger, teils auf der Post, ohne Namen und Ort zugeschickt, teils in seinen Buchladen gegeben. So hätten ihm z. B. Ernst von Cypressenwald und Francisci solche Briefe geschickt; ferner wären ihm dergleichen von Dresden, Jena, Halle, Straßburg und Darmstadt unter fingirten Namen oder ganz ohne Namen zugesandt worden. Wer unter den Pseudonhmen zu verstehen sei, insbesondre ob Francisci Mgr. Frick und Cypressenwald Juncker sei, wisse er nicht. Er korrespvndire mit niemand deswegen, spreche anch niemand darum an. Auf den Einsendungen stünde gewöhnlich außen: „An Brauns Erben," inwendig: „An die Tadlerinnen." Auf die Frage, warum er gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/282>, abgerufen am 29.06.2024.