Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Zwei Faustkommcutare. rechten Würdigung des dichterischen Objekts führe, beiß nur das historische Be¬ Zu einer solchen methodischen Behandlungsweise fordert der Goethische "Faust" Von den beiden im vorigen Jahre neu aufgetretene,: Faustkommentatoren Einiges Mißtrauen erregt es schon, wenn Marbach in den Goethes Manen Goethes Faust. Erster und zweiter Teil. Erklärt von Oswald Marbach. Stutt¬ gart, G. I. Göschenschc Verlagshandlung, 1881. XIII u. 431 S. **) Faust von Goethe. Mit Einleitung und fortlaufender Erklärung herausgegeben
von K. I. Schröer. Erster und zweiter Teil. Heilbronn, Gebr. Henninge^ 1831. IXXXVI U. 303, XXXIV u. 441 S, Zwei Faustkommcutare. rechten Würdigung des dichterischen Objekts führe, beiß nur das historische Be¬ Zu einer solchen methodischen Behandlungsweise fordert der Goethische „Faust" Von den beiden im vorigen Jahre neu aufgetretene,: Faustkommentatoren Einiges Mißtrauen erregt es schon, wenn Marbach in den Goethes Manen Goethes Faust. Erster und zweiter Teil. Erklärt von Oswald Marbach. Stutt¬ gart, G. I. Göschenschc Verlagshandlung, 1881. XIII u. 431 S. **) Faust von Goethe. Mit Einleitung und fortlaufender Erklärung herausgegeben
von K. I. Schröer. Erster und zweiter Teil. Heilbronn, Gebr. Henninge^ 1831. IXXXVI U. 303, XXXIV u. 441 S, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86359"/> <fw type="header" place="top"> Zwei Faustkommcutare.</fw><lb/> <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> rechten Würdigung des dichterischen Objekts führe, beiß nur das historische Be¬<lb/> greifen eine solche vermitteln könne. Weit entfernt den Genuß abzuschwächen,<lb/> vermag eine derartige Betrachtungsweise denselben nur zu steigern, wie ja auch<lb/> bei Betrachtung eines Werkes der bildenden Kunst der Genuß desjenigen höher<lb/> ist, der zur warmen Empfindung auch die Einsicht in die Entwicklung der Kunst<lb/> und ihrer Gesetze mitbringt.</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> Zu einer solchen methodischen Behandlungsweise fordert der Goethische „Faust"<lb/> vor allem auf. Er ist so enge mit des Dichters ganzem Entwicklungsgange<lb/> verknüpft, er hat ihn so lange auf seiner Lebensbahn begleitet und steckt von<lb/> daher so voller Schwierigkeiten im einzelnen, daß hier eine vom Detail ausgehende<lb/> kritische Erläuterung so wenig entbehrt werden kann wie bei Dantes oft damit<lb/> in Parallele gestellter „Göttlicher Komödie."</p><lb/> <p xml:id="ID_969"> Von den beiden im vorigen Jahre neu aufgetretene,: Faustkommentatoren<lb/> Marbach*) und Schröer^) stellt sich letzterer mit Bewußtsein uns diesen streng<lb/> philologisch-historischen Standpunkt und strebt vor allem nach möglichster Voll¬<lb/> ständigkeit der sachlichen und sprachlichen Erläuterungen. Er begleitet die Dichtung<lb/> durch fortlaufende erklärende Noten nnter dem Texte, nicht anders als irgend<lb/> ein lateinischer oder griechischer Autor in einer Weidmauuschcn oder Teubuerschcn<lb/> Ausgabe sich uns darstellt. Ebenso mit Bewußtsein tritt Marbach dem gegen¬<lb/> über. Er verwirft von vornherein ausdrücklich jene Jutrepativusmauicr, die,<lb/> wie er sich ausdrückt, „zur Erklärung der Aussprüche und Schilderungen des<lb/> Dichters Klatschgeschichten aus seinem Privatleben auftischt." Ähnlich sagt er<lb/> an einer andern Stelle: nachforschen, wer von dem Dichter hin und wieder als<lb/> Modell benutzt worden, heiße nichtsnutziger Klatschsucht sich hingeben. So stehen<lb/> sich zwei Pole der Faust-Erklärung in diesen beiden Kommentaren gegenüber.<lb/> Marbach vertritt entschieden ein bereits überwundenes Stadium derselben, wenn<lb/> er, alles „Störende" fernhaltend, bloß den Inhalt der Dichtung aufsuchen will,<lb/> um sich der Geistesfreude an dem Schönen und Herrlichen hinzugeben. Wie will<lb/> er diesen Inhalt finden ohne den leitenden Faden, den ihm die Lebensgeschichte<lb/> des Dichters und die Entstehungsgeschichte des Gedichts an die Hand giebt?<lb/> Ist er so sicher, daß ihn seine Philosophie nie irre leite» werde? Geht diese<lb/> doch von der nicht zutreffenden Voraussetzung aus, daß Goethes „Faust," ein im<lb/> Verlaufe von ungefähr 60 Jahren bruchstückweise erwachsenes Gedicht als ein<lb/> in sich geschlossenes organisches Kunstwerk zu erfassen und ihm eine überall er¬<lb/> sichtliche einheitliche Idee unterzulegen sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_970" next="#ID_971"> Einiges Mißtrauen erregt es schon, wenn Marbach in den Goethes Manen</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> Goethes Faust. Erster und zweiter Teil. Erklärt von Oswald Marbach. Stutt¬<lb/> gart, G. I. Göschenschc Verlagshandlung, 1881. XIII u. 431 S.</note><lb/> <note xml:id="FID_14" place="foot"> **) Faust von Goethe. Mit Einleitung und fortlaufender Erklärung herausgegeben<lb/> von K. I. Schröer. Erster und zweiter Teil. Heilbronn, Gebr. Henninge^ 1831. IXXXVI<lb/> U. 303, XXXIV u. 441 S,</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
Zwei Faustkommcutare.
