Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Die Reform dos englischen Parlaments. landbesitzendcn Tories eine Reihe von Gesetze" für die Fabrikarbeiter er¬ Aber würde das Volk, wird man fragen, nicht auf jeden Versuch, die Macht Den allmählichen Niedergang in der Qualität des Unterhauses verhehlt man Es liegt in der menschlichen Natur, unter Umständen die Lichtseiten von Die Reform dos englischen Parlaments. landbesitzendcn Tories eine Reihe von Gesetze» für die Fabrikarbeiter er¬ Aber würde das Volk, wird man fragen, nicht auf jeden Versuch, die Macht Den allmählichen Niedergang in der Qualität des Unterhauses verhehlt man Es liegt in der menschlichen Natur, unter Umständen die Lichtseiten von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86343"/> <fw type="header" place="top"> Die Reform dos englischen Parlaments.</fw><lb/> <p xml:id="ID_915" prev="#ID_914"> landbesitzendcn Tories eine Reihe von Gesetze» für die Fabrikarbeiter er¬<lb/> lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_916"> Aber würde das Volk, wird man fragen, nicht auf jeden Versuch, die Macht<lb/> des Unterhauses zu schwächen, eine Revolution folgen lasten? Nein. Trotz der<lb/> größere» materiellen Macht der Kraue zur Zeit Georgs III., trotz anscheinend<lb/> größerer Macht ist das gegenwärtige Unterhaus schwächer als vor hundert Jahren.<lb/> Denn es hat an Ausehen verloren. Seine Debatten werden jetzt, da sie öffentlich<lb/> sind und ein halbes Hundert Korrespondenten über sie berichten dürfen, nicht<lb/> mehr mit demselben Interesse gelesen, sie sind nicht mehr so ausführlich als zu der<lb/> Zeit, da sie als Debatten im Senat zu Liliput gedruckt wurden. Der Grund ist<lb/> einfach. Die meisten Mitglieder sind zu unbedeutend. Die ungeheure», dem Kan¬<lb/> didaten zur Last fallende» Wahlkosten gestatten nur reichen Leuten, im Untere<lb/> Hause zu sitzen. Reiche Engländer, die sich von ihren Geschäften zurückgezogen<lb/> haben, betrachten es als die letzte Glorie ihres Lebens, N. hinter ihren<lb/> Namen setzen z» dürfen. Und wenn es der Hausvater nicht wünscht, wenn er<lb/> daran denkt, daß selbst die saumseligste Erfüllung der legislatorischen Pflichten<lb/> die Annehmlichkeiten des Lebens beschränkt als da sind: Angeln, Schießen,<lb/> Fahren, Reiten und Reisen, dann wünschen es manchmal Fran und Töchter z»r<lb/> Erhöhung der gesellschaftlichen Stellung. Aber es wäre falsch, diese Erscheinung<lb/> allein aus der Qualität der Parlamentsmitglieder erklären zu wollen. Das<lb/> regere öffentliche Leben dieses Jahrhunderts, die erstaunliche Entwicklung der<lb/> Presse und die Leichtigkeit des Verkehrs bringen (!s mit sich, daß jede Frage<lb/> hundertmal allseitig erörtert wird und spruchreif ist, ehe sie im Parlament zur<lb/> Verhandlung gelangt. Die Reden der meisten Parlamentsmitglieder enthalten<lb/> daher nur Erörterungen und Betrachtungen, die dem regelmäßigen Zeitungsleser,<lb/> dem gebildeten Wähler schon geläufig sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_917"> Den allmählichen Niedergang in der Qualität des Unterhauses verhehlt man<lb/> sich auf keiner Seite. Fawcett kvnstatirte die Thatsache vor nicht lauger Zeit<lb/> im Xmotssntll (üvnwr^. Und Gladstone sagte in seineu (AoaninM (I. S. 134<lb/> u. 160), daß das Unterhaus langsam sinke, daß das Übergewicht sich nicht<lb/> mehr in deu Händen des Grundbesitzes, sondern des Reichtums überhaupt be-<lb/> finde und England in Gefahr vor einer Gervntvkratic und Plutokratie sei.<lb/> Ironie des Schicksals, daß das Haus, welches nach der Theorie die ungestüm<lb/> vvrwärtsstrcbende Kraft darstellen soll, zu einem Hause der Greise, thatsächlich,<lb/> nicht staatsrechtlich, ein ssimt-us, eine ^vo?/« geworden ist!</p><lb/> <p xml:id="ID_918" next="#ID_919"> Es liegt in der menschlichen Natur, unter Umständen die Lichtseiten von<lb/> Zuständen zu sehen, die früher nicht genug verlästert werden konnten, an deren<lb/> Entfernung mit dem Aufgebote aller Energie gearbeitet wurde. Das Parlament<lb/> vor 1832 hatte Schattenseiten, welche den übermütigsten Spott und den leiden¬<lb/> schaftlichsten Haß hervorriefen. Selten hat England eine solche Erregung ge¬<lb/> sehen wie zu der Zeit, als das Oberhaus die Reformbill verwarf. Das Volks-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Die Reform dos englischen Parlaments.
