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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Verbotene Bücher.

Thomas hat die Geschichte seiner Verfolgung selbst ausführlich erzählt im
dritten Teile seiner "Juristischen Händel" und im zweiten Teile seiner "Ver-
nünfftigen und Christlichen Thvmasischen Gebannten." In den erhaltenen Akten
der Leipziger Bücherkommission interessirt vor allem der Anfang dieser Streitig¬
keiten, der sich an die von Thomas herausgegebenen "Schcrtz- und Ernsthafften
Gebannten" -- die erste in Deutschland erschienene Zeitschrift in deutscher Sprache --
knüpfte.

Am 1l. Januar 1688 sandte I)r. Alberti von Dresden aus, wo er sich
damals aufhielt, ein an ihn und den Leipziger Rat gerichtetes Schreiben, das
ihm in Dresden -- natürlich auf seiue Veranstaltung hin -- übergeben worden
war, und das die Anzeige enthielt, daß nnter verschiedenen andern wider das
letzte kurfürstliche Ceusurpatent (1686) verstoßenden Schriften auch eine Schrift
erschienen sei mit dem Titel: Schertz- und Erusthaffter Vernünfftiger und Ein¬
fältiger Gebannten über allerhand Lustige und nützliche Bücher und Fragen Erster
Monat oder -In.klug.roh. In einem Gespräch vorgestellet von der Gesellschafft
derer Müßigen. Frankfurt!) und Leipzig, Verlegts Moritz Georg Weidmann
Buchhändler, 1688. Die Regierung könne den Vertrieb dieser Schrift unmög¬
lich gestatten, die Kommission möge nach dem Verfasser und dem Drucker, in-
gleichen wer die Schrift censirt habe, Erkundigungen einziehen. Am 13. Januar
langte der kurfürstliche Befehl in Leipzig an, und sofort wurde der Verleger
Weidmann vor den Rat zitirt und aufgefordert, Autor, Drucker und Censor der
Schrift seinen bürgerlichen Pflichten gemäß anzugeben.

Weidmann erklärte, den Autor könne er doim von8Lieut,la. nicht nennen;
die Schrift sei zu Halle gedruckt, und gegenwärtig der Monat Februar bereits
unter der Presse. Weil er des Werkes keine Scheu getragen, noch vermeint, daß
es im geringsten etwas zu bedeute" haben sollte, so habe er als Verleger seinen
Namen auf das Titelblatt gesetzt. Auch werde bereits bei Ihrer Kurfürstlichen
Durchlaucht um ein gnädigstes Privilegium angehalten, und er habe gute Hoff¬
nung, es zu erlangen, weil die Schrift nicht nur bei vornehmen Ministris an
Ihrer Kurfürstliche" Durchlaucht zu Sachsen Hofe, sondern auch an auswärtigen
Höfen sehr angenehm sei. Der Autoren wären etliche, die aber ihre Namen
verschwiegen haben wollten, weil sie andrer Bücher darin censirten. Dieselben
habe er auch bereits ein halb Jahr voraus tvntentiret. Wenn allzuscharf auf
die Censur gedrungen werden sollte, so würden die Buchführer in Leipzig noch
ihre Nahrung verlieren, weil anderswo leichter zum Drucke zu gelangen sei und
doch hernach alles in Leipzig eingeführt würde. Er sei im Begriff, einen unter-
thänigsten Bericht einzuschicken, worauf hoffentlich eine andre gnädigste Resolution
erfolgen werde.

Hierauf wurde Weidmann entlassen, jedoch für den nächsten Tag nochmals
vor den Rat beschieden. Er erschien, erhielt dieselbe Ausforderung wie Tags
zuvor, blieb aber bei seiner Erklärung und Weigerung. Nur fügte er hinzu,


Verbotene Bücher.

Thomas hat die Geschichte seiner Verfolgung selbst ausführlich erzählt im
dritten Teile seiner „Juristischen Händel" und im zweiten Teile seiner „Ver-
nünfftigen und Christlichen Thvmasischen Gebannten." In den erhaltenen Akten
der Leipziger Bücherkommission interessirt vor allem der Anfang dieser Streitig¬
keiten, der sich an die von Thomas herausgegebenen „Schcrtz- und Ernsthafften
Gebannten" — die erste in Deutschland erschienene Zeitschrift in deutscher Sprache —
knüpfte.

Am 1l. Januar 1688 sandte I)r. Alberti von Dresden aus, wo er sich
damals aufhielt, ein an ihn und den Leipziger Rat gerichtetes Schreiben, das
ihm in Dresden — natürlich auf seiue Veranstaltung hin — übergeben worden
war, und das die Anzeige enthielt, daß nnter verschiedenen andern wider das
letzte kurfürstliche Ceusurpatent (1686) verstoßenden Schriften auch eine Schrift
erschienen sei mit dem Titel: Schertz- und Erusthaffter Vernünfftiger und Ein¬
fältiger Gebannten über allerhand Lustige und nützliche Bücher und Fragen Erster
Monat oder -In.klug.roh. In einem Gespräch vorgestellet von der Gesellschafft
derer Müßigen. Frankfurt!) und Leipzig, Verlegts Moritz Georg Weidmann
Buchhändler, 1688. Die Regierung könne den Vertrieb dieser Schrift unmög¬
lich gestatten, die Kommission möge nach dem Verfasser und dem Drucker, in-
gleichen wer die Schrift censirt habe, Erkundigungen einziehen. Am 13. Januar
langte der kurfürstliche Befehl in Leipzig an, und sofort wurde der Verleger
Weidmann vor den Rat zitirt und aufgefordert, Autor, Drucker und Censor der
Schrift seinen bürgerlichen Pflichten gemäß anzugeben.

Weidmann erklärte, den Autor könne er doim von8Lieut,la. nicht nennen;
die Schrift sei zu Halle gedruckt, und gegenwärtig der Monat Februar bereits
unter der Presse. Weil er des Werkes keine Scheu getragen, noch vermeint, daß
es im geringsten etwas zu bedeute» haben sollte, so habe er als Verleger seinen
Namen auf das Titelblatt gesetzt. Auch werde bereits bei Ihrer Kurfürstlichen
Durchlaucht um ein gnädigstes Privilegium angehalten, und er habe gute Hoff¬
nung, es zu erlangen, weil die Schrift nicht nur bei vornehmen Ministris an
Ihrer Kurfürstliche» Durchlaucht zu Sachsen Hofe, sondern auch an auswärtigen
Höfen sehr angenehm sei. Der Autoren wären etliche, die aber ihre Namen
verschwiegen haben wollten, weil sie andrer Bücher darin censirten. Dieselben
habe er auch bereits ein halb Jahr voraus tvntentiret. Wenn allzuscharf auf
die Censur gedrungen werden sollte, so würden die Buchführer in Leipzig noch
ihre Nahrung verlieren, weil anderswo leichter zum Drucke zu gelangen sei und
doch hernach alles in Leipzig eingeführt würde. Er sei im Begriff, einen unter-
thänigsten Bericht einzuschicken, worauf hoffentlich eine andre gnädigste Resolution
erfolgen werde.

Hierauf wurde Weidmann entlassen, jedoch für den nächsten Tag nochmals
vor den Rat beschieden. Er erschien, erhielt dieselbe Ausforderung wie Tags
zuvor, blieb aber bei seiner Erklärung und Weigerung. Nur fügte er hinzu,


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[0274] Verbotene Bücher. Thomas hat die Geschichte seiner Verfolgung selbst ausführlich erzählt im dritten Teile seiner „Juristischen Händel" und im zweiten Teile seiner „Ver- nünfftigen und Christlichen Thvmasischen Gebannten." In den erhaltenen Akten der Leipziger Bücherkommission interessirt vor allem der Anfang dieser Streitig¬ keiten, der sich an die von Thomas herausgegebenen „Schcrtz- und Ernsthafften Gebannten" — die erste in Deutschland erschienene Zeitschrift in deutscher Sprache — knüpfte. Am 1l. Januar 1688 sandte I)r. Alberti von Dresden aus, wo er sich damals aufhielt, ein an ihn und den Leipziger Rat gerichtetes Schreiben, das ihm in Dresden — natürlich auf seiue Veranstaltung hin — übergeben worden war, und das die Anzeige enthielt, daß nnter verschiedenen andern wider das letzte kurfürstliche Ceusurpatent (1686) verstoßenden Schriften auch eine Schrift erschienen sei mit dem Titel: Schertz- und Erusthaffter Vernünfftiger und Ein¬ fältiger Gebannten über allerhand Lustige und nützliche Bücher und Fragen Erster Monat oder -In.klug.roh. In einem Gespräch vorgestellet von der Gesellschafft derer Müßigen. Frankfurt!) und Leipzig, Verlegts Moritz Georg Weidmann Buchhändler, 1688. Die Regierung könne den Vertrieb dieser Schrift unmög¬ lich gestatten, die Kommission möge nach dem Verfasser und dem Drucker, in- gleichen wer die Schrift censirt habe, Erkundigungen einziehen. Am 13. Januar langte der kurfürstliche Befehl in Leipzig an, und sofort wurde der Verleger Weidmann vor den Rat zitirt und aufgefordert, Autor, Drucker und Censor der Schrift seinen bürgerlichen Pflichten gemäß anzugeben. Weidmann erklärte, den Autor könne er doim von8Lieut,la. nicht nennen; die Schrift sei zu Halle gedruckt, und gegenwärtig der Monat Februar bereits unter der Presse. Weil er des Werkes keine Scheu getragen, noch vermeint, daß es im geringsten etwas zu bedeute» haben sollte, so habe er als Verleger seinen Namen auf das Titelblatt gesetzt. Auch werde bereits bei Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht um ein gnädigstes Privilegium angehalten, und er habe gute Hoff¬ nung, es zu erlangen, weil die Schrift nicht nur bei vornehmen Ministris an Ihrer Kurfürstliche» Durchlaucht zu Sachsen Hofe, sondern auch an auswärtigen Höfen sehr angenehm sei. Der Autoren wären etliche, die aber ihre Namen verschwiegen haben wollten, weil sie andrer Bücher darin censirten. Dieselben habe er auch bereits ein halb Jahr voraus tvntentiret. Wenn allzuscharf auf die Censur gedrungen werden sollte, so würden die Buchführer in Leipzig noch ihre Nahrung verlieren, weil anderswo leichter zum Drucke zu gelangen sei und doch hernach alles in Leipzig eingeführt würde. Er sei im Begriff, einen unter- thänigsten Bericht einzuschicken, worauf hoffentlich eine andre gnädigste Resolution erfolgen werde. Hierauf wurde Weidmann entlassen, jedoch für den nächsten Tag nochmals vor den Rat beschieden. Er erschien, erhielt dieselbe Ausforderung wie Tags zuvor, blieb aber bei seiner Erklärung und Weigerung. Nur fügte er hinzu,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/274>, abgerufen am 29.06.2024.