rechten Würdigung des dichterischen Objekts führe, beiß nur das historische Be¬
greifen eine solche vermitteln könne. Weit entfernt den Genuß abzuschwächen,
vermag eine derartige Betrachtungsweise denselben nur zu steigern, wie ja auch
bei Betrachtung eines Werkes der bildenden Kunst der Genuß desjenigen höher
ist, der zur warmen Empfindung auch die Einsicht in die Entwicklung der Kunst
und ihrer Gesetze mitbringt.
Zu einer solchen methodischen Behandlungsweise fordert der Goethische „Faust"
vor allem auf. Er ist so enge mit des Dichters ganzem Entwicklungsgange
verknüpft, er hat ihn so lange auf seiner Lebensbahn begleitet und steckt von
daher so voller Schwierigkeiten im einzelnen, daß hier eine vom Detail ausgehende
kritische Erläuterung so wenig entbehrt werden kann wie bei Dantes oft damit
in Parallele gestellter „Göttlicher Komödie."
Von den beiden im vorigen Jahre neu aufgetretene,: Faustkommentatoren
Marbach*) und Schröer^) stellt sich letzterer mit Bewußtsein uns diesen streng
philologisch-historischen Standpunkt und strebt vor allem nach möglichster Voll¬
ständigkeit der sachlichen und sprachlichen Erläuterungen. Er begleitet die Dichtung
durch fortlaufende erklärende Noten nnter dem Texte, nicht anders als irgend
ein lateinischer oder griechischer Autor in einer Weidmauuschcn oder Teubuerschcn
Ausgabe sich uns darstellt. Ebenso mit Bewußtsein tritt Marbach dem gegen¬
über. Er verwirft von vornherein ausdrücklich jene Jutrepativusmauicr, die,
wie er sich ausdrückt, „zur Erklärung der Aussprüche und Schilderungen des
Dichters Klatschgeschichten aus seinem Privatleben auftischt." Ähnlich sagt er
an einer andern Stelle: nachforschen, wer von dem Dichter hin und wieder als
Modell benutzt worden, heiße nichtsnutziger Klatschsucht sich hingeben. So stehen
sich zwei Pole der Faust-Erklärung in diesen beiden Kommentaren gegenüber.
Marbach vertritt entschieden ein bereits überwundenes Stadium derselben, wenn
er, alles „Störende" fernhaltend, bloß den Inhalt der Dichtung aufsuchen will,
um sich der Geistesfreude an dem Schönen und Herrlichen hinzugeben. Wie will
er diesen Inhalt finden ohne den leitenden Faden, den ihm die Lebensgeschichte
des Dichters und die Entstehungsgeschichte des Gedichts an die Hand giebt?
Ist er so sicher, daß ihn seine Philosophie nie irre leite» werde? Geht diese
doch von der nicht zutreffenden Voraussetzung aus, daß Goethes „Faust," ein im
Verlaufe von ungefähr 60 Jahren bruchstückweise erwachsenes Gedicht als ein
in sich geschlossenes organisches Kunstwerk zu erfassen und ihm eine überall er¬
sichtliche einheitliche Idee unterzulegen sei.
Einiges Mißtrauen erregt es schon, wenn Marbach in den Goethes Manen
Goethes Faust. Erster und zweiter Teil. Erklärt von Oswald Marbach. Stutt¬
gart, G. I. Göschenschc Verlagshandlung, 1881. XIII u. 431 S.
**) Faust von Goethe. Mit Einleitung und fortlaufender Erklärung herausgegeben
von K. I. Schröer. Erster und zweiter Teil. Heilbronn, Gebr. Henninge^ 1831. IXXXVI
U. 303, XXXIV u. 441 S,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |