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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Grafen Murray, der durch diese Ehe sich aus der Herrschaft, welche er ausgeübt
hatte, verdrängt sah. Die katholische Königin schloß sich um so enger an Spanien
und den Papst an, und ihr Geheimsekretär David Riccio leitete die Verbindung.
Es erhob sich nun ein Kampf um Macht, Glauben, Besitz für beide Religions-
gesellschaften in Schottland. Riccio, der Agent des Papstes, wurde von protestan¬
tischen Edelleuten unter Mitwirkung des bethörten Darnley ermordet. Aber
Darnleh verriet, um die Liebe seiner Gemahlin wieder zu gewinnen, seine Mit-
verschwornen. Sie waren es, die ihn stürzten. Mit der Entthronung Marias und
dem Siege Murrays, der die verlorene Macht wieder gewann, endete der Kampf.

Dies ungefähr ist das Bild, welches Bekker von den letzten Jahren der
Regierung Marias nach den Quellen zeichnet, und auf Grund dieser veränderten
Anschauungen jener Zeit, untersucht er nun zum erstenmale in genanester Weise
alle Berichte, die wir über den Anteil Marias an dem Ende Darnleys haben,
und kommt zu dem Schlüsse, daß die Königin an diesem Verbrechen vollständig
schuldlos war.

Da Bekkers fleißige und scharfsinnige Untersuchung ihre Aufgabe vollständig
löst, und schwerlich der Versuch gemacht werden wird, in entgegengesetztem Sinne
nochmals an eine Behandlung der Frage heranzutreten, so verlohnt es sich, auf
seine Resultate näher einzugehen. Wir verzichten dabei auf eine Wiedergabe alles
dessen, was Bekker über die Ereignisse, deren Mittelpunkt Maria war, neues
gefunden hat, und begnügen uns lediglich mit der Frage nach der Schuld der
Königin und deren Begründung in den Quellen.

Zu derselben Zeit, als die Maria Stuart-Frage zur Weltfrage wurde, als
Spanien, Frankreich und der Papst Partei für die gefangene Königin nahmen,
die Heiratsintrigucn des Herzogs von Norfolk spielten, die nordischen Grafschaften
zu Gunsten Marias sich erhoben, Königin Elisabeth durch die Lulla äLvlg-toria
Papst Pius'V. für abgesetzt erklärt und eine Verschwörung geplant wurde, wonach
Königin Elisabeth ermordet und ihr Reich unter das Königtum Marias und
damit in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückgeführt werden sollte,
überreichte man, im November 1571, der Königin von Schottland in Sheffield
eine Schrift in lateinischer Sprache, welche soeben in London erschienen war
und den Titel trug: Ds Ug-rig,, Lootorunr rs^ma,, tot^ans hos vomer^ rsMm
oomniAtions, tosäo ouin Lotlmvlio aclultörw, NölÄria, in viMituin eruäölit^t"
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tu,8wren. Es war die erste Auflage der später unter dem Titel Dstsetio Mu'ins,
reginao Loowrum, so berühmt und berüchtigt gewordenen Schmähschrift, deren
Verfasser der bekannte Gelehrte und Geschichtschreiber George Buchnnan war.

Die Dötootio war weiter nichts als eine Ausarbeitung zweier Beweise,
welche die Schotten bei den Verhandlungen zu Westminster im November 1568
produzirten, mir die Schuld ihrer gefangenen Königin zu erhärten, des Look ok
tus ^rtio1ö8, einer aus fünf Abteilungen bestehenden Anklageschrift, welche den


Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Grafen Murray, der durch diese Ehe sich aus der Herrschaft, welche er ausgeübt
hatte, verdrängt sah. Die katholische Königin schloß sich um so enger an Spanien
und den Papst an, und ihr Geheimsekretär David Riccio leitete die Verbindung.
Es erhob sich nun ein Kampf um Macht, Glauben, Besitz für beide Religions-
gesellschaften in Schottland. Riccio, der Agent des Papstes, wurde von protestan¬
tischen Edelleuten unter Mitwirkung des bethörten Darnley ermordet. Aber
Darnleh verriet, um die Liebe seiner Gemahlin wieder zu gewinnen, seine Mit-
verschwornen. Sie waren es, die ihn stürzten. Mit der Entthronung Marias und
dem Siege Murrays, der die verlorene Macht wieder gewann, endete der Kampf.

Dies ungefähr ist das Bild, welches Bekker von den letzten Jahren der
Regierung Marias nach den Quellen zeichnet, und auf Grund dieser veränderten
Anschauungen jener Zeit, untersucht er nun zum erstenmale in genanester Weise
alle Berichte, die wir über den Anteil Marias an dem Ende Darnleys haben,
und kommt zu dem Schlüsse, daß die Königin an diesem Verbrechen vollständig
schuldlos war.

Da Bekkers fleißige und scharfsinnige Untersuchung ihre Aufgabe vollständig
löst, und schwerlich der Versuch gemacht werden wird, in entgegengesetztem Sinne
nochmals an eine Behandlung der Frage heranzutreten, so verlohnt es sich, auf
seine Resultate näher einzugehen. Wir verzichten dabei auf eine Wiedergabe alles
dessen, was Bekker über die Ereignisse, deren Mittelpunkt Maria war, neues
gefunden hat, und begnügen uns lediglich mit der Frage nach der Schuld der
Königin und deren Begründung in den Quellen.