landbesitzendcn Tories eine Reihe von Gesetze» für die Fabrikarbeiter er¬
lassen.
Aber würde das Volk, wird man fragen, nicht auf jeden Versuch, die Macht
des Unterhauses zu schwächen, eine Revolution folgen lasten? Nein. Trotz der
größere» materiellen Macht der Kraue zur Zeit Georgs III., trotz anscheinend
größerer Macht ist das gegenwärtige Unterhaus schwächer als vor hundert Jahren.
Denn es hat an Ausehen verloren. Seine Debatten werden jetzt, da sie öffentlich
sind und ein halbes Hundert Korrespondenten über sie berichten dürfen, nicht
mehr mit demselben Interesse gelesen, sie sind nicht mehr so ausführlich als zu der
Zeit, da sie als Debatten im Senat zu Liliput gedruckt wurden. Der Grund ist
einfach. Die meisten Mitglieder sind zu unbedeutend. Die ungeheure», dem Kan¬
didaten zur Last fallende» Wahlkosten gestatten nur reichen Leuten, im Untere
Hause zu sitzen. Reiche Engländer, die sich von ihren Geschäften zurückgezogen
haben, betrachten es als die letzte Glorie ihres Lebens, N. hinter ihren
Namen setzen z» dürfen. Und wenn es der Hausvater nicht wünscht, wenn er
daran denkt, daß selbst die saumseligste Erfüllung der legislatorischen Pflichten
die Annehmlichkeiten des Lebens beschränkt als da sind: Angeln, Schießen,
Fahren, Reiten und Reisen, dann wünschen es manchmal Fran und Töchter z»r
Erhöhung der gesellschaftlichen Stellung. Aber es wäre falsch, diese Erscheinung
allein aus der Qualität der Parlamentsmitglieder erklären zu wollen. Das
regere öffentliche Leben dieses Jahrhunderts, die erstaunliche Entwicklung der
Presse und die Leichtigkeit des Verkehrs bringen (!s mit sich, daß jede Frage
hundertmal allseitig erörtert wird und spruchreif ist, ehe sie im Parlament zur
Verhandlung gelangt. Die Reden der meisten Parlamentsmitglieder enthalten
daher nur Erörterungen und Betrachtungen, die dem regelmäßigen Zeitungsleser,
dem gebildeten Wähler schon geläufig sind.
Den allmählichen Niedergang in der Qualität des Unterhauses verhehlt man
sich auf keiner Seite. Fawcett kvnstatirte die Thatsache vor nicht lauger Zeit
im Xmotssntll (üvnwr^. Und Gladstone sagte in seineu (AoaninM (I. S. 134
u. 160), daß das Unterhaus langsam sinke, daß das Übergewicht sich nicht
mehr in deu Händen des Grundbesitzes, sondern des Reichtums überhaupt be-
finde und England in Gefahr vor einer Gervntvkratic und Plutokratie sei.
Ironie des Schicksals, daß das Haus, welches nach der Theorie die ungestüm
vvrwärtsstrcbende Kraft darstellen soll, zu einem Hause der Greise, thatsächlich,
nicht staatsrechtlich, ein ssimt-us, eine ^vo?/« geworden ist!
Es liegt in der menschlichen Natur, unter Umständen die Lichtseiten von
Zuständen zu sehen, die früher nicht genug verlästert werden konnten, an deren
Entfernung mit dem Aufgebote aller Energie gearbeitet wurde. Das Parlament
vor 1832 hatte Schattenseiten, welche den übermütigsten Spott und den leiden¬
schaftlichsten Haß hervorriefen. Selten hat England eine solche Erregung ge¬
sehen wie zu der Zeit, als das Oberhaus die Reformbill verwarf. Das Volks-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |