Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bakchen und Thyrsosträger.

des geeignetsten Zeitpunktes habe ich meine eigenen Ideen, Doch wir reden
darüber noch.

Meinst dn das ernstlich? fragte sie mit forschenden Blick. Ihr Parla-
mentsredner seid so glatt wie die Aale.

Aber Lilli! sagte er mit vorwurfsvollem Tone.

So erreichten sie wieder das mit dem verführerischen Licht und Duft an¬
gefüllte Gemach.

Frau von Blankendorff ließ sich in einen niedrigen Lehnstuhl sinken, und
Thränen verschleierten ihre Augen. Er nahm ihr gegenüber Platz und schwieg,
in der Meinung, die beste Politik sür ihn sei stille Erwartung.

Laß dir sagen, hub Lilli mit melancholischen Ton an, daß ich in trübem
Vorgefühl diese Tage verbrachte, und den Grund davon mußt du wissen.

Er sah sie fragend an.

Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du ihn wissen. Aber freilich --
was beanspruche ich! So sehr hatte ich mich auf den Abend im Allianz-Klub
gefreut, wo ich Chepa de Molini einführte. Ich hatte mit Bestimmtheit darauf
gerechnet, du würdest kommen, denn als wir zuletzt von dem Souper sprachen,
schien es als sicher zu gelten, daß dn kommen würdest. Mit keinem Gedanken
konnte ich darauf verfallen, daß du mich im Stiche lassen würdest. Für dich
hatte ich Toilette gemacht, für dich hatte ich mich frisirt. Und der Abend hätte
so hübsch sein können, wenn du dort gewesen wärest. Es herrschte eine animirte
Stimmung, Chepa erregte allgemeine Bewunderung. Wir machten auch eine
angenehme Bekanntschaft, indem der Prinz von Parvlignae sich uns vorstellen
ließ, ein höchst liebenswürdiger, feiner Mann, der sich für Chepa besonders zu
interessiren schien, bei Tisch neben ihr saß und eine wirklich glänzende Konver¬
sation zu sichren wußte. Ich erinnere mich kaum je einen so spirituellen Ge¬
sellschafter gesehen zu haben. Aber es war mir alles angenehme, was der Abend
hätte bieten können, durchaus vergällt dadurch, daß du es verschmäht hattest,
zu kommen. -- O, bitte schweig, setz mir bitte nicht auseinander, daß die Fraktions-
sitzungen oder die Sitzungen des Aufsichtsrats dich verhindert haben. Ich weiß
es schon. Ich weiß ja, daß der Staat unrettbar verloren war, wenn du ihn
nicht an diesem Abend bewahrt hättest. Aber für mich war es doch recht demütigend,
daß du nicht in den Klub kamst. Ich überzeuge mich eben immer mehr davon,
daß deine wahren Gefühle gegen mich nicht von erfreulicher Natur sind. Unser
Verhältnis balancirt seit einiger Zeit auf einer Messerschneide, jeden Augenblick
kann es zerfallen. Dn wirst einen passenden Moment benutzen, um mich auf¬
zugeben, und ich werde in den Winkel geworfen werden. Dn wirst mich bei Seite
schlendern wie einen Handschuh, der nicht mehr frisch ist. Das wäre denn das
Ende einer Leidenschaft, die so glühende Versicherungen ewiger Treue von deiner
Seite hervorrief, die, wie du einstmals versichertest, dein ganzes Wesen mit dem
Jener einer uiisterblichen Liebe für mich durchglühte. Wottschung fol.w)




Bakchen und Thyrsosträger.

des geeignetsten Zeitpunktes habe ich meine eigenen Ideen, Doch wir reden
darüber noch.

Meinst dn das ernstlich? fragte sie mit forschenden Blick. Ihr Parla-
mentsredner seid so glatt wie die Aale.

Aber Lilli! sagte er mit vorwurfsvollem Tone.

So erreichten sie wieder das mit dem verführerischen Licht und Duft an¬
gefüllte Gemach.

Frau von Blankendorff ließ sich in einen niedrigen Lehnstuhl sinken, und
Thränen verschleierten ihre Augen. Er nahm ihr gegenüber Platz und schwieg,
in der Meinung, die beste Politik sür ihn sei stille Erwartung.

Laß dir sagen, hub Lilli mit melancholischen Ton an, daß ich in trübem
Vorgefühl diese Tage verbrachte, und den Grund davon mußt du wissen.

Er sah sie fragend an.

Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du ihn wissen. Aber freilich —
was beanspruche ich! So sehr hatte ich mich auf den Abend im Allianz-Klub
gefreut, wo ich Chepa de Molini einführte. Ich hatte mit Bestimmtheit darauf
gerechnet, du würdest kommen, denn als wir zuletzt von dem Souper sprachen,
schien es als sicher zu gelten, daß dn kommen würdest. Mit keinem Gedanken
konnte ich darauf verfallen, daß du mich im Stiche lassen würdest. Für dich
hatte ich Toilette gemacht, für dich hatte ich mich frisirt. Und der Abend hätte
so hübsch sein können, wenn du dort gewesen wärest. Es herrschte eine animirte
Stimmung, Chepa erregte allgemeine Bewunderung. Wir machten auch eine
angenehme Bekanntschaft, indem der Prinz von Parvlignae sich uns vorstellen
ließ, ein höchst liebenswürdiger, feiner Mann, der sich für Chepa besonders zu
interessiren schien, bei Tisch neben ihr saß und eine wirklich glänzende Konver¬
sation zu sichren wußte. Ich erinnere mich kaum je einen so spirituellen Ge¬
sellschafter gesehen zu haben. Aber es war mir alles angenehme, was der Abend
hätte bieten können, durchaus vergällt dadurch, daß du es verschmäht hattest,
zu kommen. — O, bitte schweig, setz mir bitte nicht auseinander, daß die Fraktions-
sitzungen oder die Sitzungen des Aufsichtsrats dich verhindert haben. Ich weiß
es schon. Ich weiß ja, daß der Staat unrettbar verloren war, wenn du ihn
nicht an diesem Abend bewahrt hättest. Aber für mich war es doch recht demütigend,
daß du nicht in den Klub kamst. Ich überzeuge mich eben immer mehr davon,
daß deine wahren Gefühle gegen mich nicht von erfreulicher Natur sind. Unser
Verhältnis balancirt seit einiger Zeit auf einer Messerschneide, jeden Augenblick
kann es zerfallen. Dn wirst einen passenden Moment benutzen, um mich auf¬
zugeben, und ich werde in den Winkel geworfen werden. Dn wirst mich bei Seite
schlendern wie einen Handschuh, der nicht mehr frisch ist. Das wäre denn das
Ende einer Leidenschaft, die so glühende Versicherungen ewiger Treue von deiner
Seite hervorrief, die, wie du einstmals versichertest, dein ganzes Wesen mit dem
Jener einer uiisterblichen Liebe für mich durchglühte. Wottschung fol.w)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86328"/>
            <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_870" prev="#ID_869"> des geeignetsten Zeitpunktes habe ich meine eigenen Ideen, Doch wir reden<lb/>
darüber noch.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_871"> Meinst dn das ernstlich? fragte sie mit forschenden Blick. Ihr Parla-<lb/>
mentsredner seid so glatt wie die Aale.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_872"> Aber Lilli! sagte er mit vorwurfsvollem Tone.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_873"> So erreichten sie wieder das mit dem verführerischen Licht und Duft an¬<lb/>
gefüllte Gemach.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_874"> Frau von Blankendorff ließ sich in einen niedrigen Lehnstuhl sinken, und<lb/>
Thränen verschleierten ihre Augen. Er nahm ihr gegenüber Platz und schwieg,<lb/>
in der Meinung, die beste Politik sür ihn sei stille Erwartung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_875"> Laß dir sagen, hub Lilli mit melancholischen Ton an, daß ich in trübem<lb/>
Vorgefühl diese Tage verbrachte, und den Grund davon mußt du wissen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_876"> Er sah sie fragend an.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_877"> Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du ihn wissen. Aber freilich &#x2014;<lb/>
was beanspruche ich! So sehr hatte ich mich auf den Abend im Allianz-Klub<lb/>
gefreut, wo ich Chepa de Molini einführte. Ich hatte mit Bestimmtheit darauf<lb/>
gerechnet, du würdest kommen, denn als wir zuletzt von dem Souper sprachen,<lb/>
schien es als sicher zu gelten, daß dn kommen würdest. Mit keinem Gedanken<lb/>
konnte ich darauf verfallen, daß du mich im Stiche lassen würdest. Für dich<lb/>
hatte ich Toilette gemacht, für dich hatte ich mich frisirt. Und der Abend hätte<lb/>
so hübsch sein können, wenn du dort gewesen wärest. Es herrschte eine animirte<lb/>
Stimmung, Chepa erregte allgemeine Bewunderung. Wir machten auch eine<lb/>
angenehme Bekanntschaft, indem der Prinz von Parvlignae sich uns vorstellen<lb/>
ließ, ein höchst liebenswürdiger, feiner Mann, der sich für Chepa besonders zu<lb/>
interessiren schien, bei Tisch neben ihr saß und eine wirklich glänzende Konver¬<lb/>
