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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Nachweis jenes angeblichen Skandalverhältnisses der Königin zu Bothwell ver¬
sucht, dem die berüchtigten Briefe Marias ihren Ursprung verdanken sollen,
und des sogenannten Tagebuchs Murrays, des Stiefbruders der Königin und da¬
maligen Regenten Schottlands, welches nichts als ein bloßer Auszug aus dem
Artikelbuche ist. Wenn also gerade jetzt jenes angebliche Beweismaterial ver¬
öffentlicht wurde, so verbanden die Herausgeber damit eine ganz bestimmte Ab¬
sicht: es galt in einer Zeit der Aufregung, welche nach einer Begründung jener
Anklagen zu forschen keine Lust hatte, Marias Namen für immer zu brand¬
marken.

Die gefangene Königin wußte sogleich, woher der Schlag kam, der hier aus
dem Versteck gegen sie geführt wurde. Sie hat Bnchannn, den fie mit Wohl¬
thaten überhäuft, und der sie dafür in lateinischen Oden besungen hatte, als
den Schreiber bezeichnet und auf Elisabeths Minister Cecil, als den eigentlichen
Urheber der Schmähschrift geraten. Daß sie Recht gehabt, beweist, so sehr auch
die englische Regierung bemüht war, ihren Anteil ein dem Machwerke zu ver¬
tuschen, der Brief des englischen Übersetzers der vetöötio, des or. ThomnS Wilson,
NWtor ol tus Ocmrt ok L-sanoLts, der am 8. Dezember 1571 an Cecil schreibt,
um die Zusendung der Aussagen eines Dieners von Bothwell, French Paris,
zu erbitten, nud dabei die Versicherung giebt, daß nicht bekannt werden solle,
woher sie kämen. Daß aber auch die Königin Elisabeth um den schmutzigen
Handel wußte, geht aus einem Befehle hervor, den sie ihrem französischen Ge¬
sandten gab. "Es wäre nicht übel," schreibt sie ihm, "verschiedene von Buchcmans
kleinen lateinischen Büchlein bereit zu halten, um sie als Geschenk zu überreichen,
wenn nötig dem König selbst, doch so, als thäten Sie dies von selbst, und ebenso
einigen andern Edelleuten seines Rats, denn dies wird dem guten Zweck dienen,
sie (Maria) zu entehren (de> äisssi-s-os llvr), was geschehen muß, bevor andre
Absichten (ein englisch-französisches Bündnis gegen die spanische Weltmacht) er¬
reicht werden können."

Ziehen wir noch in Betracht, daß die votvotlo auch ins Französische über¬
setzt und geflissentlich verbreitet wurde, so erscheint es unzweifelhaft, daß die
ganze Votsotio-Literatur ein politisches Unternehmen der englischen Regierung,
und Cecil der geheime Leiter und Verbreiter dieser Schriften war, während
Bucharen und Wilson nur literarische Handlangerdienste verrichteten. Gerade
damals unterhandelte man mit Frankreich wegen eines Bündnisses. Es mußte
also von höchster Wichtigkeit sein, die Bedenken Karls IX. und aller Freunde
der schottischen Königin am Hofe von Paris zu beseitigen. Dies war aber mir
dann möglich, wenn man nachweisen konnte, daß Maria der französischen Hilfe
unwürdig und ihre Gefangenschaft in England durchaus berechtigt sei.

Auf der vetvotio, welche dem Inhalte nach mit dem Artikclbuche vollständig
sich deckt und sich mir äußerlich darin von ihm unterscheidet, daß es die Klassi-
fizirnng der verschiedenen angeblichen Verbrechen, wie sie eine Anklageschrift mit


Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Nachweis jenes angeblichen Skandalverhältnisses der Königin zu Bothwell ver¬
sucht, dem die berüchtigten Briefe Marias ihren Ursprung verdanken sollen,
und des sogenannten Tagebuchs Murrays, des Stiefbruders der Königin und da¬
maligen Regenten Schottlands, welches nichts als ein bloßer Auszug aus dem
Artikelbuche ist. Wenn also gerade jetzt jenes angebliche Beweismaterial ver¬
öffentlicht wurde, so verbanden die Herausgeber damit eine ganz bestimmte Ab¬
sicht: es galt in einer Zeit der Aufregung, welche nach einer Begründung jener
Anklagen zu forschen keine Lust hatte, Marias Namen für immer zu brand¬
marken.

Die gefangene Königin wußte sogleich, woher der Schlag kam, der hier aus
dem Versteck gegen sie geführt wurde. Sie hat Bnchannn, den fie mit Wohl¬
thaten überhäuft, und der sie dafür in lateinischen Oden besungen hatte, als
den Schreiber bezeichnet und auf Elisabeths Minister Cecil, als den eigentlichen
Urheber der Schmähschrift geraten. Daß sie Recht gehabt, beweist, so sehr auch
die englische Regierung bemüht war, ihren Anteil ein dem Machwerke zu ver¬
tuschen, der Brief des englischen Übersetzers der vetöötio, des or. ThomnS Wilson,
NWtor ol tus Ocmrt ok L-sanoLts, der am 8. Dezember 1571 an Cecil schreibt,
um die Zusendung der Aussagen eines Dieners von Bothwell, French Paris,
zu erbitten, nud dabei die Versicherung giebt, daß nicht bekannt werden solle,
woher sie kämen. Daß aber auch die Königin Elisabeth um den schmutzigen
Handel wußte, geht aus einem Befehle hervor, den sie ihrem französischen Ge¬
sandten gab. „Es wäre nicht übel," schreibt sie ihm, „verschiedene von Buchcmans
kleinen lateinischen Büchlein bereit zu halten, um sie als Geschenk zu überreichen,
wenn nötig dem König selbst, doch so, als thäten Sie dies von selbst, und ebenso
einigen andern Edelleuten seines Rats, denn dies wird dem guten Zweck dienen,
sie (Maria) zu entehren (de> äisssi-s-os llvr), was geschehen muß, bevor andre
Absichten (ein englisch-französisches Bündnis gegen die spanische Weltmacht) er¬
reicht werden können."

Ziehen wir noch in Betracht, daß die votvotlo auch ins Französische über¬
setzt und geflissentlich verbreitet wurde, so erscheint es unzweifelhaft, daß die
ganze Votsotio-Literatur ein politisches Unternehmen der englischen Regierung,
und Cecil der geheime Leiter und Verbreiter dieser Schriften war, während
Bucharen und Wilson nur literarische Handlangerdienste verrichteten. Gerade
damals unterhandelte man mit Frankreich wegen eines Bündnisses. Es mußte
also von höchster Wichtigkeit sein, die Bedenken Karls IX. und aller Freunde
der schottischen Königin am Hofe von Paris zu beseitigen. Dies war aber mir
dann möglich, wenn man nachweisen konnte, daß Maria der französischen Hilfe
unwürdig und ihre Gefangenschaft in England durchaus berechtigt sei.

Auf der vetvotio, welche dem Inhalte nach mit dem Artikclbuche vollständig
sich deckt und sich mir äußerlich darin von ihm unterscheidet, daß es die Klassi-
fizirnng der verschiedenen angeblichen Verbrechen, wie sie eine Anklageschrift mit


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[0127] Die Lösung der Maria Stuart-Frage. Nachweis jenes angeblichen Skandalverhältnisses der Königin zu Bothwell ver¬ sucht, dem die berüchtigten Briefe Marias ihren Ursprung verdanken sollen, und des sogenannten Tagebuchs Murrays, des Stiefbruders der Königin und da¬ maligen Regenten Schottlands, welches nichts als ein bloßer Auszug aus dem Artikelbuche ist. Wenn also gerade jetzt jenes angebliche Beweismaterial ver¬ öffentlicht wurde, so verbanden die Herausgeber damit eine ganz bestimmte Ab¬ sicht: es galt in einer Zeit der Aufregung, welche nach einer Begründung jener Anklagen zu forschen keine Lust hatte, Marias Namen für immer zu brand¬ marken. Die gefangene Königin wußte sogleich, woher der Schlag kam, der hier aus dem Versteck gegen sie geführt wurde. Sie hat Bnchannn, den fie mit Wohl¬ thaten überhäuft, und der sie dafür in lateinischen Oden besungen hatte, als den Schreiber bezeichnet und auf Elisabeths Minister Cecil, als den eigentlichen Urheber der Schmähschrift geraten. Daß sie Recht gehabt, beweist, so sehr auch die englische Regierung bemüht war, ihren Anteil ein dem Machwerke zu ver¬ tuschen, der Brief des englischen Übersetzers der vetöötio, des or. ThomnS Wilson, NWtor ol tus Ocmrt ok L-sanoLts, der am 8. Dezember 1571 an Cecil schreibt, um die Zusendung der Aussagen eines Dieners von Bothwell, French Paris, zu erbitten, nud dabei die Versicherung giebt, daß nicht bekannt werden solle, woher sie kämen. Daß aber auch die Königin Elisabeth um den schmutzigen Handel wußte, geht aus einem Befehle hervor, den sie ihrem französischen Ge¬ sandten gab. „Es wäre nicht übel," schreibt sie ihm, „verschiedene von Buchcmans kleinen lateinischen Büchlein bereit zu halten, um sie als Geschenk zu überreichen, wenn nötig dem König selbst, doch so, als thäten Sie dies von selbst, und ebenso einigen andern Edelleuten seines Rats, denn dies wird dem guten Zweck dienen, sie (Maria) zu entehren (de> äisssi-s-os llvr), was geschehen muß, bevor andre Absichten (ein englisch-französisches Bündnis gegen die spanische Weltmacht) er¬ reicht werden können." Ziehen wir noch in Betracht, daß die votvotlo auch ins Französische über¬ setzt und geflissentlich verbreitet wurde, so erscheint es unzweifelhaft, daß die ganze Votsotio-Literatur ein politisches Unternehmen der englischen Regierung, und Cecil der geheime Leiter und Verbreiter dieser Schriften war, während Bucharen und Wilson nur literarische Handlangerdienste verrichteten. Gerade damals unterhandelte man mit Frankreich wegen eines Bündnisses. Es mußte also von höchster Wichtigkeit sein, die Bedenken Karls IX. und aller Freunde der schottischen Königin am Hofe von Paris zu beseitigen. Dies war aber mir dann möglich, wenn man nachweisen konnte, daß Maria der französischen Hilfe unwürdig und ihre Gefangenschaft in England durchaus berechtigt sei. Auf der vetvotio, welche dem Inhalte nach mit dem Artikclbuche vollständig sich deckt und sich mir äußerlich darin von ihm unterscheidet, daß es die Klassi- fizirnng der verschiedenen angeblichen Verbrechen, wie sie eine Anklageschrift mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/127>, abgerufen am 22.07.2024.