Zu derselben Zeit, als die Maria Stuart-Frage zur Weltfrage wurde, als
Spanien, Frankreich und der Papst Partei für die gefangene Königin nahmen,
die Heiratsintrigucn des Herzogs von Norfolk spielten, die nordischen Grafschaften
zu Gunsten Marias sich erhoben, Königin Elisabeth durch die Lulla äLvlg-toria
Papst Pius'V. für abgesetzt erklärt und eine Verschwörung geplant wurde, wonach
Königin Elisabeth ermordet und ihr Reich unter das Königtum Marias und
damit in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückgeführt werden sollte,
überreichte man, im November 1571, der Königin von Schottland in Sheffield
eine Schrift in lateinischer Sprache, welche soeben in London erschienen war
und den Titel trug: Ds Ug-rig,, Lootorunr rs^ma,, tot^ans hos vomer^ rsMm
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tu,8wren. Es war die erste Auflage der später unter dem Titel Dstsetio Mu'ins,
reginao Loowrum, so berühmt und berüchtigt gewordenen Schmähschrift, deren
Verfasser der bekannte Gelehrte und Geschichtschreiber George Buchnnan war.

Die Dötootio war weiter nichts als eine Ausarbeitung zweier Beweise,
welche die Schotten bei den Verhandlungen zu Westminster im November 1568
produzirten, mir die Schuld ihrer gefangenen Königin zu erhärten, des Look ok
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[0126] Die Lösung der Maria Stuart-Frage. Grafen Murray, der durch diese Ehe sich aus der Herrschaft, welche er ausgeübt hatte, verdrängt sah. Die katholische Königin schloß sich um so enger an Spanien und den Papst an, und ihr Geheimsekretär David Riccio leitete die Verbindung. Es erhob sich nun ein Kampf um Macht, Glauben, Besitz für beide Religions- gesellschaften in Schottland. Riccio, der Agent des Papstes, wurde von protestan¬ tischen Edelleuten unter Mitwirkung des bethörten Darnley ermordet. Aber Darnleh verriet, um die Liebe seiner Gemahlin wieder zu gewinnen, seine Mit- verschwornen. Sie waren es, die ihn stürzten. Mit der Entthronung Marias und dem Siege Murrays, der die verlorene Macht wieder gewann, endete der Kampf. Dies ungefähr ist das Bild, welches Bekker von den letzten Jahren der Regierung Marias nach den Quellen zeichnet, und auf Grund dieser veränderten Anschauungen jener Zeit, untersucht er nun zum erstenmale in genanester Weise alle Berichte, die wir über den Anteil Marias an dem Ende Darnleys haben, und kommt zu dem Schlüsse, daß die Königin an diesem Verbrechen vollständig schuldlos war. Da Bekkers fleißige und scharfsinnige Untersuchung ihre Aufgabe vollständig löst, und schwerlich der Versuch gemacht werden wird, in entgegengesetztem Sinne nochmals an eine Behandlung der Frage heranzutreten, so verlohnt es sich, auf seine Resultate näher einzugehen. Wir verzichten dabei auf eine Wiedergabe alles dessen, was Bekker über die Ereignisse, deren Mittelpunkt Maria war, neues gefunden hat, und begnügen uns lediglich mit der Frage nach der Schuld der Königin und deren Begründung in den Quellen. Zu derselben Zeit, als die Maria Stuart-Frage zur Weltfrage wurde, als Spanien, Frankreich und der Papst Partei für die gefangene Königin nahmen, die Heiratsintrigucn des Herzogs von Norfolk spielten, die nordischen Grafschaften zu Gunsten Marias sich erhoben, Königin Elisabeth durch die Lulla äLvlg-toria Papst Pius'V. für abgesetzt erklärt und eine Verschwörung geplant wurde, wonach Königin Elisabeth ermordet und ihr Reich unter das Königtum Marias und damit in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückgeführt werden sollte, überreichte man, im November 1571, der Königin von Schottland in Sheffield eine Schrift in lateinischer Sprache, welche soeben in London erschienen war und den Titel trug: Ds Ug-rig,, Lootorunr rs^ma,, tot^ans hos vomer^ rsMm oomniAtions, tosäo ouin Lotlmvlio aclultörw, NölÄria, in viMituin eruäölit^t« se radis, norreiräo supor <ze> ästerrimo eins xarriviclio; xloim ize trügiog. Mus tu,8wren. Es war die erste Auflage der später unter dem Titel Dstsetio Mu'ins, reginao Loowrum, so berühmt und berüchtigt gewordenen Schmähschrift, deren Verfasser der bekannte Gelehrte und Geschichtschreiber George Buchnnan war. Die Dötootio war weiter nichts als eine Ausarbeitung zweier Beweise, welche die Schotten bei den Verhandlungen zu Westminster im November 1568 produzirten, mir die Schuld ihrer gefangenen Königin zu erhärten, des Look ok tus ^rtio1ö8, einer aus fünf Abteilungen bestehenden Anklageschrift, welche den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/126>, abgerufen am 22.07.2024.