sation zu sichren wußte. Ich erinnere mich kaum je einen so spirituellen Ge¬<lb/>
sellschafter gesehen zu haben. Aber es war mir alles angenehme, was der Abend<lb/>
hätte bieten können, durchaus vergällt dadurch, daß du es verschmäht hattest,<lb/>
zu kommen. &#x2014; O, bitte schweig, setz mir bitte nicht auseinander, daß die Fraktions-<lb/>
sitzungen oder die Sitzungen des Aufsichtsrats dich verhindert haben. Ich weiß<lb/>
es schon. Ich weiß ja, daß der Staat unrettbar verloren war, wenn du ihn<lb/>
nicht an diesem Abend bewahrt hättest. Aber für mich war es doch recht demütigend,<lb/>
daß du nicht in den Klub kamst. Ich überzeuge mich eben immer mehr davon,<lb/>
daß deine wahren Gefühle gegen mich nicht von erfreulicher Natur sind. Unser<lb/>
Verhältnis balancirt seit einiger Zeit auf einer Messerschneide, jeden Augenblick<lb/>
kann es zerfallen. Dn wirst einen passenden Moment benutzen, um mich auf¬<lb/>
zugeben, und ich werde in den Winkel geworfen werden. Dn wirst mich bei Seite<lb/>
schlendern wie einen Handschuh, der nicht mehr frisch ist. Das wäre denn das<lb/>
Ende einer Leidenschaft, die so glühende Versicherungen ewiger Treue von deiner<lb/>
Seite hervorrief, die, wie du einstmals versichertest, dein ganzes Wesen mit dem<lb/>
Jener einer uiisterblichen Liebe für mich durchglühte.    Wottschung fol.w)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0207] Bakchen und Thyrsosträger. des geeignetsten Zeitpunktes habe ich meine eigenen Ideen, Doch wir reden darüber noch. Meinst dn das ernstlich? fragte sie mit forschenden Blick. Ihr Parla- mentsredner seid so glatt wie die Aale. Aber Lilli! sagte er mit vorwurfsvollem Tone. So erreichten sie wieder das mit dem verführerischen Licht und Duft an¬ gefüllte Gemach. Frau von Blankendorff ließ sich in einen niedrigen Lehnstuhl sinken, und Thränen verschleierten ihre Augen. Er nahm ihr gegenüber Platz und schwieg, in der Meinung, die beste Politik sür ihn sei stille Erwartung. Laß dir sagen, hub Lilli mit melancholischen Ton an, daß ich in trübem Vorgefühl diese Tage verbrachte, und den Grund davon mußt du wissen. Er sah sie fragend an. Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du ihn wissen. Aber freilich — was beanspruche ich! So sehr hatte ich mich auf den Abend im Allianz-Klub gefreut, wo ich Chepa de Molini einführte. Ich hatte mit Bestimmtheit darauf gerechnet, du würdest kommen, denn als wir zuletzt von dem Souper sprachen, schien es als sicher zu gelten, daß dn kommen würdest. Mit keinem Gedanken konnte ich darauf verfallen, daß du mich im Stiche lassen würdest. Für dich hatte ich Toilette gemacht, für dich hatte ich mich frisirt. Und der Abend hätte so hübsch sein können, wenn du dort gewesen wärest. Es herrschte eine animirte Stimmung, Chepa erregte allgemeine Bewunderung. Wir machten auch eine angenehme Bekanntschaft, indem der Prinz von Parvlignae sich uns vorstellen ließ, ein höchst liebenswürdiger, feiner Mann, der sich für Chepa besonders zu interessiren schien, bei Tisch neben ihr saß und eine wirklich glänzende Konver¬ sation zu sichren wußte. Ich erinnere mich kaum je einen so spirituellen Ge¬ sellschafter gesehen zu haben. Aber es war mir alles angenehme, was der Abend hätte bieten können, durchaus vergällt dadurch, daß du es verschmäht hattest, zu kommen. — O, bitte schweig, setz mir bitte nicht auseinander, daß die Fraktions- sitzungen oder die Sitzungen des Aufsichtsrats dich verhindert haben. Ich weiß es schon. Ich weiß ja, daß der Staat unrettbar verloren war, wenn du ihn nicht an diesem Abend bewahrt hättest. Aber für mich war es doch recht demütigend, daß du nicht in den Klub kamst. Ich überzeuge mich eben immer mehr davon, daß deine wahren Gefühle gegen mich nicht von erfreulicher Natur sind. Unser Verhältnis balancirt seit einiger Zeit auf einer Messerschneide, jeden Augenblick kann es zerfallen. Dn wirst einen passenden Moment benutzen, um mich auf¬ zugeben, und ich werde in den Winkel geworfen werden. Dn wirst mich bei Seite schlendern wie einen Handschuh, der nicht mehr frisch ist. Das wäre denn das Ende einer Leidenschaft, die so glühende Versicherungen ewiger Treue von deiner Seite hervorrief, die, wie du einstmals versichertest, dein ganzes Wesen mit dem Jener einer uiisterblichen Liebe für mich durchglühte. Wottschung fol.w)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/207
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/207>, abgerufen am 22.07.2024.